piwik no script img

Schwere Vorwürfe gegen Ägyptens MilitärMorde und Vertuschungsversuche

Menschenrechtler werfen Ägypten außergerichtliche Hinrichtungen vor. Mit platzierten Waffen sollte die Tat vertuscht werden.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi (2. v. r.) auf Stippvisite im Norden der Sinai-Halbinsel (Archivfoto) Foto: dpa

Berlin taz | Die Vorwürfe wiegen schwer: Ägyptische Militärs sollen mehrere unbewaffnete Menschen auf der Sinaihalbinsel gezielt hingerichtet haben. Ein geleaktes Video zeigt, wie uniformierte Männer am Boden liegende Gefangene mit mehreren Schüssen aus nächster Nähe töten.

Sowohl die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) als auch Amnesty International stufen die Aufnahmen als echt ein und werfen der ägyptischen Regierung schwere Menschenrechtsverstöße vor. „Diese empörenden Tötungen bestätigen, dass Ägyptens Anti-Terror-Kampagne auf dem Sinai außer Kontrolle geraten ist“, sagte Joe Stork, HRW-Vizedirektor für die Region.

HRW zufolge töteten Sicherheitskräfte mindestens zwei und bis zu acht Unbewaffnete. An der Hinrichtung seien ein Mitglied des Militärgeheimdienstes sowie ein Angehöriger einer lokalen Miliz beteiligt gewesen. In ihrem Kampf gegen Extremisten arbeiten die ägyptischen Streitkräfte mit örtlichen Milizen auf dem Sinai zusammen. Der Milizionär soll die Schüsse abgefeuert haben. „Dieser Mann agierte auf Befehl und unter Kontrolle des Militärs“, sagte Najia Bounaim von Amnesty International, „das ägyptische Militär ist für diese kaltblütigen Tötungen verantwortlich.“

Laut Amnesty töteten Sicherheitskräfte in der Aktion mindestens sieben Menschen, darunter einen 17-Jährigen. Zudem haben sie offenbar versucht, die Tat zu verschleiern. Das geht aus Aufnahmen hervor, die Regierung und Militär zuvor veröffentlicht hatten. Diese zeigen die Leichen der Männer, deren Hinrichtung auch in dem geleakten Video zu sehen sind.

Auf Facebook postete Militärsprecher Tamer al-Rifa’i Bilder der Toten und sprach von „bewaffneten terroristischen Elementen“. Auch in einem Video, das das Verteidigungsministerium veröffentliche, ist von getöteten „Terroristen“ die Rede. Neben den Körpern liegen Gewehre, die in dem neuen Hinrichtungsvideo jedoch nicht zu sehen sind. Nach Angaben der Menschenrechtler wurden sie wohl nachträglich platziert.

Verdeckte Aufnahmen

Unklar ist, wann die Tat stattfand. Die ersten Aufnahmen der Leichen veröffentlichte das Verteidigungsministerium am 5. November 2016. Die jüngsten Videos, die offenbar verdeckt aufgenommen wurden, veröffentlichte ein der oppositionellen Muslimbruderschaft nahestehender Fernsehsender mit Sitz in der Türkei am Donnerstag.

Die Berichte über außergerichtliche Hinrichtungen sind nicht die ersten ihrer Art. Erst im Januar war ein Fall bekannt geworden, bei dem bis zu zehn Menschen in der Region al-Arisch auf der Sinaihalbinsel getötet worden sein sollen.

Das Militär meldet regelmäßig die Tötung von Extremisten auf dem Sinai. Journalisten haben aber keinen Zugang zu der Region und sind weitgehend auf die Berichte des Militärs angewiesen. Der ägyptische Militärherrscher Abdel Fattah al-Sisi hatte sich 2013 an die Macht geputscht und geht seither massiv gegen Islamisten vor.

Für Teile des Sinais hatte die Regierung schon vor Jahren den Ausnahmezustand verhängt. Nach einem Doppelanschlag auf Kirchen vor eineinhalb Wochen weitete sie ihn auf das ganze Land aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!