Werben für Hilfe in USA: Selenskyj sucht die Entscheidung
In den USA wirbt der ukrainische Präsident für einen „Siegesplan“, der Putin zu Verhandlungen zwingen soll. Die Zeit läuft Selenskyj davon.
„Wir haben nicht viel Zeit“, sagte Selenskyj kurz nach seiner Ankunft am Montag in Washington in einer Rede vor der „American Academy of Achievement“. „Die nächsten paar Monate werden entscheidend sein […] Wir haben nicht viel Zeit, um das Ergebnis zu definieren. Und wir müssen es definieren, nicht Russland und seine blutigen Verbündeten. Wir müssen schneller sein. Wir dürfen in den nächsten paar Kriegsmonaten keine Niederlage erleiden, damit wir in den nächsten Jahrzehnten keine Niederlage erleiden.“
Selenskyj will bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden einen „Siegesplan“ präsentieren, der eine Strategie beinhaltet, den Krieg zu den Bedingungen der Ukraine zu beenden. „Der Siegesplan ist ein Plan, der die Ukraine schnell stärker macht – eine stärkere Ukraine wird Putin an den Verhandlungstisch zwingen“, sagte der ukrainische Präsident in einem in Kyjiw geführten Interview mit dem New Yorker vor seiner Abreise. Es gehe um „spezifische Schritte, um die Ukraine in den Monaten Oktober, November und Dezember zu stärken und ein diplomatisches Ende des Krieges möglich zu machen“.
Ukrainische Sieges – und Friedenspläne
Einem Bericht der britischen Times zufolge beinhaltet der Plan vier Punkte: westliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die denen einer Nato-Mitgliedschaft gleichkommen; Fortführung der ukrainischen Offensive auf russischem Staatsgebiet, um bei Verhandlungen etwas auf den Tisch legen zu können; bestimmte moderne Waffensysteme; mehr internationale Finanzhilfen. Der ukrainische Kyiv Independent ergänzt, es gehe auch um verschärfte Sanktionen gegen Russland und die Erlaubnis, mit westlichen Waffensystemen militärische Ziele in Russland sowie Einrichtungen der russischen Öl- und Gasindustrie anzugreifen. Das sei nötig, um Russlands Vorteile bei Manpower und Staatseinnahmen auszugleichen.
Dieser „Siegesplan“ wird als Ergänzung zum bestehenden „Friedensplan“ der Ukraine dargestellt, der bereits auf mehreren internationalen „Friedensgipfeln“, zuletzt im Juni in der Schweiz, vorgestellt wurde. Dieser definiert Frieden in der Ukraine als vollständigen Rückzug Russlands aus ukrainischem Gebiet, einschließlich der Krim, sowie Reparationen durch Russland und Strafverfolgung der Kriegsverantwortlichen. Der „Siegesplan“ soll nun eine militärische Strategie aufzeichnen, die Russland zwingt, sich darauf einzulassen. „Sieg bedeutet Gerechtigkeit“, unterstrich Selenskyj in seinem Interview.
Um zu zeigen, dass die Ukraine zu verstärktem Druck auf Russland fähig ist, führen die ukrainischen Streitkräfte derzeit die stärksten Drohnenangriffe auf russische Militärbasen seit Kriegsbeginn durch. Der erste Angriff in Toropets im westrussischen Bezirk Twer am 18. September war so heftig, dass norwegische Seismologen ihn als Erdbeben registrierten; nach US-Berichten explodierten dabei 30.000 Tonnen Munition, was zwei bis drei Monaten des russischen Kriegsbedarfs entspricht. Drei Tage später wurde ein weiteres Munitionslager in Toropets getroffen, ebenso eines in Tichorezk im südrussischen Bezirk Krasnodar, wo nordkoreanische Waffenlieferungen an Russland lagern. Alle Angriffe wurden mit ukrainischen Waffensystemen durchgeführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett