Senat zu Deutsche Wohnen & Co enteignen: Ablehnende Neutralität
Über eine Stellungnahme des Senats zum Volksentscheid DW enteignen gibt es Streit. Die Initiative kritisiert die mögliche Einigung von SPD und Linken.
Anders als bei bisherigen Volksentscheiden, etwa zur Offenhaltung Tegels, wird der Senat nicht für ein Ja oder Nein werben, sondern – bei einer Einigung – eine allgemeine Einschätzung abgeben. Und anders als bei jedem Volksentscheid bislang wird eine Stellungnahme der Mehrheit des Abgeordnetenhauses gänzlich fehlen. Eine dafür notwendige Sondersitzung wird wohl nicht mehr zustande kommen. Die ursprüngliche Frist für die Einreichung der maximal 5.000 Zeichen langen Texte – auch die Initiative hat einen geschrieben – endete schon vor einer Woche. Ab 15. August werden die Wahlunterlagen verschickt, bis dahin müssen Millionen Broschüren gedruckt werden.
Auf der Tagesordnung für Dienstag hat der Senat eine Debatte anberaumt, wie die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf Anfrage der taz bestätigte – ohne zum Inhalt Stellung zu nehmen. Dem Vernehmen nach gibt es noch Streitpunkte zwischen Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke), Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und der Senatskanzlei von Michael Müller (SPD).
Eine Vorlage für einen Text kursiert aber bereits. Darin heißt es zur angestrebten Überführung von 226.000 Wohnungen aus Privateigentum in öffentliches Eigentum: „Dies kann nur durch ein politisch und juristisch umstrittenes Vergesellschaftungsgesetz erreicht werden, hätte weitreichende Bedeutung und wäre juristisches Neuland.“ Im weiteren Verlauf wird auf die amtliche Kostenschätzung des Senats für die Entschädigungssumme eingegangen. Demnach geht der Senat von kreditfinanzierten Entschädigungskosten von „mindestens 29 Milliarden Euro“ aus, die das Land mit „etwa 6 Milliarden Euro bezuschussen müsste“.
Streit um die Finanzierung
In der Linken dürfte der Text für Unmut sorgen, befeuert er doch das zentrale Argument der Gegner*innen, die Vergesellschaftung sei zu teuer und würde den Haushalt belasten. Das Finanzierungsmodell der Initiative sieht dagegen vor, die Kredite vollständig aus den Mieteinnahmen zu refinanzieren. Die ursprüngliche Kostenschätzung des Senats hält die Initiative für viel zu hoch und überdies für veraltet.
„Das Prinzip Einnahmen finanzieren Kaufpreis hat Berlin zuletzt mehrfach angewendet oder angekündigt, zuletzt bei der Rekommunalisierung des Stromnetzes und auch beim Ankauf der 20.000 Wohnungen im Zuge der Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia“, sagt DW-enteignen-Sprecher Ralf Hoffrogge. Kollatz selbst hatte diese Modelle für gangbar gehalten. „Wenn nun etwas anderes behauptet wird, sind das interessengeleitete Rechnungen“, sagt Hoffrogge. Von Scheel forderte er, dass die „Finanzierung zum Ertragswert endlich auch im Falle der Vergesellschaftung ernsthaft durchgesetzt wird, statt veraltete Zahlen in die Wahlbroschüre zu schreiben“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“