Schweinehaltung in Hochhaus bei Halle: Quälerei auf sechs Etagen
Heimliche Aufnahmen dokumentieren massive Misshandlungen von Schweinen. Tierschützer erstatten Anzeige gegen den Betreiber.
Zu wenig Platz, mit der Hand erschlagene Ferkel, und Kadaver, die nicht entfernt werden: Das sind die Zustände im sogenannten „Schweinehochhaus“, einem sechsstöckigen Massenstall in Maasdorf bei Halle. Zu sehen sind die skandalösen Vorgänge auf Filmaufnahmen de Deutschen Tierschutzbüros, die am Mittwoch zuerst in der Sendung „Stern TV“ gezeigt wurden. Die Tierrechtsorganisation hatte über mehrere Wochen mit versteckten Kameras das Leid der Tiere dokumentiert. Nach Auswertung der 500 Stunden Videomaterial erstattete die Organisation zum dritten Mal Strafanzeige gegen den Betreiber HET GmbH.
Dem Tierschutzbüro zufolge leben und sterben die bis zu 500 Sauen und 2.500 Ferkel im Schweinehochhaus unter unzumutbaren Umständen: Die Tiere hätten zu wenig Platz in den engen Kastenständen. Dadurch würden Ferkel häufig bei der Geburt sterben, indem sie von der Mutter erdrückt werden. Zudem ist auf den Aufnahmen zu sehen, wie Ferkel von Angestellten des Unternehmens an den Beinen gepackt und auf den Boden geschlagen wurden, bis sie tot schienen – ob sie es wirklich waren, prüften die Mitarbeiter nicht.
Geschäftsführer der HET GmbH ist Michiel Taken, welcher auch gleichzeitig die Sauenaufzucht Genesus betreibt. Auf Werbevideos der Unternehmenswebseite sind Filme von gesunden Ferkeln aus dem Schweinehochhaus zu sehen. Die Bilder stehen allerdings im krassen Widerspruch zu den Aufnahmen der Tierschützer. Auf Presseanfragen zu den Bildern reagierte das Unternehmen nicht.
Das Schweinehochhaus wurde 1969/70 errichtet und galt zu DDR-Zeiten als Vorzeigeprojekt. Mit diesem Image ist es längst vorbei. Bereits 2013 filmte das Tierschutzbüro Missstände in dem Stall. Es folgten drei Strafanzeigen sowie Demonstrationen und eine Petition gegen das Unternehmen. Diese Art der Beweisbeschaffung hatte in der Vergangenheit immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten geführt und wurde vor kurzem vom Oberlandesgericht Naumburg für zulässig erklärt – wenn das Tierwohl schwerer wiegt als der Hausfriedensbruch.
Jan Pfeifer, Tierschutzbüro
Jan Peifer vom Tierschutzbüro fordert jetzt Konsequenzen. „Das Schweinehochhaus steht schon länger in der Kritik. Aber die neuen Bilder zeigen sehr eindrücklich, wie der Alltag der Tiere wirklich ist“, sagte er. Die Bilder von Mitarbeitern, die Tiere misshandeln und töten, müssten die Behörden alarmieren, sagte der Tierschützer. „Hier muss aus unserer Sicht durchgegriffen werden.“ Auch von offizieller Seite kommt Kritik: Die Landestierschutzbeauftragte Hessens, Madeleine Martin, sagte zu „Stern TV“: „Solche Bilder machen mich wütend. Sie sind absolut überflüssig. Diese Bilder gehören zum Staatsanwalt.“
Peifer sieht das Problem allerdings in einem größerem Rahmen: Vom Schweinehochhaus gebe es zwar besonders drastische Bilder, es sei aber definitiv kein Einzelfall, sondern systemisch bedingt. Verbraucher müssten akzeptieren, dass dies zur Massentierhaltung dazugehöre. Solange Menschen Tiere essen, seien solche Zustände unvermeidbar. Da würden auch staatliche Kontrollen nicht helfen. Denn in dem Schweinehochhaus seien selbst während der heimlichen Aufnahmen des Tierschutzbüros Kontrollen durchgeführt worden. Gebracht hat es nichts.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen