Schuldenkrise in Europa: Nächste Runde im Schuldenpoker
Der Streit zwischen Griechenland und der EU lebt wieder auf. Wenn es dumm läuft, könnte er sich mit der Brexit-Debatte vermischen.
Auf den ersten Blick geht es „nur“ um 3,6 Milliarden Euro, die Griechenland zusätzlich einsparen soll. Doch dahinter steht der alte Streit um den Schuldenschnitt, den der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert – und den Deutschland ablehnt. Als Kompromiss verfielen Washington und Berlin auf die zusätzlichen Kürzungen: Athen soll sie „auf Vorrat“ beschließen.
Doch das lehnt Tsipras ab. Tusk wiederum lehnt den Euro-Sondergipfel ab, den der griechische Premier fordert. Und Deutschland lehnt es ab, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. „Die Antwort lautet Nein“ ließ Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin erklären. Die Fronten sind verhärtet, eine Lösung ist nicht in Sicht. Dabei drängt die Zeit – spätestens im Mai muss die Kuh vom Eis sein.
„Das Problem muss noch vor dem britischen EU-Referendum im Juni gelöst werden“, sagt Dimitrios Papadimoulis, Leiter der Syriza-Delegation im Europaparlament. Andernfalls könnte der Schuldenstreit die Brexit-Debatte überschatten und pünktlich zur Volksabstimmung in Großbritannien eskalieren, warnt der Links-Politiker.
Es könnte sogar noch schlimmer kommen, fürchtet Gabi Zimmer, die Fraktionsvorsitzende der Vereinigten Linken im Europaparlament. Schäuble könne den Streit bewusst in die Länge ziehen, um Tsipras zu stürzen. „Dies ist kein neues Schuldendrama“, sagt auch Papadimoulis. „Man versucht, Griechenland zu destabilisieren“.
Finanzmärkte werden nervös
Fest steht, dass die Zeit gegen Tsipras spielt – wieder einmal. Denn im Juli werden neue Kreditrückzahlungen fällig, die die Regierung in Athen ohne neue Hilfsgelder nicht bedienen kann. Schon jetzt werden die Finanzmärkte nervös, an der Athener Börse geht es bergab. Tsipras und seine Syriza-Partei drücken daher aufs Tempo.
Als Verbündeten haben sie dabei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ausgemacht. Juncker hatte die Zusatz-Forderungen der Gläubiger unvernünftig und unrechtmäßig genannt. Allerdings hat er nun den Vertreter der EU-Kommission aus Athen nach Brüssel zurückberufen – ein Zeichen, wie ernst die Krise ist.
Ob sie doch noch vor dem Sommer gelöst werden kann, dürfte sich in den nächsten beiden Wochen zeigen: Dann will Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem ein Krisentreffen in Brüssel einberufen. Bisher gibt es aber weder einen Termin – noch einen Lösungsvorschlag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren