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Selenskyjs FriedensplanGegen die Hoffnung

Anastasia Magasowa
Kommentar von Anastasia Magasowa

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat einen sogenannten Friedensplan vorgelegt. Es ist ein Plan für eine ideale Welt – und weniger für die reale.

Präsident Selenskyj bei einer Pressekonferenz im Oktober 2024 Foto: Guglielmo Mangiapane/reuters

D er ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will, dass die Ukrai­ne der Nato beitritt, eine überzeugende Mehrheit des ukrainischen Volks will das auch. Die Ukrainer sehen darin eine reale Chance, Putin daran zu hindern, die Ukraine zu vernichten. Der russische Autokrat hat keine Angst vor Sanktionen und ist an Diplomatie überhaupt nicht interessiert. Putin kann nicht durch die Sprache der Diplomatie gestoppt werden, sondern einzig durch die Sprache der Stärke. Die Entschlossenheit der westlichen Partner der Ukraine könnten Putin ein deutliches Signal senden, dass eine geeinte demokratische Welt stärker ist als dessen Raketen. Allerdings gibt es immer weniger Vertrauen in die westliche Welt. Deshalb wirkt Selenskyjs Plan eher wie ein Versuch, contra spem spero – ohne Hoffnung zu hoffen.

Von Politikern und Militärs bis hin zu Aktivisten, Priestern, Menschenrechtlern fordern alle in der Ukraine das Recht, militärische Einrichtungen auf russischem Territorium anzugreifen. Obwohl dies unter dem Kriegsrecht ein sehr logischer Punkt ist, der auch in Selenskyjs Plan enthalten ist, hat die Ukrai­ne seit vielen Monaten keine Erlaubnis, dies zu tun.

In einer idealen Welt könnte der Plan des ukrainischen Präsidenten funktionieren, aber in der realen Welt ist es unwahrscheinlich. Weil der Westen noch nicht begriffen hat, welche Katastrophe der demokratischen Welt droht, wenn er Putin den Krieg gewinnen lässt. Auf der Strecke zwischen „den Aggressor beschwichtigen“ und „zum Frieden zwingen“ stehen die Ukrainer, die jeden Tag ihr Leben geben, um anderen Ländern Zeit zu geben, die Bedrohung zu erkennen.

Das Problem ist auch, dass die europäischen Staatschefs vor Jahrzehnten die Bedrohung durch Putins Regime zu naiv eingeschätzt haben. Es führt einen Erschöpfungskrieg nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegen den Willen der Demokratien, ihre Werte zu verteidigen. Der Wille der Ukrainer, in diesem Krieg zu kämpfen, wird erst enden, wenn sie physisch verschwunden sind. Dann wird es auch für die Demokratien zu spät sein.

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Anastasia Magasowa
Anastasia Rodi (Magazova) ist 1989 auf der Krim (Ukraine) geboren. Studium der ukrainischen Philologie sowie Journalismus in Simferopol (Ukraine). Seit 2013 freie Autorin für die taz. Von 2015 bis 2018 war sie Korrespondentin der Deutschen Welle (DW). Absolventin des Ostkurses 2014 und des Ostkurses plus 2018 des ifp in München. Als Marion-Gräfin-Dönhoff-Stipendiatin 2016 Praktikum beim Flensburger Tageblatt. Stipendiatin des Europäischen Journalisten-Fellowships der FU Berlin (2019-2020) in Berlin. 2023 schloss sie ihr Studium am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin ab. Sie hat einen Master of Arts (Politikwissenschaft). Als Journalistin interessiert sie sich besonders für die Politik in Osteuropa sowie die deutsch-ukrainischen Beziehungen. Von den ersten Tagen der Annexion der Krim bis heute hat sie mehrere hundert Reportagen über den Krieg Russlands gegen die Ukraine geschrieben.
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