Serie „Der Scheich“ auf Paramount+: Weil er nicht „Nein“ sagen kann
Den Streamingdienst Paramount+ gibt es gerade mal zwei Wochen, und er hat schon eine Eigenproduktion auf Deutsch. Darin wird ein Mann zum Hochstapler.
Dass internationale Streamingdienste früher oder später auch eigene Programme auf Deutsch produzieren, ist üblich. Bei Netflix und Prime Video dauerte es allerdings ein paar Jahre; bei Disney+ ist es immer noch nicht soweit. Ganz anders nun bei Paramount+: der neueste Player im Streamer-Markt ist seit gerade einmal zwei Wochen am Start – und präsentiert schon die erste deutschsprachige Eigenproduktion: „Der Scheich“ ist ab dem 22. Dezember mit acht rund 42-minütigen Folgen zu streamen.
Kreativer Kopf hinter „Der Scheich“ ist Dani Levy, einer der letzten deutschsprachigen Filmemacher*innen, die sich bislang noch nicht am seriellen Erzählen versucht haben. Lose inspiriert von einem realen Fall spinnt er hier nun eine Hochstaplergeschichte im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet. „Based on true lies“ heißt es augenzwinkernd im Vorspann.
Die Lügengeschichte, in die Protagonist Ringo (Björn Meyer) sich verstrickt, ist allerdings eine, die sich eher aus einer Verkettung von Zufällen denn aus Vorsatz ergibt. Der Fassadenmaler aus einem beschaulichen Schwarzwald-Örtchen nahe Titisee-Neustadt ist eigentlich das Gegenteil eines gewieften Betrügers: ein naiver, übergewichtiger Träumer, der weder lesen noch schreiben kann und keiner Fliege etwas zuleide tun will. Mit Lebensgefährtin Carla (Petra Schmidt-Schaller) zieht er die gemeinsame Tochter und ihren Sohn aus einer früheren Beziehung zu seinem Kumpel Pathos (Pasquale Aleardi) groß.
Weil Ringo außerdem kaum jemandem einen Wunsch abschlagen kann, hat er sich einst von zwei kriminellen Junkies eine Tasche aufschwatzen lassen, und „Der Scheich“ setzt damit ein, dass die beiden ihren Besitz zurückhaben wollen. 100.000 Euro waren der Inhalt, und weil die Tasche nicht mehr da ist, soll nun Ringo zahlen. Und zwar prompt.
Tragischer Hochstapler
Carlas reiche Eltern wollen nicht helfen, und so ist die Devise erst einmal, den Kopf in den Sand zu stecken. Bis Ringo bei einem Ausflug nach Zürich zufällig in einen Empfang voller Banker und Wirtschaftsbosse gerät und aus einer Laune heraus behauptet, unehelicher Sohn des Königs von Katar zu sein. Immobilienmakler Urs Tsara (Philippe Graber), der ebenfalls seinem Schwiegervater etwas zu beweisen hat, wittert ein großes Geschäft – und weil Ringo sich daran erinnert, dass bei den Katarern große Geldgeschenke an potentielle Businesspartner üblich sind, hält er die Illusion ein wenig länger aufrecht.
Während sich also in der Schweiz eine kleine Flunkerei zu einer erstaunlichen Betrugsgeschichte steigert, in der es bald auch um echte Van Gogh-Gemälde und die Befindlichkeiten der Schweizer Politelite geht, überschlagen sich im Schwarzwald die Ereignisse. Denn die beiden Junkies liegen bald (halb-)tot im Moor, die Polizei ermittelt und zwischen Grundstücksspekulationen und allerlei Familienstreitigkeiten ist es bei genauem Hinsehen mit der Provinzidylle ohnehin nicht weit her.
Levy, als gebürtiger Baseler und Wahl-Berliner, selbst Grenzgänger, hat spürbar Spaß daran, mit seinem Protagonisten immer wieder zwischen diesen beiden sehr gegensätzlichen, sich aber in vieler Hinsicht spiegelnden Welten zu pendeln. Und wie man es aus den meisten seiner Filme gewohnt ist, interessiert ihn natürlich auch an diesem Stoff über einen Mann, der nicht aus Gier zum Hochstapler wird, sondern weil er nicht Nein sagen kann, weniger die ihm innewohnende Tragik oder der Thriller-Aspekt als vor allem der Humor.
Subtilität ist dabei abermals nicht seine Sache. Levy, der in Sachen Regie von Johannes Naber unterstützt wird, überzeichnet und trägt dick auf, auch was die mitschwingende Kapitalismuskritik angeht. Mitunter treibt die Albernheit mit schrägen Musik-Einlagen und anderen Phantasie-Sequenzen arg überdrehte Blüten, worüber einige der Darsteller*innen ins Trudeln geraten. Doch der unter anderem aus den Münster-Tatorten bekannte Meyer und vor allem Schmidt-Schaller retten mit ihrem Spiel souverän vor manchem Abgrund, auch Carol Schuler als Ermittlerin ist einmal mehr eine Bank. Und als letztlich ziemlich warmherzige Groteske hebt sich „Der Scheich“ wohltuend ab von einigen vergleichbaren Serien der letzten Monate, die eher bierernst und cool oder anstrengend selbstverliebt daherkamen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist