Selbstbestimmungsgesetz beschlossen: Neue Regeln zum Geschlechtereintrag
Justiz- und Familienministerium rangen um den Entwurf. Künftig sollen Geschlechtseintrag sowie Vornamen beim Standesamt geändert werden können.
Kinder und Jugendliche sollen mit dem Einverständnis ihrer Sorgeberechtigten Vornamen sowie Geschlechtseintrag ändern können. Sind die Jugendlichen über 14 Jahre alt und ihre Sorgeberechtigten stimmen nicht zu, kann ein Familiengericht diese Zustimmung ersetzen. Bundesjustiz- wie Bundesfamilienministerium hatten lange um einen Kompromiss gerungen, zuletzt gab es Änderungen vom Bundesinnenministerium.
Es soll das in Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz von 1980 ablösen, das in dem Glauben eingeführt wurde, dass trans Menschen „krank“ seien: Deshalb sind trans, inter und nichtbinäre Menschen zurzeit mit Gerichtsverfahren wie psychologischer Begutachtung konfrontiert, in denen sie teils demütigende Fragen zur Intimsphäre beantworten müssen, was mit dem künftigen Gesetz nicht mehr der Fall sein wird.
Ministerin Paus: Schluss mit Diskriminierung
Die Verabschiedung des Entwurfs sei „ein großer Moment“ für trans- und intergeschlechtliche Menschen in Deutschland, teilte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) mit. „Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Achtung der geschlechtlichen Identität. Trotzdem wurden die Betroffenen mehr als 40 Jahre lang durch das Transsexuellengesetz diskriminiert. Damit ist jetzt endlich Schluss.“
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte, das Selbstbestimmungsgesetz sei Ausdruck einer Politik, für die die Grundrechte an erster Stelle stehen. „Alle Menschen haben ein Recht darauf, dass der Staat ihre geschlechtliche Identität achtet. Und um dieses Menschenrecht geht es uns.“
„Tatsächlich hat die Bundesregierung den ohnehin miesen Erstentwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz nun noch weiter verschlechtert“, urteilen Maja Tegeler, Daniel Bache und Frank Laubenburg von der Linkspartei in einem gemeinsamen Statement. „Das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) machte offenbar dahingehend Druck, dass das Offenbarungsverbot gegenüber Verfassungsschutz, BKA, Bundespolizei und BAMF keine Gültigkeit mehr haben soll. Diese Praxis erinnert an 'Rosa Listen’.“
Kritik an „Missbrauchsmöglichkeiten“
Der derzeitige Entwurf sieht vor, dass die Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag weitergeleitet werden an verschiedene Behörden – unter anderem der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das Bundesinnenministerium hatte diese Veränderung veranlasst.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf wurde bereits im Mai veröffentlicht, woraufhin trans- wie Frauen-Verbände und Jurist_innen im Mai schon Kritik geübt hatten. So kritisierte etwa der Deutsche Juristinnenbund (djb) die „Drohszenarien und Missbrauchsmöglichkeiten“, die vertieft im Entwurf erörtert würden und „nicht auf empirischen Anhaltspunkten beruhen“. So stellt der der Juristinnenbund klar, dass der „Sinn und Zweck … eigentlich die Verbesserung der rechtlichen Situation einer Personengruppe ist, die von geschlechtsbezogener Diskriminierung betroffen ist“.
In der Rangliste der Nichtregierungsorganisation ILGA-Europe, die die Gleichstellung von queeren Menschen beobachtet, belegt Deutschland im Moment den 15. Platz. Durch die Einführung eines Selbstbestimmungsgesetz könnte sich das ändern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben