piwik no script img

Schulunterricht während Corona in NRWPunktesieg für Solingen

Solingen wehrt sich gegen die autoritären Verordnungen von NRW-Schulministerin Gebauer. Ein gutes Zeichen für Beamt:innen und Schulleiter:innen.

Ja, Nein, Vielleicht? In NRW ist ein Streit um das sogenannte „Solinger Modell“ entbrannt Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Jetzt also doch? In Solingen verstehen sie die Welt nicht mehr. Als das Infektionsgeschehen in der Stadt bei 283 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner:innen lag, stellte Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) einen Plan auf: alle 20.000 Schüler:innen der Stadt vorübergehend in den Wechselunterricht zu schicken, um so – bei geteilten Klassen und Abstandsregelung im Unterricht – die Pandemie eindämmen zu helfen.

Aus dem Plan wurde aber nichts, weil NRWs Schulministerin Yvonne Gebauer was dagegen hatte (oder weil ihr Chef, Armin „Wir-wollen-Normalität“ Laschet, noch Kanzler werden will). Die Landesregierung verbot das „Solinger Modell“ per Erlass – was man eher Bayerns Corona-Hardliner Söder zugetraut hätte als NRWs Kuschel-Armin. Vermutlich hat das söderhafte Auftreten mit Laschets politischen Ambitionen zu tun. Da half auch nicht, dass sich Kurzbach mit allem wehrte, was ihm das Beamtentum an Waffen zur Verfügung stellt: Er remonstrierte, erhob also Einspruch, – und ging an die Presse.

Umso überraschender ist nun die Kehrtwende, die die Landesregierung andeutet. Am Freitag sagte Gebauer plötzlich im Kölner Stadt-Anzeiger, sie sei offen für „alle Unterrichtsmodelle“. Wenn sie das ernst meint (und künftig nicht mehr in lokale Entscheidungen interveniert), wäre es ein Punktsieg für Solingen. Und für die Überzeugung, dass Be­am­t:innen und Schulleiter:innen vor Ort am besten wissen, was gut für sie ist. Kurz: Es wäre ein Punktsieg für den Föderalismus.

Dieses Verdienst gebührt der Stadt, selbst wenn man die Notwendigkeit von halben Klassen anzweifelt oder den Plan für ein Problem hält. Das Tragische dabei: Solingen wird sich dafür nichts kaufen können. Dass die Landesregierung ihren Erlass zurück nimmt, kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen. Erst recht nicht, weil die Zahl der Neuinfektionen in Solingen mittlerweile gesunken ist.

Damit war der Kampf jedoch keineswegs umsonst. Lokalpolitiker:innen und Schulleiter:innen wissen nun genau, wie sie ihren Antrag bei der Schulaufsicht stellen müssen, um nicht abgelehnt zu werden. Einzelne Schulen: okay; ganze Städte: nicht okay. Und dann bleibt abzuwarten, ob sich die Schulministerin noch mal traut, nach Solingen ein zweites Mal zu interve­nieren.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Auch nach zweimaliger Lektüre wird mir das Problem nicht wirklich klar. Eine Ministerin gibt einen Erlass heraus, oder anders formuliert: ein Regierungsmitglied macht Regierungsarbeit. Das ist ein völlig normaler und gewöhnlicher Vorgang. Inhaltlich kann man diesen Erlass natürlich kritisieren (und das würde ich im vorliegenden Fall eines Verbots der Umstellung von Ein- auf Zwei-Schicht-Unterricht auch tun), dafür aber den Vorwurf des Autoritarismus zu erheben ist absurd und befeuert letztlich nur den Diskurs der angeblichen "Merkel-Diktatur".

  • So langsam stellt sich die Frage, wo eigentlich der Unterschied liegt zwischen "Covidioten" und Politikern. Das zentrale Argument der Maßnahmengegner stellt darauf ab, dass es keine echten Beweise für eine ernste Gefährdung durch SarsCov2 gebe. Politiker wollen auf Biegen und Brechen die Schulen offen halten und begründen das teilweise damit, dass nicht erwiesen sei, dass Kinder und Jugendlich das Virus (genauso stark) verbreiten (wie Erwachsene). Schwachsinn! Solange die Sachlage nicht klar ist, muss man davon ausgehen, dass Schulen Virenschleudern sind, was denn sonst.

    • @zmx52:

      Das mit den Schulen und KiTas ist doch ein rein ökonomisches Problem. Die sollen nicht zu, weil sonst nix mehr läuft.



      Dazu werden Kinder als weniger ansteckend beschrieben - was ich persönlich noch nicht überzeugend finde. Schließlich bekomme ich das Gros meiner Erkältungen, weil ich mich bei meinen Kindern anstecke, die das aus der Kita mitbringen.

      Ich habe langsam das Gefühl, dass man sich diesbezüglich nicht traut, uns reinen Wein einzuschenken.