„Schwarze Liste“ in Russland: Nicht nur Harms hat Einreiseverbot
Es ist nicht bekannt, wer draufsteht, aber sie existiert: Eine Liste mit „unerwünschten Personen“, denen die Einreise nach Russland verweigert wird.
![](https://taz.de/picture/90637/14/26092014_scheremetjewo_moskau_dpa.jpg)
BRÜSSEL afp | Im Konflikt zwischen der EU und Russland hat die Regierung in Moskau offenbar eine Liste mit EU-Politikern erstellt, denen die Einreise verboten ist. „Diese Stopp-Liste umfasst mehr europäische Politiker als nur mich“, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms, der am Donnerstag von den russischen Behörden am Flughafen Moskau die Einreise verweigert wurde, am Freitag in Brüssel. „Aber wir wissen bislang nicht, wer außer mir auf dieser Liste steht.“ Das russische Außenministerium weigere sich, Angaben zu den Namen auf einer solchen Schwarzen Liste zu machen.
Harms wollte in Russland einen Prozess gegen eine ukrainische Hubschrauberpilotin beobachten und sich mit Vertretern der russischen Zivilgesellschaft treffen. Bei der Ankunft in Moskau wurde der Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament aber trotz eines Diplomatenpasses die Einreise verweigert. Als Grund sei ihr von russischen Beamten unter anderem genannt worden, dass sie für Sanktionen der EU gegen Russland gestimmt habe, die als Reaktion auf den Konflikt in der Ukraine verhängt wurden, sagte Harms.
In der EU rief das Vorgehen der russischen Behörden Empörung hervor. „Wir verurteilen die Weigerung, die Europaabgeordnete Rebecca Harms am Flughafen Moskau auf das Gebiet der Russischen Föderation einreisen zu lassen, obwohl sie die russischen Behörden vor ihrer Abreise informiert hat“, sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.
„Ich verurteilte diesen schweren diplomatischen Vorfall scharf“, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). Dies sei ein „besorgniserregenden Rückschlag“ für die Beziehungen zwischen Russland und dem Europaparlament. Schulz kündigte an, in einem Protestschreiben an die russische Botschaft in Brüssel eine Aufhebung der Entscheidung zu fordern. Die EU-Vertretung in Russland und die deutsche Botschaft protestierten Harms zufolge bereits am Donnerstag gegen das Einreiseverbot für die Grünen-Politikerin.
Fehlende Transparenz
Demnach bestätigte die russische Regierung gegenüber der deutschen Botschaft das Bestehen der Schwarzen Liste. Die Liste könne offenbar als Gegensanktion Russlands gegen europäische Politiker gesehen werden, sagte Harms, die in den vergangenen Monaten mehrfach in die Ukraine gereist war. Die Sprecherin Ashtons kritisierte, die fehlende Transparenz der russischen Regierung über die auf die Schwarze Liste gesetzten Namen. Das verstoße gegen das geltende Visaabkommen zwischen der EU und Russland.
Harms zufolge wurde ihr am Moskauer Flughafen erklärt, sie sei eine „unerwünschte“ Person. Demnach musste sie sich schriftlich verpflichten, nicht nach Russland einzureisen, anderenfalls werde dies als „krimineller Akt“ gewertet. Nachdem sie vier Stunden am Flughafen festgehalten worden sei, habe sie am Donnerstag den letzten Flug aus Moskau zurück nach Brüssel nehmen können. Harms warf den russischen Beamten vor, „mit mir gespielt“ und eine „Scharade“ aufgeführt zu haben. „Es war bekannt, dass ich nach Russland reisen wollte“, sagte die Grünen-Politikerin. „Das war keine Undercover-Aktion.“
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