Schulentwicklungsplanung in Hamburg: Streit um dritte Schulform

Rabes Schulplan sieht zehn „Campus-Schulen“ vor mit Stadteilschule und Gymnasium unter einem Dach. Kritiker sehen darin Angriff auf die übrigen Stadtteilschulen

Zwei Schüler mit Rantzen auf dem Rücken gehen über einen Hof

Auf dem Weg zu einer neuen Schulform? Hamburg plant da was Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Es kommen viele, viele Schüler und das ganze Schulsystem wird einfach nur wachsen. Diesen Eindruck hinterließ Schulsenator Ties Rabe (SPD), als er den Entwurf für einen neuen Schulentwicklungsplan präsentierte. Doch Rabe stellt zugleich eine strukturelle Weiche. Er führt mit der „Campus-Schule“ einen neuen Schul-Typ ein, der umstritten ist. Gar den „Abschied vom Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasium und Stadtteilschule“ sieht darin Anna Ammonn, Vorsitzende des „Verbands der Schulen des gemeinsamen Lernens“.

Rabe nennt für seine Pläne pragmatische Gründe. Weil es bis 2030 ein Viertel mehr Schüler gebe als heute, will die Behörde bis 2027 insgesamt 20 neue weiterführende Schulen bauen. Zwölf davon sollen Stadtteilschulen und fünf Gymnasien werden. Die Form der restlichen drei ist noch offen. Und weil man nicht genau wisse, wie viele Eltern ihr Kind an welcher Schulform anmelden, sollen zehn dieser Stadtteilschulen „Campus-Stadtteilschule“ sein, die zwei Bildungsgänge anbieten: Den „gymnasialen“, der in acht Jahren zum Abitur führt, und den der Stadtteilschule, der zum Haupt- und Realschulabschluss, sowie nach neun Jahren zum Abitur führt.

Vorbild sind die Schulen Heinrich-Hertz in Winterhude und Gyula Trebitsch in Tonndorf, die seit Jahren die Kinder nach einer gemeinsamen Phase in Klasse 5 und 6 in die beiden Bildungsgänge trennen. Erst in der Oberstufe kommen die Gymnasiasten und die Stadtteilkinder, die es bis dahin schaffen, wieder zusammen.

„Diese Campus-Schule kommt jetzt flächendeckend und bedeutet eine hohe Konkurrenz für die bestehenden Stadtteilschulen“, sagt Ammonn. Die Sorge der Schulleitungen sei „sehr, sehr groß“, dass Campus-Schulen die Leistungsstärkeren abziehen und sich die soziale Spaltung zwischen den Schulformen noch vertieft. In den Regionen Süderelbe und Bergedorf zum Beispiel sind Campusse nur wenige hundert Meter von bestehenden Stadtteilschulen entfernt geplant.

Abschied vom gemeinsamen Lernen?

Wie die taz berichtete, fordern FDP und CDU ohnehin im Rahmen des sogenannten „Schulfriedens“, dass die Stadtteilschulen ihre Schüler mittels „äußerer Leistungsdifferenzierung“ in getrennten Kursen unterrichten. Bisher ist diese Frage den Schulen selber überlassen.

Anna Ammonn, Verband „Schulen des gemeinsamen Lernens“

„Diese Campus-Schule bedeutet eine hohe Konkurrenz für die bestehenden Stadtteilschulen“

Durch die Campus-Schulen werde der „Druck auf äußere Differenzierung weiter zunehmen“, ist sich Ammonn sicher. Das sei der „Abschied von der Idee des gemeinsamen Lernens an den Stadtteilschulen bis Klasse 10“.

„Rabe greift mit seinen Plänen die Arbeit der Stadtteilschulen an“, sagt auch die Linke Sabine Boeddinghaus. Auch sie höre von Schulen die Sorge um die künftige soziale Zusammensetzung.

Kritik am engen Zeitplan

Zudem kritisieren die beiden den engen Zeitplan. Nur vier Wochen bleibt den Schulen für eine Stellungnahme. Dann kommen die Sommerferien. Auch die Kreiselternräte haben nur bis zum 25. Juni Zeit, die Bezirke und die Kammern müssen bis Ende August Stellung nehmen. Kurz vor oder nach den Herbstferien soll alles beschlossen sein.

Damit die Wirkung der Schulplanung auf den Sozialraum besser beachtet wird, sieht das Schulgesetz seit 2009 eigentlich 22 Regionale Bildungskonferenzen vor. Doch die sollen nach Rabes Plan nicht reaktiviert und mit dem Schulentwicklungsplan befasst sein.

Boeddinghaus kritisiert das. Sie hat einen neuen Zeitplan beantragt, der auch eine Diskussion in den Regionen ermöglicht. Der Schulentwicklungsplan wäre dann drei Monate später fertig.

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