Steigende Schülerzahlen in Hamburg: Schulen zum Wachstum verdammt

Wegen steigender Schülerzahlen sollen Grundschulen in Altona stark wachsen. Eltern, Schüler und Personalrat der Max-Brauer-Schule wehren sich dagegen.

Grundschulkinder sitzen in einem Klassenzimmer.

Sollen noch mehr werden: Grundschulkinder an der Max-Brauer-Schule Foto: Eric Schwingenheuer

HAMBURG taz | Keine so gute Nikolaus-Überraschung gab es für den Elternrat der Max-Brauer Schule, als Schulamtsleiter Torsten Altenburg-Hack am 6. Dezember die Erweiterungspläne für die Grundschulabteilung vorstellte: Die alte Aula zur Straße hin würde abgerissen, an ihrer Stelle parallel zum Bahrenfelder Steindamm ein hoher Gebäuderiegel entstehen. Mit Platz für „zwölf zusätzliche Klassen“, Gruppenräume, Fachräume, Mensa, Lehrerzimmer und Sporthalle. Denn die Grundschule soll „sechszügig“ werden.

„Es wurden verschiedene Szenarien vorgestellt“, berichtet Elternrats-Mitglied Silke Stahn. Je höher der Gebäuderiegel sei, desto mehr Platz gebe es dahinter auf dem verbleibenden Schulhof, sagten die Behördenvertreter. Doch der Platz sei jetzt schon eng, sagt Stahn.

Denn die Max-Brauer-Schule ist eine „Langformschule“ von Klasse 1 bis 13. Auf dem Schulgelände an der Paul-Gerhard-Kirche, um das es hier geht, lernen heute nicht nur knapp 300 Grundschüler, sondern auch die älteren Schüler der 5., 6. und 7. Klassen. Da die mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnete Lehranstalt sehr beliebt ist, hat die Schule ab Jahrgang 5 bereits sechs Parallelklassen. Es sind also schon über 700 Kinder am Standort, künftig wären es knapp 1.000.

Doch was sei dann mit den Rückzugsmöglichkeiten für die jüngeren Schüler, fragt Silke Stahn. Die Mutter kann sich nicht vorstellen, dass Grundschüler sich in dem mehrgeschossigen Bau zurechtfinden. Schon heute sei es sehr eng, zumal seit zehn Jahren Baumaßnahmen auf dem Gelände stattfinden. Das Konzept der Schule lebe stark von individueller Förderung. „Das wird nicht einfacher, wenn das System noch viel größer wird.“

Wo Wohnungen gebaut werden, steigen die Kinderzahlen: Gab es 2012 im Altonaer Kerngebiet 900 Erstklässler, sollen es 2021 bis zu 1.600 sein.

Deshalb sollen drei neue Grundschulen entstehen. Für die eine wird die Max-Brauer-Schule verdoppelt, je eine weitere ist im Bereich Klinik Altona und Trabrennbahn geplant.

Erweitert werden die Schulen Rothestraße, Mendelsohnstraße, Loki-Schmidt-Schule auf fünf Züge und die Theodor-Haubach-Schule auf sieben Züge. Insgesamt sind 16 Klassen für rund 350 Erstklässler geplant.

Die Schulleitung äußerte sich am Montag nicht. Dafür der Personalrat, Stefan Zelle: Die Entscheidung der Behörde, „unser System auf eine sechszügige Grundschule mit etwa 600 Schülern auszuweiten, halten wir aus pädagogischer Sicht für falsch“, sagt er.

Eltern wünschten sich, dass das individualisierte Lernen und die persönliche Bindung erhalten bleiben. Auch könnten, wenn die Schule schon in Klasse eins mit sechs Zügen startet, in der 5. Klasse keine Schüler von außen mehr aufgenommen werden. So ein „geschlossenes System“ widerspreche ihrem „Leitgedanken von Vielfalt und Offenheit“, so der Personalrat. Eine Schule mit dann insgesamt 2.000 Schülern könne „von Kindern, Eltern und Lehrkräften nicht mehr überblickt werden“.

Wer im März dieses Jahres auf einer Pressekonferenz von Schulsenator Ties Rabe (SPD) zugegen war, ahnt schon, dass diese Argumente bei den Schulplanern gewisses Achselzucken hervorrufen. In ganz Hamburg fehlen Schulplätze. Vor allem aber in Eimsbüttel und Altona gibt es mehr Kinder als früher, weil die Familien nicht wegziehen und weil kräftig Wohnungen gebaut werden.

Wurden im Kerngebiet Altona 2012 noch rund 900 Erstklässler eingeschult, so waren es in diesem Jahr schon 1.150. Ab 2021 rechnet die Schulbehörde mit jährlich 1.300 bis 1.600 neuen ABC-Schützen in diesem Teil der Stadt. Deshalb kündigte Rabe die Gründung von drei neuen Grundschulen und die Vergrößerung dreier Grundschulen auf fünf Züge an. Die Theodor-Haubach-Schule vis-à-vis des Neubaugebiets Neue Mitte Altona soll gar auf sieben Züge ausgebaut werden.

Die Schulen müssten eilig gebaut werden, sagt Schulbehördensprecher Peter Albrecht. „Die Kinder, um die es geht, sind schon geboren.“ Die Erweiterung der Max-Brauer-Schule ist nun eine der drei von Rabe angekündigten Schulen, die anderen entstehen am Krankenhaus Altona und an der Trabrennbahn.

Laut Albrecht gibt es keine Alternative, auch weil die künftigen Schüler in der Umgebung lebten und man für „Kurze Beine, kurze Wege“ brauche. Man könnte höchstens direkt vor der Max-Brauer noch eine zweite Schule bauen.

Auch gebe es bereits sechszügige Grundschulen an anderen Orten. Etwa an der Sternschanze, in Mümmelmannsberg oder Neugraben. „Das ist völlig unproblematisch“, sagt Albrecht. „Mir ist noch nie zu Ohren gekommen, dass es Probleme gibt.“

Überall Platzmangel

Doch die Verhältnisse an der Paul Gerhard-Kirche sind nun mal anders. „Bereits jetzt fehlt es uns in fast allen Bereichen an Platz: Für Unterstufe und Grundschule gibt es jeweils nur einen Pausenraum, für die Mittel- und Oberstufe keinen einzigen“, sagt Schülervertreter Carl von Bredow.

Und auch an Fachräumen für Naturwissenschaften, Musik und Theater mangele es seit Jahren. „Mit unserer Aula würde der wichtigste Fach- und Veranstaltungsraum für viele Jahre wegfallen.“ Das neue Gebäude beherberge dann zwar Klassenräume, nehme aber den Pausenhof weg. Und Schüler Mascha Schonhorst verweist darauf, dass die MBS eine Ganztagsschule ist und damit Lebensraum für die Kinder. „Wir können es nicht hinnehmen, wenn uns hier noch mehr Freiheit genommen werden soll.“

Aus Sicht von Silke Stahn hat die Politik es versäumt, rechtzeitig ordentlich zu planen. „Es gab freie Flächen in Altona, die sind jetzt alle verbaut.“ Es soll sogar eine Erweiterungsfläche für die MBS inzwischen mit Wohnungen bebaut sein. Unter Schulsenator Rabe finde seit sechs Jahren keine richtige „Schulentwicklungsplanung“ mehr statt, und damit auch keine Elternbeteiligung. So würden die Schulen nach dem Motto „teile und herrsche“ gegeneinander ausgespielt.

Keine Flächen verfügbar

Ein Punkt den auch die Linke unterstützt. Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus wirft Rabe einen „massiven Eingriff in die Schulautonomie“ vor, er regiere mal wieder über die Köpfe der Eltern hinweg. „Der Senat hat in neuen Wohnbaugebieten keine Flächen für Schulen ausgewiesen, als würde es überhaupt keinen Bedarf geben“, ergänzt der Altonaer Linken-Abgeordnete Wolfgang Ziegert.

Der Senat habe schlicht nur die billigste Lösung gewählt, sagt ein Lehrer. So gebe es eine Fläche an der Gasstraße nahe den S-Bahngleisen, die nur aufwendig vorbereitet werden müsse. „Es muss eine andere, neue Schule gebaut werden“, sagt auch Elternrätin Silke Stahn.

Dazu sagt Behördensprecher Albrecht: „Es gibt keine Flächen, die wirklich zur Verfügung stünden.“ Auf einem Areal entstehe eine Kita. Und die Gasstraße sei ja nur 200 Meter entfernt. „Da würden wir wohl eine, strukturell getrennte Schule eröffnen.“ Eine „kluge Lösung“ sei eben doch, die jetzt schon beliebte Max-Brauer-Grundschule zu erweitern.

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