Schulreinigung in Berlin: Sauber nachgerechnet
Die Initiative Schule in Not und Verdi wollen die Kosten für eine Rekommunalisierung berechenbar machen. Das soll den Druck auf die Bezirke erhöhen.
Ab 2022, so die Forderung der Rekommunalisierer, soll Berlin „verbindlich“ 30 Prozent der Schulreinigung in Eigenregie betreiben. Der Haken: 2021 neigt sich dem Ende zu „und wird sind immer noch bei Null, was einen konkreten Fahrplan angeht“, so Kühne. Dabei gebe es bereits in acht Bezirken konkrete Beschlüsse für eine Rekommunalisierung.
Tatsächlich ist eine solide Kostenschätzung der Knackpunkt, an dem es bisher nicht weiter geht: Zwar hat der Hauptausschuss im Abgeordnetenhaus im Frühsommer Kostenschätzungen aus den Bezirken eingeholt. Doch die erwiesen sich als „grobe Schätzungen“, wie Kühne kritisiert, die zudem „weit auseinanderklaffen.“ Konkret gehen die Schätzungen von 21 Prozent Mehrkosten bis zu 260 Prozent Kostensteigerungen durch eine Rekommunalisierung.
Doch ohne eine transparente, nachvollziehbare Kostenschätzung dürfte das Land kaum willens sein, Geld im kommenden Doppelhaushalt – den die künftige Koalition im Frühjahr beschließen dürfte – für Personal oder Sachmittel locker zu machen. Ohne Plan gibt es auch kein Geld, weder für Stellen noch für Sachmittel. Bei der Initiative hat man deshalb seit längerem das Gefühl „die Bezirke sitzen das aus, das Thema soll verschleppt werden“, so Kühne. In Pankow zum Beispiel sei erst vor kurzem wieder eine Ausschreibung für die kommenden drei Jahre raus gegangen. Dort dürfte ein Startdatum 2022 also schwierig werden.
Verschiedene Szenarien berechnen
Die Software, die im Auftrag der Gewerkschaft Verdi entwickelt wurde, soll die Bezirke nun nicht länger die Ausrede erlauben, ein Kostenplan für die Rekommunalisierung sei zu komplex. Robert Kösling, Experte für kommunale Infrastruktur, der das Werkzeug entwickelt hat, erklärte am Mittwoch „drei Komponenten“, die die Bezirke als Variablen hätten: Personalkosten, die Reinigungszeit pro Klassenraum, und die zusätzliche Tagesreinigung ein, die es vielerorts seit der Corona-Pandemie gibt. „Damit können die Bezirke jetzt verschiedene Szenarien individuell berechnen“, so Kösling.
In einem Bezirk habe man auch schon mal exemplarisch bei vier Schulen „nachgerechnet“, sagt Kösling. Weil die Ausschreibung öffentlich war, war der Bieterpreis bekannt: „Die Eigenreinigung wäre nach unserer Kalkulation genauso teuer gewesen, das Ergebnis war plusminus Null.“
Der Punkt sei, sagt Kösling, dass man „Kosten und Qualität zusammendenken“ müsse. „Fremdreinigung wird teurer, sobald ich ein Qualitätsmanagement einführe, weil Billiganbieter rausgedrängt werden.“ Derzeit bekommt meist der Anbieter den Zuschlag, der am schnellsten am meisten Fläche putzt – Lohndumping und völlig unrealistische Putzzeiten pro Raum sind die Folge.
Robert Kösling, Software-Entwickler
Zugleich werde Eigenreinigung durch Optimierung mit der Zeit billiger – vorausgesetzt die Bezirke führten ein Qualitätsmanagement ein, sagt Kösling. „Das Delta zwischen Eigen- und Fremdreinigung schließt sich dann“, sei die Erfahrung auch aus anderen Städten und Kommunen, die ihre öffentlichen Gebäude bereits wieder teilweise selbst putzen – etwa Düsseldorf und Köln.
„Ich erwarte von den neuen Stadträten, dass sie nun in die Puschen kommen“, sagte am Mittwoch auch Erich Mendroch, Gewerkschaftssekretär bei Verdi. Immerhin gehe es hier nicht nur um saubere Schultoiletten, sonder auch um „gute Arbeit“. Ein großer Teil der Reinigungskräfte arbeitet wegen der ungünstigen Arbeitszeiten, die häufig nachts oder in den frühen Morgenstunden liegen, nur in Teilzeit oder ist auf Aufstockung beim Jobcenter angewiesen.
Ins Sondierungspapier der künftigen rot-grün-roten Koalition hat es die Initiative immerhin schon geschafft mit ihrer Forderung. Der Koalitionsvertrag wird derzeit in diversen Fachgruppen verhandelt – die Themen Wirtschaft und Arbeit stehen passenderweise am Mittwoch auf der Agenda.
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