Seehofers Pläne sind mager: KOMMENTAR von HEIKE HOLDINGHAUSEN
Der „nationale Aktionsplan“ für gesunde Ernährung und Bewegung von Verbraucherminister Horst Seehofer kommt gewichtig daher. Am Gewicht der dicken Deutschen, die beim Bauchspeck die europäische Rangliste anführen, wird er nichts ändern. Der magere Plan des CSU-Ministers setzt nur auf Information und die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen.
Wer als Kind dick wird, bleibt es meist ein Leben lang. Die Fettzellen erinnern sich für immer an diesen Start. Dem Verbraucherminister muss also vor allem daran gelegen sein, Kinder vor Cola, Limo und Cheeseburgern zu schützen. Mit reiner Information kommt er da allerdings nicht weit: Vierjährige sind keine mündigen Verbraucher. Und auch für ihre Eltern ist es offensichtlich schwierig, das Kleingedruckte auf der „Trinkmalzeit Keks“ für den Säugling einzuordnen – und stattdessen lieber Obstbrei zu kochen.
Damit nicht Jahr für Jahr mehr schwitzende Moppelchen die Spielplätze bevölkern, müsste Seehofer also nicht Diskussionsplattformen moderieren, sondern Gesetze erlassen. Denkbar sind konkrete Vorschriften über Inhaltsstoffe in Kinderjoghurts, Richtlinien für Bonbonwerbung oder Vorgaben fürs Kitafrühstück. Es ist auch nicht nötig, dass Cola in Schulkiosken frei verkäuflich ist. Unsere Nachbarn machen es vor: So verbietet Schweden jede Art von Fernsehwerbung für unter Zwölfjährige.
Als ersten Schritt könnte Seehofer die Industrie zwingen, ihre Lebensmittel leicht und schnell verständlich zu kennzeichnen. Aber nicht mit einem Minitext auf der Packungsrückseite, sondern mit einem großen Stoppschild „Vorsicht, Zucker“. Das würde die Kaufentscheidung für oder gegen einen Kindertee deutlich vereinfachen. In Großbritannien etwa warnt eine rote Ampel vor allzu schädlichem Süßkram. Mittelfristig würde die Industrie so herausgefordert, freiwillig gesündere Produkte anzubieten – wer verkauft schon gern einen Schokoriegel, der mit Warnhinweisen dekoriert ist.
Bisher hat Seehofer sein Amt als Minister für Verbraucherschutz allerdings nicht so ernst genommen, dass er sich mit der Industrie angelegt hätte. Also dürfte er wohl auch künftig Minister der dicksten Europäer bleiben.
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