Seeschifffahrt ohne CO2-Emissionen: Freie Fahrt für klimaneutrale Pötte
175 Staaten einigen sich auf eine Schifffahrt ohne Netto-Treibhausgasemissionen bis „gegen“ 2050. Bisher war das Ende des Jahrhunderts angepeilt.
Hamburg taz | Ohne Schifffahrt gäbe es keine Globalisierung. Bezogen auf ihre Transportleistung ist die Welthandelsflotte zwar weit sauberer als Lkw, Flugzeug oder Bahn. Aber die dicken Pötte, die bis zu 20.000 Container befördern, werden zum großen Teil mit dreckigen Rückstandsölen betrieben. Sie enthalten deutlich mehr CO², Schwefel und zum Beispiel Schwermetalle als Kraftstoffe, die an Land eingesetzt werden. 3 Prozent der globalen CO2-Emissionen verursachen Schiffe. Die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) in London will deshalb seit Jahren die Seefahrt sauberer machen. Doch lange blockierten vor allem die wirtschaftlich schwächeren ihrer 175 Mitgliedstaaten.
Doch nun gelang dem federführenden Meeresumweltausschusses der IMO bei seiner 80. Sitzung am Freitag ein großer Fortschritt. Die Treibhausgasemissionen der internationalen Seeschifffahrt sollen danach bis „gegen“ 2050 die Netto-Klimaneutralität erreichen – statt wie bisher angekündigt erst Ende des Jahrhunderts. Um Entwicklungs- und Schwellenländer bei dieser Entscheidung mitzunehmen, wurden ihnen beim Zeitpunkt „kleinere Abweichungen“ ermöglicht.
Auch über wichtige Zwischenziele konnte eine Einigung erreicht werden. Bis 2030 sollen danach die gesamten jährlichen Treibhausgasemissionen um mindestens 20 Prozent im Vergleich zu 2008 gesenkt werden, angestrebt werden 30 Prozent. In zwei Jahren soll dazu einen konkretes Maßnahmenpaket zu Technik und Normen verabschiedet werden, das 16 Monate später in Kraft treten soll.
Damit hätten Reeder, Werften und Schiffbauindustrie den von ihnen geforderten verbindlichen globalen Rahmen, ein sogenanntes Level-Playing-Field, für ihre künftigen Investitionen. Folglich kommt auch aus der Wirtschaft breite Zustimmung. So begrüßte der Verband Deutscher Reeder (VDR) in Hamburg den IMO-Beschluss. „Es ist nicht einfach, so viele verschiedene Länder und Regionen und ihre unterschiedlichen Interessen zu einem Ergebnis zusammenzuführen“, sagte VDR-Hauptgeschäftsführer Martin Kröger. „Die IMO-Staaten haben das Unmögliche möglich gemacht.“
Grüner Koordinator Janecek begrüßt Einigung
Der neue Maritime Koordinator der Bundesregierung, Dieter Janecek (Grüne), begrüßte die Einigung ebenfalls: „Mit der neuen Strategie ist eine globale Einigung gelungen, die dem Netto-Null-Ziel bis 2050 näher rückt.“ Zusammen mit den Zwischenzielen für 2030 und 2040 habe man nun einen „klaren Reduktionsplan“. In der Umsetzung müsse man sicherstellen, dass das langfristige Temperaturziel des Abkommens von Paris erreicht wird.
Lob kommt auch vom Verkehrsexperten des Naturschutzbundes NABU: „Endlich gibt es ein klar vereinbartes Ziel zur vollständigen Dekarbonisierung“, sagte Sönke Diesener zur taz. Allerdings gingen die Zwischenziele nicht weit genug. Damit werde der Pariser 1,5-Grad-Zielpfad verfehlt. „Zumindest“, so Diesener, „sind die Ziele nun endlich im Rahmen dessen, was nötig ist, um unter der 2 Grad Marke zu bleiben.“
Die IMO habe viel Zeit verloren. Nun müsse die Transformation umso schneller gehen. „Dafür fehlen noch die nötigen Instrumente, wie etwa ein internationaler CO²-Preis.“ Dieser müsse nun schnell umgesetzt werden.
Zusammen mit den Treibhausgasen werden auch andere Schadstoffe wie Schwermetalle reduziert, die in Küstenregionen für hohe Schadstoffkonzentrationen sorgen. Technisch halten die deutschen Schiffbauer und Werften im VSM und dem Maschinebauverband VDMA die IMO-Ziele für erreichbar – zum Beispiel durch die Nutzung von CO2-neutralem synthetischen Gas.
Leser*innenkommentare
sociajizzm
Abwarten.
In 2 Jahren ist 2025/26
16 Monate später ist Anfang 2027.
In 3 bis 4 Jahren soll also der CO2 Ausstoß um 20% besser 30% sinken.
Synthetische Kraftstoffe mögen ja rein technisch eine Lösung sein. Ob in der Praxis genug für Schiffe, Flugzeuge und Autos produziert werden kann, steht auf einem anderen Blatt.
Herma Huhn
@sociajizzm Schon die regelmäßige Reinigung der Rumpfunterseite kann den Verbrauch der Schiffe um 20 % senken, bzw. einen zur Zeit noch oft hingenommenen Mehrverbrauch verhindern.
Ich vermute diesen Effekt haben die entscheider bedacht, als sie sich auf die 20 % eingelassen haben.