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Selbstmord in Notre-DameRechter Publizist erschießt sich

Er warnte vor der Homo-Ehe und der Islamisierung Frankreichs. Nun hat sich der rechtsnationale Publizist Dominique Venner in Notre-Dame umgebracht.

Nicht nur Touristenziel: Notre-Dame. Bild: dpa

PARIS afp | Vor den Augen zahlreicher Besucher hat sich in der Pariser Kathedrale Notre-Dame ein bekannter rechtsnationaler Publizist aus Frankreich das Leben genommen. Der 78 Jahre alte Dominique Venner erschoss sich nach Polizeiangaben am Dienstagnachmittag vor dem Altar der Kathedrale mit einer Pistole. Die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, sprach Venner über den Kurznachrichtendienst //twitter.com/MLP_officiel:Twitter ihren „Respekt“ aus.

Laut Polizei feuerte Venner, der zuvor im Internet die kürzlich eingeführte Homo-Ehe kritisiert und vor einer Islamisierung Frankreichs gewarnt hatte, aus einer Pistole kurz nach 16.00 Uhr einen Schuss auf sich ab. Nach Angaben eines Verantwortlichen der Kathedrale, Patrick Jacquin, legte er zuvor noch einen Brief auf dem Altar ab, vor dem er sich das Leben nahm. Jacquin sagte, dies sei seines Wissens der erste Selbstmord in der weltberühmten Kathedrale.

Die Kathedrale wurde nach dem Selbstmord Venners rasch evakuiert und abgesperrt. Wieviele Menschen sich zum Zeitpunkt des Selbstmordes in dem Kirchengebäude aufhielten, war zunächst unklar. Notre-Dame ist eines der bekannteste Monumente der französischen Hauptstadt, jährlich besuchen fast 14 Millionen Touristen und Gläubige die Kathedrale, deren 850-jähriges Jubiläum dieses Jahr gefeiert wird. Ein US-Tourist sagte der Nachrichtenagentur afp, die Kathedrale sei zum Zeitpunkt des Selbstmordes voll gewesen. Panik sei nicht ausgebrochen, als das Kirchengebäude geräumt worden sei.

Venner hatte noch am Dienstag in seinem Blog die am Samstag offiziell in Frankreich eingeführte Homo-Ehe als „verwerflich“ und „abscheulich“ kritisiert. Die Gegner der Homo-Ehe dürften sich bei ihren Protesten aber nicht auf die umstrittene Reform beschränken; die wahre „Gefahr“ sei eine Islamisierung Frankreichs infolge der Einwanderung aus Nordafrika. Im Kampf dagegen seien „neue, spektakuläre und symbolische Gesten“ notwendig. „Wir kommen in eine Zeit, in der die Worte durch Taten beglaubigt werden müssen.“

Kolonialfreund und Waffenkundler

Venner genoss in Frankreich in rechtsextremen Kreisen großes Ansehen. Er war früher in der Geheimorganisation OAS aktiv, die Algerien als französische Kolonie beibehalten wollte. Er ist Autor von Schriften über Geschichte und Waffenkunde. FN-Chefin Le Pen erklärte über Twitter, Venners Selbstmord sei „höchst politisch“. Er habe „versucht, das französische Volk aufzuwecken“.

Vor wenigen Tagen hatte der Selbstmord eines Mannes in einer Pariser Grundschule für Entsetzen gesorgt. Der Mann richtete vergangenen Donnerstag in der Eingangshalle der Schule im vornehmen siebten Bezirk vor rund zehn Schülern und mehreren Erwachsenen ein Gewehr mit abgesägtem Lauf gegen sich und drückte ab.

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16 Kommentare

 / 
  • AM
    Andre Müller

    Ich verstehe nicht wie Angst vor Islamisierung und Angst vor gleichgeschlechtlicher Ehe Hand in Hand gehen können.

     

    Wenn ich als aufgeklärter Mitteleuropäer mit christlich-jüdischen Wurzeln die Angst vor anderen monotheistischen Religionen teile, aber gleichzeitig das Heiraten aller Menschen unterstützte, wen kann ich dann wählen, wer unterstützt mein Anliegen?

  • T
    Thomas

    Hm, also „einfach, eindimensional und demagogisch“ scheinen mir dann doch eher die Sarrazins und anderen Schlechtmenschen – Leute, die mit rassistischen Argumenten scheinheilig Nazis und christliche Fundamentalist_innen verteidigen, weil ihnen ja angeblich so sehr an Frauenrechten, Gleichberechtigung, Demokratie etc. gelegen ist ...

  • FA
    Front antinational

    @ tommy

     

    Nicht der „Wahnsinn Homoehe“ hat ein Todesopfer gefordert – sondern wahrscheinlich war Vetter wenigstens klug genug, um zu erkennen, dass seine politische Vision einer völkisch-nationalistischen, „arisch-rassereinen“ Welt keine Chance auf eine zukünftige Realisierung mehr hatte. Und das hat er nicht verkraftet.

  • FA
    Front antinational

    @ Steffen

     

    Auch religiöse Fundamentalisten und Fundamentalistinnen verteten eine wahnhafte nd für andere Menschen gefährliche Weltsicht, keine Frage. Wo Sie allerdings „tägliche“ Selbstmordattentate von islamistischen Fundis beobachten können, ist mir rätselhaft – das scheint mir dann doch eher auf von Verfolgungswahn geschwängerte Ängste als auf tatsächliche Fakten hinzudeuten.

  • FA
    Front antinational

    @ Heul doch

     

    Ach Göttchen, ja, die „tragische Symbolik“, wie AH sich und seine Geliebte im Angesicht des Untergangs der „germanischen Rasse“ erschoss. Und die „tragische Symbolik“, wie der „Friedensflieger“ und AH-Stellvertreter Rudolf Hess nach England flog, um anschließend als Kriegsverbrecher vor dem Nürnberger Tribunal - „Ich bereue nichts.“ - zu lebenslanger Haft verurteilt zu werden, die er mit seiner Selbsttötung beendete ...

     

    Nein, ehrlich gesagt erschliesst sich mir die suizidale „Tragik“ solcher Menschen, die ein Opfer ihrer eigenen wahnhaften Weltsicht werden, nicht. Zudem haben sie selbst zu viel Leid über andere Menschen gebracht, als dass sie von mir Mitleid für ihren selbstgewählten Tod erwarten könnten.

  • WS
    weiter so!

    Offenbar haben in den meisten Kommentarspalten der taz-Artikel die rechten Identitätsorientiereung längst die absolute Mehrheit gewonnen.

    Es sind auch vor allem Rechtsradikale, die den Staatsterrorismus des Assad-Clans in Syrien verteidigen.

    Na dann nichts wie Voran mit schwarz-grün!

  • H
    Hans

    Bedauern, Bedauern, dass dieser Mensch solch etwas vollbringen musste, für ihn, für traumatisierte Zeugen und für Frankreich, dass ein simpler Akt von gesetzlicher Gleichberechtigung und Abschaffung von Diskriminierung solch ein Zerwürfnis im Land erzeugt.

     

    @tommy:

    Oh krass, wie verstrahlt sind sie denn.

    "Die Homoehe hat ihr erstes Todesopfer gefordert - wie viele müssen noch sterben, bis der Wahnsinn der "Ehe für alle" rückgängig gemacht wird?"

    Das wäre so, als würde man sagen, die Sozialdemokraten hätten Schuld an Breiviks Amoklauf.

     

    @Egolf:

    Nein, das sind nicht alles Nazis, es sind überwiegend ignorante Rechtskonservative, die nicht wollen, dass andere Menschen die selben Rechte wie sie haben.

     

    Der Vergleich zwischen dem Franzosen und den Tibetern ist doch sehr an den Haaren herbei gezogen. Die Tibeter sind eine Ethnie, die in ihrem ehem. eigenen Land unterdrückt wird, ihre Religion nicht ausleben können. Venner war einfach nur ein irrer Fundi, der ein Statement für seine Ideologie setzen wollte. Ähnlich wie Breivik, bloß dankenswerter Weise ohne die vielen Toten.

  • T
    tommy

    @Montherlant

     

    Meines Wissens nach ist aber eher zweifelhaft, dass Venner ein gläubiger Katholik war; er war wohl eher so eine Art rechter Neoheide. Wenn ich so drüber nachdenke: Ich habe zwar gewisse Sympathien für seine Anliegen, aber irgendwie war das doch eine ziemlich abwegige Aktion. Und dann auch noch in Notre-Dame. Das musste nun ja wirklich nicht sein.

  • T
    tommy

    Die Homoehe hat ihr erstes Todesopfer gefordert - wie viele müssen noch sterben, bis der Wahnsinn der "Ehe für alle" rückgängig gemacht wird?

  • E
    Egolf

    Das will der TAZ-Leserschaft nicht in den Kopf: Hunderttausende gehen in Frankreich gegen die HOMO-Ehe auf die Straße. Alles Nazis?

     

    Massivste Probleme mit großen Teilen der muslimischen Bevölkerung die massenhaft eingebürgert, in den Vor-Orten Ghettos bilden und täglich Autos anzünden, Parallelgesellschaften aufbauen, NO-GO-Areas für Polizisten schaffen, nach Schariarecht urteilen und sich jeglicher Integration verweigern. Sind Kritiker dieser Zustände alles Nazis?

     

    Nein! Aber so einfach, eindimensional und demagogisch ticken anscheinend die hiesigen Gutmenschen.

     

    Was Venners Selbstmord betrifft so kann man zu recht die Art und Weise kritisieren unbeteiligte Personen derart zu "belästigen".

     

    Diesen Vorwurf muss man aber auch tibetanischen Möchen machen die sich aus Protest gegen die Chinesische Besatzung mit Benzin übergießen und anzünden. Oder ist DAS ein legitimer politische Ausdruck????

  • S
    steffen

    von Front antinational:

    Und diese Variante ist mir persönlich dann doch deutlich lieber...

     

    Da haben sie natürlich Recht. Besser als die täglichen Selbstmordattentate von Muslimen allemal.

  • M
    Montherlant

    Nochmal zur Symbolik: Dominique Venner hat bewußt Notre Dame in Paris gewählt, einen der ältesten bekannten christlichen Gebetsorte in Frankreich, der darüber hinaus auf noch viel älteren Kultstätten errichtet wurde. Das ist durchaus auf eine über 2000jährige europäische Kontinuität und Identität zu werten, der sich Venner zeitlebens verbunden fühlte und die er durch die Entwicklungen der Moderne bedroht sah.

     

    Man muß das, wie gesagt alles nicht gut finden, aber man sollte eben die Fakten zur Kenntnis nehmen, um die Dimension und Gründe annähernd erfassen zu können.

  • M
    Montherlant

    Unabhängig davon, was jeder persönlich von der Tat hält, sind hier wenigstens einige in der Lage zu begreifen, welch tragische Symbolik aus dieser Tat spricht? Venner hat das größte Opfer gebracht, das für einen gläubigen Katholiken möglich ist: Er hat seine eigene Seele geopfert (Suizid ist Todsünde), um auf die katastrophale Situation in seinem Heimatland hinzuweisen. Dazu gehört schon ein gewaltiges Stück Verzweiflung und Kommentare wie "Endlich einer von der Sorte weniger" verbieten sich daher von selbst.

     

    Man muß die Tat nicht gutheißen, muß auch nicht mit den politischen Ideen von Venner übereinstimmen, mag diese sogar bekämpfen, aber man sollte dennoch versuchen, die Dimension und Hintergründe der Tat zu verstehen.

  • FA
    Front antinational

    Selbsttötung mit Pistolen hat in diesen Kreisen ja Trrrradition – eine Tradition, die offenbar gepflegt werden will.

     

    Und diese Variante ist mir persönlich dann doch deutlich lieber als der Weg, den ein A- Breivik gegangen ist. Dennoch frage ich mich: Warum kann man sowas nicht einfach diskret für sich behalten und muss sein Blut in aller Öffentlichkeit rumspritzen? Reicht es nicht, wenn man zuvor schon überall seine braunen Häufchen in allen möglichen Ecken abgesondert hat?

  • W
    wernero

    Das ist dann so eine werte-orientierte, die Normen der Gesellschaft hochhaltende, für das traditionelle Frankreich einstehende Sache: Sich vor Hunderten von Leuten - sicher auch vor Kindern - in einer KIRCHE den Schädel wegzublasen. Das zeigt ganz klar, dass dieser Mann sehr, sehr vernünftig war, demzufolge waren auch seine Argumente sehr, sehr vernünftig. Oder?

  • JJ
    Jared J. Myers

    Da hat er Jean Améry die Ehre gegeben, mit dem er ideengeschichtlich nicht viel gemein hatte (obendrein war Ersterer Österreicher und Jude).

     

    Es ist zu begrüßen, dass sein Ableben ihn nicht zum "Märtyrer" a' la Theo Van Gogh oder Pim Fortuyn macht. Vielleicht hat er damit der Liebe zwischen den Menschen noch einen Dienst erwiesen.