Sexualisierte Gewalt an Schulen: Drastische Lücke beim Kinderschutz
Im Kreis Lörrach konnte ein wegen Missbrauchs vorbestrafter Lehrer wieder an einer Schule arbeiten. Möglich wurde das durch zu lasche Regeln.
Bis heute ist unklar, wie genau der Täter an der Schule so lange unerkannt bleiben und sich deshalb wohl an dem weiteren Mädchen vergreifen konnte. Der Mann nahm sich im November 2020 in Untersuchungshaft das Leben, die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen deshalb eingestellt.
Doch Recherchen der taz und des Südkurier machen deutlich: Die Anstellung des einschlägig Vorbestraften hätte verhindert werden können, wenn die Schulleitung ein polizeiliches Führungszeugnis bei der Bewerbung verlangt hätte. Bei der Einstellung des 57-jährigen hatte laut Schulamt ein Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters seiner Heimatgemeinde gereicht, in dem er als Mitarbeiter der örtlichen Volkshochschule empfohlen wurde. Auf das Führungszeugnis wurde verzichtet.
Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg müssen grundsätzlich ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Bei anderen Schulangestellten – wie dem Betreuer aus dem Kreis Lörrach – war ein solches Zeugnis damals zwar empfohlen, nicht aber verpflichtend. Warum ein Führungszeugnis für Angestellte wie ehrenamtliche Betreuungskräfte nicht längst obligatorisch war, darauf hat auch Benedikt Reinhard, Pressesprecher des Kultusministeriums in Stuttgart, keine Antwort. In Ländern wie Hamburg ist ein solches Dokument seit bald acht Jahren für alle Angestellten an Schulen obligatorisch.
Besonders heikel ist die Lage in Schleswig-Holstein
Immerhin: Die damalige Kultusministerin, Susanne Eisenmann, reagierte schnell auf den Fall im Kreis Lörrach. Die Lücke bei den Kontrollen ist seit Dezember 2020 in ganz Baden-Württemberg geschlossen. „Zwischenzeitlich müssen auch Personen, die ehrenamtlich im Rahmen eines Lehrauftrags an der Schule regelmäßig tätig und über 18 Jahre alt sind, verpflichtend ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen“, erklärt Reinhard vom Kultusministerium in Stuttgart.
Die Recherchen von taz und Südkurier zeigen aber auch: Die Lücke gibt es in anderen Bundesländern weiterhin. Da Bildung Ländersache ist, sind die Regelungen in den Bundesländern zur Kontrolle von schulischen Angestellten nicht einheitlich geregelt. Nach einer Übersicht, die der Bundesbeauftragte gegen Missbrauch auf Anfrage der taz erstellt hat, ist die Lage in einigen Bundesländern derzeit sogar schlimmer, als sie es in Baden-Württemberg bis vor dem Fall in Lörrach war.
Länder wie Rheinland-Pfalz, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben weiterhin keine Regelung für Betreuungskräfte und Ehrenamtliche, oder sehen nur eine Empfehlung vor. Besonders heikel ist die Lage in Schleswig-Holstein, dort ist nicht einmal das Führungszeugnis für Lehrer gesetzlich verpflichtend.
Der Deutsche Kinderschutzbund kritisiert diese Uneinheitlichkeit bei den Kontrollen zum Schutz der Kinder: „Wir drängen darauf, dass in den Schulgesetzen aller Länder die Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen für Personal verpflichtend wird“, sagt die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Martina Huxoll von Ahn. „Diese Pflicht soll unabhängig von der Anstellungsart der Beschäftigten gelten.“
Doch auch das erweiterte Führungszeugnis kann trügen. Dort sind nur Taten verzeichnet, für die ein Bewerber verurteilt wurde. Doch bei Missbrauch ist die Dunkelziffer unentdeckter Fälle hoch. Deshalb brauche es Schutzkonzepte an Schulen und Fortbildungen für Lehrer und Schüler, sagt von Ahn. Maßnahmen, die jetzt an der betroffenen Schule im Kreis Lörrach ergriffen werden.
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