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Schutz von ProstituiertenJenseits nackter Vorurteile

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Das Prostituiertenschutzgesetz wirkt, stellt eine Studie fest. Doch sinnvolle Verbesserungen werden wohl an der Union scheitern – aus purer Ideologie.

Die Wissenschaft ist klar, wenn es um Entstigmatisierung geht, die Politik hingegen ist nicht so eindeutig Foto: Andreas Arnold/dpa

E s bringt nichts, Urteile aufgrund von Ideologie zu fällen. Was banal klingt, braucht manchmal praktische Unterfütterung. Die wurde gerade geliefert: im Fall der Evaluation, also der fachlichen Bewertung des sogenannten Prostituiertenschutzgesetzes. Das Gesetz von 2017 aus der Zeit der damaligen Großen Koalition soll Prostituierte vor Zwang und Kriminalität schützen, wurde aber von Beginn an von allen Seiten attackiert. Wo die einen Kontrollwahn und Stigma fürchteten, sahen die anderen den Sündenfall, der sich weiter in die deutsche Rechtslage schreibt. Zufrieden war mit dem Gesetz von 2017 kaum jemand.

Nun kommt das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen zu folgendem Schluss: Das Gesetz wirkt. Zwar gebe es deutlichen Nachbesserungsbedarf, schreiben die Forschenden. So müsse die Akzeptanz des Anmeldeverfahrens unter Prostituierten erhöht werden; auch am Abbau von Stigmata müsse weiter gearbeitet werden. Generell aber könne das Gesetz „beachtliche Erfolge“ vorweisen. Geradezu beispielhaft wird hier deutlich, was Wissenschaft kann und wozu sie gebraucht wird: dafür, jenseits von Vorurteilen einen Blick auf die Realität zu ermöglichen.

Leider ist unklar, wie mit den konkreten und sinnvollen Vorschlägen zur Verbesserung des Gesetzes umgegangen wird. Zwar soll eine Kommission zum Thema eingesetzt werden. Was aber wiederum mit den Ergebnissen einer Kommission passiert, an denen sich die Geister scheiden, ist aus der vergangenen Legislaturperiode und von der Kommission zum Schwangerschaftsabbruch bekannt: wohl nichts.

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Leider ist es auch diesmal so: Die Überzeugungen und Vorurteile in puncto Prostitution sind geradezu massiv. Die Unionsfraktion will Sexkauf laut Fraktionsbeschluss verbieten, der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen das Prostituiertenschutzgesetz abschaffen. Die Forschenden hingegen sprechen sich für eine Reform des Gesetzes aus.

Wenn sich die Union nicht vorwerfen lassen will, Ideologie über Wissenschaft zu stellen, muss sie sich darauf einlassen, das Gesetz nachzubessern.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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9 Kommentare

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  • Teil 2: Ich habe nichts gegen Verbindlichkeit und Loyalität in Paarbeziehungen und Ehen einzuwenden, aber wenn man sich den großen Anteil der Freier ansieht, die zu Sexarbeiterinnen gehen, weil Sexualität mit ihren Frauen kaum, gar nicht oder nur unzufriedenstellend stattfindet, wird klar, dass es hier Probleme gibt, die bearbeitet werden müssen, bevor Sexkauf einfach verboten wird (man wird ihn dadurch nicht verhindern, sondern in erster Linie die Situation der Sexarbeiterinnen verschlechtern). Zum Beispiel eben, das romantisierte Ideal der bedingungslosen Monogamie und die Ängste vor einem offenen Umgang mit sexuellen Bedürfnissen in Partnerschaften, welche sexuelle Entwicklung und Zufriedenheit hemmen. Hier geht es nicht nur um Männer (und Frauen) in festen Beziehungen, sondern um alle, die aufgrund gesellschaftlicher, moralischer und innerer Hemmnisse sexuell unbefriedigt bleiben. Die sexuelle Revolution der 68er war wichtig, aber folgte zu großen Teilen männlichen Interessen und hat letztlich nicht zu sexueller Befreiung und Selbstbestimmung geführt. Wenn wir das erreichen, bleibt von Sexarbeit nichts oder nur der Teil übrig, der frei ist und mit Ausbeutung nichts zu tun hat.

  • Teil1: Die richtigen Antworten zum Umgang mit Prostitution sind schwer zu finden. Ich denke, dass Ideologie (ein eher negativ besetztes Wort für Weltanschauung), nämlich eine feministische, antipatriarchalische, hier eine zentrale Rolle spielen muss. Nur kann man aus dieser Haltung heraus sowohl das nordische Modell (Sexkaufverbot), als auch das neuseeländische (Gleichstellung der Prostitution mit jeder anderen gewerblichen Arbeit) befürworten. Letzteres verbessert konkret und zeitnah die Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen. Bei dem ersten sind Ziel und Motiv richtig, nämlich das Prostitution zu großen Teilen, durch das patriarchale, kapitalistische System bedingte, strukturelle Ausbeutung der Frauen ist, die wir überwinden müssen. Die große Schwäche liegt hier nicht in der Absicht, sondern darin, dass es nur die Symptome bekämpft, aber nicht die Ursachen. Zuerst müssen die Fragen gestellt werden, warum Frauen der Sexarbeit nachgehen UND warum Freier Sex kaufen. Hier werden Defizite unseres kulturellen Verständnisses von Sex und partnerschaftlichen Beziehungen deutlich, wie etwa die monogamistische Ideologie.

  • Wenn sogar der Berufsverband das Gesetz gerne abschaffen will, dann wird mit der jetzt veröffentlichten Studie doch offensichtlich nur geschönt. Der springende Punkte ist - wie erwähnt - die mangelnde "Akzeptanz des Anmeldeverfahrens". Zahlen dazu werden lieber nicht genannt. Wie klein ist denn die Minderheit, die sich überhaupt anmeldet? Wenn die Studie dann nur Betroffene in diesem kleinen Hellfeld interviewt hat, dann sind die Ergebnisse völlig wertlos. Das mutmaßlich große Dunkelfeld der nicht angemeldeten ist das Problem. Dass diese Frauen selbstbestimmt und glücklich ihr Gewerbe ausführen, ist kaum vorstellbar.

    "Die Überzeugungen und Vorurteile in puncto Prostitution sind geradezu massiv." - stimmt, leider gerade bei denen, die versuchen, sich das alles schönzureden ...

  • Bin ein wenig enttäuscht, hab erwartet, etwas über die Verbesserungsvorschläge zu lernen.



    So erfährt man nur, CDU ist doof...und das wusse ich schon

  • Das ist aber ein kurzer Artikel zu einem großen Thema. Warum erfährt man nichts über die Elemente des Gesetzes, die verbesserungsbedürftig sind?



    Warum erfährt man nicht über die Vorschläge zur Verbesserung?



    Ist der Artikel als Ansporn gedacht, sich selbst weiter zu informieren?

  • Die Kommission zunächst Schwangerschaftsabbruch ist doch ein gutes Beispiel, wie es nicht laufen sollte. Sie war zwar interdisziplinär jedoch höchst einseitig besetzt und mit falschen Maßgabe ins Rennen geschickt worden. Letzten Endes diente sie nur dazu, die politische Linie der Ministerin zu bestätigen. Ideologie ist halt immer Mist.

  • Wie schaffe ich es mich positiv zu einem Gesetz einer Partei zu äußern, die ich nicht mag?

  • Na ja, welche Politik hätte man schon von der cdU erwartet? Die Leute haben sie gewählt. Pech. Und auch von der Mitte-Rechts-Partei, mit der sie koalieren (sPD) wird man keinen Widerstand zu erwarten haben.



    Jetzt gibt's halt Extremaufrüstung, Streichung von Sozialausgaben, Kultur und Bildung, Geschenke für die Reichen und Steigerungen der Lohnnebenkosten, die nur die Armen und die Mittelschicht betreffen weil sie fälschlich als "Versicherung" tituliert werden, statt sie endlich in eine Steuer zu überführen, an der auch die Reichen angemessen beteiligt wären.



    Erwartbar.