Schwangerschaftsabbruch und Recht: Ungewollt Schwangere schützen, bevor es zu spät ist
Abtreibungen nicht zu legalisieren, war angesichts der erstarkenden AfD ein fataler Fehler der Ampel. Welche Gefahr das birgt, zeigt sich in den USA.

K urz nach dem Scheitern der Ampelregierung bestand die historische Chance, Abtreibungen in Deutschland innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen zu legalisieren. Doch mit ihrer Blockade einer entsprechenden parteiübergreifenden Gesetzesinitiative von Abgeordneten der SPD, der Grünen und der Linken hat die so „freiheitsliebende“ FDP die vorerst letzte Chance vertan, die reproduktive Selbstbestimmung ungewollt Schwangerer in Deutschland zu stärken.
Dabei wäre genau das angesichts der wachsenden Macht der AfD heute wichtiger denn je. Denn Antifeminismus sowie der Kampf gegen Abtreibung und reproduktive Selbstbestimmung sind weltweit Bestandteil der rechten Agenda. Dort, wo rechte Parteien an die Macht kommen, geraten reproduktive Rechte massiv unter Druck. Mit oft fatalen Folgen für die Betreffenden.
Das zeigt sich seit einigen Jahren in den USA, wo Donald Trump während seiner ersten Präsidentschaft den Weg dafür ebnete, dass der Oberste Gerichtshof 2022 das landesweite Recht auf Abtreibung kippte. In zahlreichen republikanisch regierten Bundesstaaten traten daraufhin Gesetze in Kraft, die den Schwangerschaftsabbruch unter fast allen Umständen verbieten oder stark einschränken.
In den betreffenden Bundesstaaten haben die Verbote zu einer beispiellosen Gesundheitskrise geführt. Schon kurz nach der historischen Entscheidung des Supreme Court tauchten im ganzen Land wahre Horrorgeschichten von Frauen auf, denen eine Abtreibung verweigert wurde, obwohl sich ihr Gesundheitszustand drastisch verschlechterte. Im bevölkerungsreichen Texas, wo eines der striktesten Abtreibungsgesetze der USA gilt, ist seit dessen Inkrafttreten die Rate an Frauen, die aufgrund einer Fehlgeburt im Krankenhaus eine lebensbedrohliche Sepsis entwickelten, um 50 Prozent gestiegen.
Immer wieder kommt es aufgrund der Gesetze auch zu Todesfällen: Im Herbst 2024 verloren in Texas mindestens zwei junge Frauen ihr Leben, weil Ärzt:innen sich aus Angst vor Strafverfolgung weigerten, die sterbenden Föten, solange deren Herz noch schlug, aus dem Uterus der Schwangeren zu entfernen.
Doch obwohl sich in Umfragen eine Mehrheit von 60 Prozent der US-Amerikaner:innen für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche ausspricht, siegte am 5. November 2024 mit Trump jener Kandidat, dem die Rechtsverschärfungen maßgeblich zuzuschreiben sind. Zwar hatte Trump seine Rhetorik in der Abtreibungsfrage im Wahlkampf gemäßigt und versprochen, kein nationales Abtreibungsverbot zu unterzeichnen.
Dennoch erwarten Expert:innen, dass die Regierung den Zugang zu Abtreibungen landesweit einschränken wird – das „Project 2025“ der rechtskonservativen Heritage Foundation, ein detaillierter Plan zum autoritären Umbau der US-Demokratie, dürfte dazu als Blaupause dienen.
Tatsächlich folgten die ersten Maßnahmen zur Einschränkung der reproduktiven Selbstbestimmung Schwangerer prompt. Wenige Stunden nach Trumps Amtsantritt war eine von der Biden-Regierung eingerichtete Website, die über reproduktive Gesundheit und den Zugang zu Abtreibungen informierte, nicht mehr abrufbar. Mit einem Dekret begnadigte Trump knapp zwei Dutzend verurteilte Antiabtreibungsaktivist:innen, die wegen der Blockade von Abtreibungskliniken sowie Angriffen auf Schwangere in Haft saßen.
Ende Januar hob Trump überdies zwei Dekrete seines Vorgängers auf, die den US-weiten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen trotz der Verbote in einigen Bundesstaaten sicherstellen sollten. Steuergelder des Bundes dürfen nun nicht mehr zur Finanzierung und Förderung von Abtreibungen verwendet werden.
Die Trump-Administration könnte den Zugang zu Abtreibungen überdies noch auf einem weiteren Weg landesweit einschränken – ganz ohne nationales Verbot. Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. erklärte Ende Januar, die Sicherheit des Wirkstoffs Mifepriston überprüfen zu wollen.
Dabei handelt es sich um ein durch zahlreiche Studien als sicher eingestuftes Medikament – zwei Drittel aller Abtreibungen in den USA werden inzwischen mithilfe einer Kombination aus Mifepriston und Misoprostol durchgeführt. Das macht sie zu einem Hauptziel der Antiabtreibungsbewegung. Sie fordert – wie die „Project 2025“-Autoren – deren Zulassung aufzuheben oder den Zugang stark einzuschränken. Zuständig ist die Food and Drug Administration, deren Leiter Marty Makary ausgewiesener Abtreibungsgegner ist.
Noch gravierendere Folgen hätte die Wiederbelebung der sogenannten Comstock-Gesetze. Das sind Bundesgesetze aus dem 19. Jahrhundert, die den Versand von „obszönem Material“ per Post verbieten – darunter auch Artikel, die zur Herbeiführung einer Abtreibung bestimmt sind.
Allerdings hat Trump die Antiabtreibungsbewegung letzthin gegen sich aufgebracht: Mitte Februar unterzeichnete er ein Dekret zur Ausweitung des Zugangs zu künstlicher Befruchtung. Die Pro-Life-Bewegung lehnt selbst das Einfrieren und Zerstören überzähliger Embryonen im Zuge künstlicher Befruchtung ab.
Diese Auseinandersetzungen haben das Potenzial, die Republikaner zu spalten. Noch ist offen, wer sich durchsetzen wird. Fest steht: Die Verschärfung des Abtreibungsrechts in den Bundesstaaten hat schon heute gravierende Folgen für die Gesundheit und das Leben von Frauen.
Der Pro-Choice-Bewegung bleibt nicht viel übrig, als für die Stärkung der reproduktiven Rechte in den Bundesstaaten zu kämpfen – ein landesweites Recht auf Abtreibung ist aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kongress in weite Ferne gerückt.
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