Schulreinigung in Berlin: Putzen bleibt prekär
In Neukölln wird an den meisten Schulen noch immer nicht zum Vergabemindestlohn geputzt. Das Bezirksamt sagt, ihm seien die Hände gebunden.
Laut Bezirksamt putzen derzeit elf Firmen mit insgesamt 125 Reinigungskräften in den Neuköllner Schulen – aber nur an einer Schule werden die Reinigungskräfte mit 12,50 Euro entlohnt. „Da seit Inkrafttreten des neuen Vergabemindestlohnes am 01. 05. 2020 nur ein Vertrag neu abgeschlossen wurde, konnte nur dort der Vergabemindestlohn vertraglich vereinbart werden“, heißt es. Auftraggeber für die Reinigungsfirmen sind die Bezirksämter, weil sie Schulträger sind.
Bei der Linken im Bezirk mag man sich mit dieser Antwort nicht zufrieden geben. Philipp Dehne, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung, sagt: „Es gäbe in Neukölln durchaus die Möglichkeit, die laufenden Verträge anzupassen – wenn das Bezirksamt es wollte.“ Hintergrund ist, dass die Verträge zur Schulreinigung in Neukölln jedes Jahr zum 31. Januar verlängert werden müssen. „Das wäre eine Chance für den Bezirk zu sagen, wir passen den Mindestlohn entsprechend an.“ Im Nachbarbezirk Tempelhof-Schöneberg habe man es bereits 2020 genauso gemacht.
Juristisch keine Handhabe?
Das Bezirksamt Neukölln sieht das allerdings anders, in Tempelhof-Schöneberg habe es „Neuausschreibungen“ gegeben, da sei es nicht um Vertragsverlängerungen gegangen. In Neukölln hingegen seien die laufenden Jahresverträge „wesentlicher Bestandteil der Vertragsgrundlage bis 2023 – und eben keine neuen Verträge im Sinne des Vergabemindestlohns.“ Insofern habe das Bezirksamt hier haushaltsrechtlich „keine Handhabe“, sagt der Sprecher von Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD).
Die Bedingungen in der Reinigungsbranche sind prekär, wie auch die Berliner Initiative Schule in Not immer wieder anmahnt. Die 2019 gegründete BürgerInneninitiatve hat bereits 25.000 Unterschriften für eine bessere Reinigung der Berliner Schulen gesammelt. In sechs Bezirken war ein entsprechendes Bürgerbegehren erfolgreich. Auch ein Bündnis aus Gewerkschaften unterstützt die Initiative: Weil auch der Preis bei der Vergabe eine Rolle spielt, vergeben die Bezirksämter die Putzaufträge oft an die preisgünstigsten Anbieter. Die Firmen geben den Kostendruck an ihre Beschäftigten weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels