Serie über britischen Krankenhausalltag: Dauerstress und Dauerkrise
„This Is Going to Hurt“ zeigt den harten Alltag in einem staatlichen Krankenhaus in Großbritannien. Der Autor der Serie arbeitete selbst in einem.
Der harte Alltag der Ärzte im Dienst des britischen National Health Service (NHS) lässt sich oft nur noch mit einem scharfen Humor ertragen, der wehtut. Dieser Humor zieht sich durch die siebenteilige Serie „This Is Going to Hurt“, die ungeschönt aus dem Leben eines britischen Arztes erzählt. Authentisch ist sie dadurch, dass die Hauptfigur mindestens teilweise mit dem Autor identisch ist. Beide tragen denselben Namen: Adam Kay. Der echte Kay, ebenfalls von Haus aus Arzt, schrieb vor einigen Jahren ein Sachbuch über seine Erfahrungen im Klinikalltag („Jetzt tut es gleich ein bisschen weh“). Eine dramatisierte, fiktionalisierte Fassung ist nun die Grundlage für die Serie.
Serienarzt Adam (Ben Whishaw) arbeitet in der gynäkologischen Abteilung einer staatlichen Klinik in London. Wir sehen ihn zu Beginn schlafend in seinem Auto – morgens vor dem Krankenhaus, denn er war nach der letzten Schicht am Steuer eingeschlafen, bevor er nach Hause fahren konnte. Das ist ebenso komisch wie tragisch und zeigt das Grundprinzip der ganzen Serie.
Zugleich entwickelt sich ein temporeiches Drama, denn auf dem Weg zur nächsten Schicht sammelt der verschlafene Arzt draußen vor der Klinik eine Frau mit heftigen Wehen auf, die es nicht mehr in den Kreißsaal schaffte.
Während es im Laufe der Serie immer wieder zu solchen Minidramen kommt, spannt sich ein großer Handlungsbogen über das Ganze. Adam muss mehrere zusammenhängende Großprobleme bewältigen: Eine Fehldiagnose seinerseits hat dazu geführt, dass ein Baby viel zu früh auf die Welt geholt werden musste. Nun gibt es eine Beschwerde, durch die er seine Zulassung verlieren kann. Obwohl die Situation ihn belastet, schafft er es nicht, seinem Freund davon zu erzählen, und macht ihm stattdessen spontan einen Heiratsantrag. Allerdings hat er sich bisher nicht als schwul geoutet.
„This Is Going to Hurt“, sieben Folgen in der ZDF-Mediathek
Sie werden verheizt
Weder Eltern noch Kolleg*innen wissen davon. Dieser Serien-Adam ist, obwohl schlagfertig, witzig und seinen Patient:innen gegenüber mitfühlend, nicht bedingungslos sympathisch. Der Autor-Adam hat ihm eine gute Portion irritierender Selbstherrlichkeit mitgegeben, gespeist aus einem unhinterfragten Upperclass-Background, und einen Hang zu asozialem Verhalten. Es gehört zu den großen Stärken der Serie – und ihres Hauptdarstellers –, dass es trotzdem kein Problem ist, ihn als Identifikationsfigur anzunehmen.
Adams Gegenstück ist die junge Assistenzärztin Shruti (Ambika Mod), die genau wie er Doppelschichten schiebt und nebenbei für ihre Prüfungen lernen muss. Zu Beginn noch hilflos in der praktischen Arbeit, wächst Shruti in den Monaten, die die Serie umfasst, zu einer zupackenden, fachlich versierten Ärztin heran. Doch sie verliert dabei den inneren Halt, wird verheizt in einem unterfinanzierten, strikt hierarchisch organisierten System, das Berufsanfänger:innen ausbeutet, während alle, die auf der Leiter höher stehen, vor allem auf die eigenen erreichten Privilegien achten.
Die Serie zeigt diese Ordnung der Dinge nicht in Schwarz-Weiß, sondern in der durchaus widersprüchlichen Figur einer Oberärztin, die selbst aus der Arbeiterschicht stammt und Shruti zunächst zu fördern scheint. Aber in ihrer robusten Toughness begreift sie nicht, dass Förderung durch Überforderung der falsche Weg ist.
Die oft absurde Komik des Scripts verdeckt niemals das Tragische; dafür sorgen eine zwischen beiden Polen straff gespannte Dramaturgie und großartig pointierte Dialoge. So traurig die Zustände sind, so befreiend ist der Humor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen