Schulhöfe auf dem Dach: Wenig Auslauf für Kinder
Weil Grundstücke viel Geld bringen, werden Pausenhöfe knapp. Das gilt für neue Schulen in der Hafencity ebenso wie für alte Standorte wie die Max-Brauer-Schule.
Nur es gibt andere Ideen. Der Bezirk Altona hatte der Schulbehörde zuvor vier Vorschläge für Grundstücke gemacht, wie CDU-Politikerin Kaja Steffens berichtet. Doch Schulbehörde und die der Finanzbehörde unterstehende „Schulbau Hamburg“ wählten die sparsamere Variante: Warum Grundstücke kaufen, wenn man auch den Standort der Max-Brauer-Schule an der Paul Gerhardt Kirche effektiver nutzen kann? Dort soll die Aula abgerissen und ein kompaktes fünfstöckigen Gebäudes neu gebaut werden.
Laut Kaja Steffens zieht sich diese Denke wie ein „roter Faden“ durch den Schulbau in Altona. Der Schulhof des Gymnasiums Allee sei nach einem Zubau „quasi nicht existent“, die Fläche der Geschwister-Scholl-Schule in Osdorf wird nach komplettem Neubau empfindlich verkleinert. Und wie die taz im Frühjahr berichtete, sollen an der Königstraße auf einer Fläche, die bisher für eine Schule reichte, zwei Gymnasien und eine Grundschule entstehen.
Die neue Stadtteilschule Mitte Altona soll zu ebener Erde gar nur einen schmalen 1.100-Quadratmeter-Streifen als eigenen Schulhof haben und 3.000 Quadratmeter im unmittelbar angrenzenden Park, die sie tagsüber exklusiv nutzen darf, wie die Finanzbehörde mitteilt. Hinzu kommen 2.500 Quadratmeter Schulhof hoch oben auf dem Dach des würfelförmigen fünfstöckigen Gebäudes, das einmal rund tausend Schüler beherbergen soll.
Auf dem Dach-Schulhof zieht es
Es gibt keine Schulentwicklungsplanung mehr, die Bezirke und Schulgremien einbindet. Wo, wie, was in Hamburgs Schulen um- oder angebaut wird, entscheiden die Schulbehörde und „Schulbau Hamburg“. Maßgeblich dabei ist ein „Musterflächenprogramm“, dass Schulen sogar zur Aufgabe von Flächen drängt.
Auf die Spitze getrieben wird der staatliche Geiz mit Schulfläche zu ebener Erde in der Hafen-City. Schon im Sommer 2009 eröffnete am Dalmankai die Katharinenschule, kompakt und würfelförmig und Hamburgs erste Schule mit Pausenhof auf dem Dach – sehr hübsch mit Sonnenschutzsegeln, Spielgeräten und bunten, farbigem Belag. Zu ebener Erde gibt es als Schulhof lediglich ein schmales Fußballfeld, eingezwängt zwischen Schule und benachbartem Glasbau.
Peter Albrecht sagt, nach Auskunft der Schulleiterin gibt es dort „gute Erfahrungen“ mit dem Dach-Schulhof. Das schildert die Elternratsvorsitzende Anja Kaufmann anders. „Es zieht da sehr, so dass die Kinder da ungern sind“, sagt sie. Der Schulhof sei „sehr eng, und bei schlechtem Wetter manchmal geschlossen“.
Auch müssten sich die Kinder immer festlegen, ob sie zur Pause nach oben oder unten gehen. Und im Nachmittagsbetrieb, wenn ein freier Träger die Betreuung übernimmt, gingen sie schon mal in den daneben liegenden Sandtorpark. „Wenn dann ein Kind läuft, heißt es, alle müssen rein“, berichtet die Mutter. Auch über Belästigungen durch fotografierende Touristen oder Hunde hätten Eltern sich schon beschwert. „Für Kinder ist ein großer Schulhof für alle besser“, sagt die Elternvertreterin.
Um so enttäuschter war sie, als Ende März die ersten Pläne für die weiterführende Schule, den „Schulcampus Lohsepark“ vorgestellt wurden. Ursprünglich war das „Baufeld 77“ der Hafen-City als Gemeinbedarf für Schulbau reserviert, immerhin ganze 11.300 Quadratmeter. Doch schon in der Ausschreibung hieß es, die Architekten sollten „prüfen“, ob abweichend vom Bebauungsplanentwurf auch Wohnungsbau „stimmig berücksichtigt“ werden könne. Ein Entwurf, der auch gewann, nahm gar die Hälfte des Platzes für Wohnungsbau weg.
Eine dunkle Schlucht
Die Planer teilten das Gelände und wiesen der künftigen Schule, die über 1.500 Schüler haben wird, nur rund 2.000 Quadratmeter ebenerdigen Schulhof zu – eine dunkle Schlucht, wie ein Modell zeigt. Die übrigen Schulhofflächen sollten auf dem Dach und teils sogar auf Balkonen unterkommen. „Für den Schulalltag ist das wenig tauglich“, sagt Anja Kaufmann.
Im Gegenzug gründete sich die „Initiative Schulcampus Lohsepark“, die Politiker einlud, sich einmischte, Transparenz und Beteiligung forderte, und vor allem einen richtigen Schulhof. „Wir wollen 6.000 Quadratmeter ebenerdig“, sagt Initiativen-Mitglied Jochen Blauel. Auch für den Austausch mit dem Stadtteil sei dies wichtig, denn es gebe ein „Recht auf Weite“ in der verdichteten Stadt. „Ein Schulhof auf dem Dach ist nachmittags verschlossen.“ Hinzu kommt, dass der Wohnblock die Sicht auf das Mahnmal für den Hannoverschen Bahnhof verdecken würde.
Als sich die Initiative mit Schulsenator Ties Rabe (SPD) traf, soll dieser eine Bedingung dafür genannt haben, dass er sie an den Planungen beteiligt. „Wir sollen akzeptieren, dass rund die Hälfte der Schulhoffläche auf dem Gebäudedach platziert wird“, heißt es auf der Ini-Homepage. So sieht es eine überarbeitete Version der Flächenaufteilung vor, die den Wohnungsbau etwas abspeckte.
Dazu gefragt, sagt Rabes Sprecher Albrecht: „Wir sind in guten Gesprächen mit der Initiative und haben den Eindruck, dass wir uns auf einen gemeinsamen Weg machen können.“ Die Gruppe bleibt bei ihrer Haltung. „Wir halten es für einen Fehler, einen Schulhof auf dem Dach zu platzieren“, sagt Blauel.
Nur ein paar Hundert Meter weiter südlich am Baakenhafen soll im nächsten Jahr übrigens die zweite Grundschule der Hafen-City entstehen. Laut Finanzbehörde sind für die vierzügige Schule mit knapp 400 Kindern insgesamt 1.606 Quadratmeter Pausenhof vorgesehen – davon nur 664 zu ebener Erde und 942 Quadratmeter auf dem Dach.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen