Segnungsverbot für homosexuelle Paare: Homoliebe zählt im Vatikan nicht
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen in der katholischen Kirche nicht gesegnet werden. Viele Betroffene wenden sich deshalb nun von der Kirche ab.
Und so war auch die Suche nach einem Priester für eine Segnung nicht normal. Sie können zwar als schwules Paar händchenhaltend in verschiedene Kirchen in Arnsberg gehen, ohne dass jemand etwas Abfälliges sagt oder böse guckt. Und ja, den Segen hätten sie auch bekommen – aber nur im Geheimen. Kein Glockengeläut, keine Ankündigungen in der Messe und keine Gäste außer den Trauzeugen. Das waren die Bedingungen, die der Pfarrer in ihrer Heimatgemeinde gestellt hatte.
„Das kam für uns überhaupt nicht in Frage. Wir wollten vor einer Gemeinde Zeugnis über unsere Liebe ablegen, so wie es viele tun“, sagt Heppelmann. Die Suche ging weiter, aber im Nachbarort bekamen sie die gleiche Absage. „Als wäre das untereinander abgesprochen“, vermutet Heppelmann. Auch drei Jahre später werden seine Gesichtszüge immer noch hart, wenn er davon erzählt.
Das Paar suchte eine andere Lösung. Am 22. September 2018 ging ihr Traum dann doch in Erfüllung. Am Morgen haben sie eine private Andacht abgehalten – in einer katholischen Kirche ohne Geistlichen. „Mein Vater hat unsere Ringe und alle, die sie tragen, gesegnet. Das ist ein kleiner Umweg. Wir wollten ihn nicht in eine moralische Zwickmühle bringen und ihn bitten, uns direkt zu segnen. Aber er ist über 90 Jahre alt und schon immer in der Kirche aktiv. Wenn er uns nicht seinen Segen geben kann, wer dann?“, sagt Wunsch und muss dabei lachen.
Die Hürden werden größer statt kleiner
Nach der Andacht heiraten sie standesamtlich und bekommen dann ihre gewünschte Segnungsfeier in einer evangelischen Gemeinde von einem befreundeten Pfarrer. „Es war einfach ein perfekter Tag“, sagt Heppelmann und legt dabei seine Hand auf den Arm seines Mannes. Beide lächeln.
Ihr Beispiel zeigt: Schon immer gibt es große Hürden für gleichgeschlechtliche Paare in der katholischen Kirche. Ende März werden sie noch größer. Die Glaubenskongregation des Vatikans sagt in einem sogenannten Responsum in aller Deutlichkeit: Nein, gleichgeschlechtliche Paare dürften nicht gesegnet werden. Die Segnung eines Paares käme dem Sakrament der Ehe nahe und das dürfe keiner Beziehung gespendet werden, die nicht „auf den Plan des Schöpfers hingeordnet ist“, also Kinder hervorbringt.
Nach Ansicht des Bonner Theologieprofessors Karl-Heinz Menke ist dieses Nein vom Vatikan nur logisch: „Wo immer die Kirche öffentlich handelt, muss dieses Handeln ihrem Selbstverständnis entsprechen. Die Kirche darf und kann auch im Einzelfall nicht das Gegenteil von dem tun, was sie dogmatisch und kirchenrechtlich für verbindlich erklärt hat.“ Er hat in einem Gutachten für das Bistum Limburg schon im Januar festgehalten: „Die Kirche ist kein Service-Unternehmen, das sich nach irgendwelchen Bedürfnissen ausrichtet.“
Mit dieser Meinung steht er in der wissenschaftlichen Welt ziemlich alleine da. Über 200 Theologieprofessor:innen ziehen aus der katholischen Dogmatik andere Schlüsse und kritisieren in einem Statement die Glaubenskongregation für ihre Entscheidung. Aber die steht dennoch.
„Jetzt reicht es mir“
„Diese Entscheidung hat mich zutiefst enttäuscht“, sagt Heppelmann. Er zieht Konsequenzen und trat in der vergangenen Woche aus der Kirche aus. „Ich habe gedacht: Jetzt reicht es mir. In der Begründung vom Vatikan steht inhaltlich, man dürfe nicht die Sünde segnen. Wenn ich die Sünde bin, dann bin ich halt weg. Seid froh.“
Sein Mann ist schon in den 90er Jahren ausgetreten. „Ich glaube, in der Kirche läuft etwas schief. Ich wollte das System nicht mit Steuergeldern unterstützen und habe es lieber eigenständig gespendet“, erklärt Wunsch. Trotzdem sind beide in der Kirche aktiv. Wunsch bringt sich beispielsweise in der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche ein. „Ich bin Katholik, gläubig und möchte die Werte vertreten. Aber in der Kirche muss noch vieles passieren.“
Sie müssen Umwege und Verrenkungen in Kauf nehmen, um ihren Glauben zu leben. So ähnlich geht es vielen gleichgeschlechtlichen Paaren in Deutschland. Sie fühlen sich nicht wertgeschätzt in der katholischen Kirche.
Dabei scheinen die Diskussionen hier in Deutschland eigentlich zu ihren Gunsten zu verlaufen. Bischof Helmut Dieser vom Bistum Aachen leitet das Forum über Sexualität des „Synodalen Wegs“. Das ist ein Zusammenschluss von geistlichen und weltlichen Vertreter:innen, die im Moment neue Konzepte für eine Reform der katholischen Kirche erarbeiten.
Wo Woelki steht, ist klar
Gerade in diesem Prozess sei das Nein vom Vatikan nicht angebracht, so Bischof Dieser: „Die Stellungnahme hat für Irritation und Verärgerung gesorgt“, sagte er kurz danach. Er hoffe auf eine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre, damit Segensfeiern für homosexuelle Paare künftig nicht mehr in einer Grauzone stattfinden. Mehr als 2.600 Seelsorger:innen aus Deutschland unterstützen ihn und sammelten Unterschriften gegen das Nein, die sie an Dieser übergeben haben.
Die meisten seiner Amtskollegen sind auch auf seiner Seite. Aber eben nicht alle. Generalvikar Alfons Hardt vom Erzbistum Paderborn, zu dem auch die Gemeinde von Thomas Wunsch und Guido Heppelmann gehört, sagt: „Die Diskussion und das Ringen, gemeinsam und miteinander Wege zu finden, gehen weiter. Wir müssen weiter sprechen und bei komplexen Zusammenhängen weiter differenzieren.“
Rainer Maria Woelki, Kardinal im Erzbistum Köln, verteidigt die Entscheidung aus Rom ganz offensiv: „Ich sehe in diesem Responsum eine Stärkung des katholischen Ehe- und Familienverständnisses.“ Ob es Konsequenzen für Priester gibt, die trotzdem gleichgeschlechtliche Paare segnen, beantwortet der für die Abteilung Seelsorge im Erzbistum zuständige Pfarrer Mike Kolbe: „Es geht nicht um Sanktionen. Im Mittelpunkt stehen individuelle Gespräche im Nachgang der angesprochenen Handlung eines Priesters.“
Es gab auch vor dem Responsum schon diese „angesprochenen Handlungen eines Priesters“. Vorher haben Priester zwar auch schon gegen den Willen aus Rom gehandelt, aber in Zukunft missachten sie eine ganz klare Anweisung. Doch einige üben den pastoralen Ungehorsam. Kurz nach der Entscheidung aus Rom melden sich viele Priester in ganz Deutschland zu Wort, die öffentlich klarstellen, dass sie gleichgeschlechtliche Paare segnen würden. In vielen Gemeinden haben Seelsorger Regenbogenflaggen gehisst und damit ihre Solidarität mit der LGBTQI+-Community ausgedrückt.
Die erste Regenbogenflagge wird abgerissen
So wie Christoph Simonsen in Mönchengladbach. Die Flagge hängt in neun Meter Höhe direkt vor dem Kirchturm. „Ich mache das aus einem ehrlichen Herzen heraus, weil ich voll und ganz dahinterstehe und nicht verstehen kann, wie Menschen ausgeschlossen werden können. Aus meiner Sicht gibt es da keine Argumente für.“ Früher habe er häufig solche Paare gesegnet, in den vergangenen Jahren sei das aber stark zurückgegangen: „Die Menschen fühlen sich von der Kirche im Stich gelassen.“
Simonsen erntet für seine Einstellung auch Kritik. Die ersten beiden Regenbogenfahnen wurden von Fremden abgerissen und weggeworfen. „Die Kritik kommt aber nur von einem kleinen Teil der Katholiken, die sich für traditionsbewusst halten.“
Mit einigen Kolleg:innen aus ganz Deutschland organisiert er einen Aktionstag am 10. Mai, an dem bundesweit Segnungsfeiern abgehalten werden. Gleichgeschlechtliche Paare sollen so ermutigt werden, sich an die katholische Kirche zu wenden. Denn das passiert bisher nicht so oft. Die meisten Priester, die sich öffentlichkeitswirksam gemeldet haben, haben selbst noch nie eine solche Feier abgehalten, weil sich noch niemand bei ihnen gemeldet hat. Und auch Simonsen hat für den Tag noch keine festen Anmeldungen.
Guido Heppelmann und Thomas Wunsch sind sich noch unsicher, ob sie an diesem Aktionstag gesegnet werden wollen. „Ich denke noch einmal drüber nach, wenn die Kirche als Ganzes hinter meiner Beziehung steht. Denn im Moment können Autos und Häuser mit Rückendeckung aus Rom gesegnet werden, aber meine Liebe zu meinem Mann nicht. Das muss sich erst ändern“, sagt Heppelmann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern