piwik no script img

Serie „Show me a hero“Besorgte US-Bürger

„Show me a hero“ spielt in den USA der 80-er Jahre. Aber das Szenario weist erschreckende Parallelen zur Flüchtlingsdebatte in Deutschland auf.

Wird zerrieben: Nick Wasicsko (Oscar Isaac) mit seiner Frau Nay (Carla Quevedo) im Gerichtssaal Foto: Promo

Schon die Eingangsszene verweist auf die Katastrophe. Mit zittrigen Fingern fummelt Nick Wasicsko eine Flasche Maalox aus dem Handschuhfach, um seinem schmerzenden Magen Linderung zu verschaffen. Dann steigt er aus dem Wagen, übergibt sich, und taumelt auf dem Friedhof davon. Die älteren Einwohner von Yonkers, einer 200.000-Einwohner-Stadt im US-Bundesstaat New York werden wissen, wie die Geschichte ausgeht. Denn Nick Wasicsko (grandios gespielt von Oscar Isaac und jüngst mit einem Golden Globe für den besten Hauptdarsteller belohnt) ist eine reale Figur.

Die ehemalige New-York-Times-Autorin Lisa Belkin hat seine Geschichte unter dem Titel „Show me a hero“ aufgeschrieben. Sie erzählt vom damals mit 28 Jahren jüngsten Bürgermeister der USA, der in den 1980er-Jahren in einem Streit um sozialen Wohnungsbau politisch und persönlich zerrieben wurde. „Show me a hero“ ist nur die erste Hälfte eines F. Scott Fitzgerald-Zitats. „Show me a hero and I will write you a tragedy“ heißt es vollständig. Zeig mir einen Helden und ich schreibe Dir eine Tragödie.

Diesen Stoff hat Autor und Produzent David Simon gemeinsam mit William F. Zorzi, mit dem er schon bei „The Wire“ zusammengewirkt hatte, für HBO zu einer sechsteiligen Miniserie verarbeitet. Und obwohl sie in den USA der 1980-er und frühen 1990-er Jahre spielt, weist sie erschreckende Parallelen zum Deutschland von 2016 auf.

Yonkers war die erste US-amerikanische Stadt, in der die Ideen von Stadtplaner Oscar Newman umgesetzt werden sollten: Statt nicht-weiße Einwohner auf engstem Raum in heruntergekommene Hochhäuser am Stadtrand zu verbannen, hatte er einen über die Stadt verteilten sozialen Wohnungsbau vorgesehen. Integration statt Segregation – für die weiße Bevölkerung auch zwanzig Jahre nach der Aufhebung der Rassentrennung eine unerträgliche Zumutung.

Und weil diese, heute würde man wohl von besorgten Bürgern sprechen, ihre Wut regelmäßig, Plakate schwenkend und lautstark vor und im Rathaus artikulieren, überbieten sich anfangs selbst die demokratischen Abgeordneten, wie Wasicsko einer ist, darin, sich als Verfechter weißer Eigentums- und rassistischer Unter-sich-bleibe-Fantasien zu inszenieren.

So übertrumpft der Jungspund auch seinen Vorgänger (James Belushi) im Rathaus. Mit dem einzigen Haken, dass der Widerstand gegen die geplanten Sozialwohnungen nicht rechtens ist. „Hier geht es nicht darum, Helden zu schaffen. Hier geht es darum, dass diese Wohnungen gebaut werden“, stellt Richter Sand kühl fest und läutet damit den Anfang vom Ende ein.

Erniedrigende Integrationskurse

Was dann folgt, die immer respektloser werdenden Proteste und Beschimpfungen der Politiker, das Nicht-mehr-zuhören-wollen, die Sturheit, die Stadt eher bankrott gehen zu lassen, als People of Colour in der Nachbarschaft zu akzeptieren, die Morddrohungen, die Angriffe auf die irgendwann dann doch in Bau befindlichen Häuser, bis hin zu den erniedrigenden Integrationskursen, die die neuen Bewohner zu absolvieren haben, das alles kommt einem beim Zusehen schrecklich bekannt vor.

Die Serie

Show me a hero, Serienstart: 18.01.2016, 21 Uhr, Sky Atlantic

„Müssen die Weißen auch so einen Kurs besuchen?“, fragt eine Teilnehmerin empört. „Ja, wo lernen die denn, mit uns zu leben?“, pflichtet eine andere ihr bei – und man wünscht sich, dass Flüchtlinge hierzulande ähnliche Fragen möglich lauthals stellen.

Ex-Bürgermeister Wasicsko ertränkt seinen Kummer da längst gemeinsam mit Kollegin Vinni (Winona Ryder, deren versoffene Stimme hier nur allzu gut passt) in Stolichnaya auf Eis. Dass er einer der ersten war, der irgendwann kapiert hatte, worum es geht (“Die Menschen wollen nur ein Zuhause. Das ist doch bei allen gleich“) bewahrt ihn vor der Tragödie nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • So aussichtslos wie in diesem Film ist die Geschichte in den USA aber offensichtlich nicht ausgegangen!

     

    - Und in Deutschland? Keine Frage, die ersten zwei Wochen des Jahres 2016 waren von einem rechten Mob bestimmt (erstmals wieder seit 1945 so offensichtlich und umfassend von den Institutionen und Medien orchestriert). - Aber könnte die Geschichte auch in Deutschland nicht offener sein, so wie sie es in den 1980ern tatsächlich in den USA war?