Schwarzer Block in Hamburg: Ausdauersport Polizistenbeleidigung

Die anarchistische 1. Mai-Demo in Hamburg blieb überwiegend friedlich. Nur zum Schluss gab es ein Handgemenge, kaputte Schirme und eine blutige Nase.

Menschen hinter Transparenten und Schirmen haben Pyrotechnik gezündet

Kurz vor der ersten Polizeisperre: Pyro und Schirme im schwarzen Block Foto: Andrea Maestro

Hamburg taz | Ob es den Hamburger Senat wohl freut, dass der lang ersehnte „Sprung über die Elbe“ geglückt ist? Zumindest die linke Szene der Stadt begreift den Stadtteil Wilhelmsburg mittlerweile als neues Zentrum. Auch im Alltag sind hier viele An­woh­ne­r:in­nen mit einer Vorliebe für schwarze Klamotten unterwegs. An den Laternen kleben Sticker gegen Nazis, für Geflüchtete und den FC St. Pauli. Es gibt linke Treffpunkte. Daher ist es eigentlich auch nicht überraschend, dass die am besten von der Polizei bewachte Demo des 1. Mai in diesem Jahr in Wilhelmsburg stattfindet – und nicht in der Schanze.

Gekommen sind laut Polizei rund 800 bis 900 Linke – ihr Ziel: die ebenfalls zu hunderten rechts und links des Demozuges laufenden Po­li­zis­t:in­nen zu zermürben. Zumindest scheint es so. Mehr als vier Stunden dauert der Weg vom Inselpark, vorbei am Polizeikommissariat 44 bis zur S-Bahn-Station Veddel. Die Palette der Schmähgesänge gegen die Be­am­t:in­nen ist breit, manchmal sogar kreativ. „Acht Cola, Acht Bier“, tönt es aus dem Block in Anspielung auf das Kürzel „ACAB“, das für „All cops are bastards“ steht. Woher die Wut auf die Polizei rührt, rufen sie ebenfalls: „Wo, wo, wo wart ihr in Hanau?“ Bei dem rechtsextremen Anschlag war der Polizeinotruf unterbesetzt. „So, so, so viele Einzelfälle“, geht der Sprechchor weiter.

Die Demonstrierenden laufen eng beieinander. An den Seiten haben Antifagruppen aus mehreren Hamburger Stadtteilen Transparent an Transparent gebunden und bilden so einen Block. Die Klamottenfarbe ist einheitlich schwarz, viele tragen Kapuze und Sonnenbrille. Masken sowieso. Als kurz nach dem Start dann auch noch schwarze Regenschirme den Blick auf den Zug komplett verdecken und in der Mitte pinke und rote Pyrotechnik gezündet wird, stoppt die Polizei schon nach ein paar Metern das erste Mal die Demo.

Wieder und wieder kommt die Durchsage mit der Aufforderung, die Vermummung abzulegen – Mund-Nasen-Bedeckungen sind zwar erlaubt, Schals aber nicht – und die Regenschirme einzuklappen. Die Reaktion ist zögerlich, aber irgendwann geht es weiter. Das Spiel wiederholt sich von Zeit zu Zeit.

Demo-Hopping über die Elbe

Manche der Teil­neh­me­r:in­nen waren auch schon bei der „Wer hat der gibt“-Demo am Nachmittag in der Hafen City dabei. Zumindest tauchen ihre Transparente wieder auf: „Lasst uns über das Erben sprechen“, steht da zum Beispiel. Oder eines von der Klimajugend Hamburg.

Blick von oben auf den Demonstrationszug. Vorne, links und rechts sind Polizeiketten

Weiter geht es erst, wenn die Schirme eingeklappt sind Foto: Andrea Maestro

Langsam wird es dunkel. In der Luft hängt der Geruch von Pyrotechnik – obwohl es in diesem Jahr ziemlich ruhig bleibt. Es wird wenig gezündelt, nichts geworfen, nur beleidigt. Die Demonstrierenden sind darin allerdings äußerst ausdauernd. Die Po­li­zis­t:in­nen laufen stoisch nebenher, bilden Ketten, behalten das Pfefferspray aber in ihren Kartuschen – und die zwei Wasserwerfer kommen auch nicht zum Einsatz.

Kurz vor Ende eskaliert die Situation dann doch: Unter einer Eisenbahnbrücke beim S-Bahnhof Veddel kommt der Demozug zum Stehen. Über den Köpfen der Ak­ti­vis­t:in­nen poltern S-Bahnen, dann hallen Schreie wider. Po­li­zis­t:in­nen und Demonstrierende sind in ein chaotisches Handgemenge verstrickt. Transparente und Schirme fliegen zur Seite, Jour­na­lis­t:in­nen spurten mit Kameras in die Richtung. Ein Polizist sagt später, einige Demonstrierende hätten mit den Schirmen nach Kol­le­g:in­nen geschlagen. Aus dem Demozug schallt es hingegen: „Wir sind friedlich, was seid ihr?“

Ein paar Minuten später geht es dann doch weiter, nun ohne Transparent an der Spitze. Die Demo endet auf dem Busvorplatz nur wenige Meter entfernt. Dort gibt es das nächste Handgemenge. Po­li­zis­t:in­nen ziehen gewaltsam einige wenige Demonstrierende aus der Masse. Von der Polizei hinter einen Einsatzwagen gebracht, zieht sich ein junger Mann erst die Sturmhaube, dann die Maske vom Gesicht. Sie ist von innen blutverschmiert.

Aufgespannte Schirme, darunter Demonstrierende, davor Polizist:innen

Große Polizeipräsenz: Manchmal sah es fast nach einer 1:1-Betreuung aus Foto: Andrea Maestro

„Sie waren über eine Stunde vermummt“, sagt ein Polizist zu ihm. „Das ist eine Straftat. Außerdem haben Sie polizeifeindliche Parolen gerufen.“ Es wirkt, als hätte die Polizei noch einmal gezielt Personen festgenommen, die während der Demo besonders auffällig waren, bevor sie die Menschengruppe geschlossen zur S-Bahn lenkte. Bestätigen wollte das allerdings keiner der umstehenden Beamten – und viele Menschen sind es auch nicht, die an diesem Abend in Gewahrsam landen. Das hat Hamburg schon heftiger erlebt.

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