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Schulbesetzung in GöttingenFreiwillig nachts in der Schule

In Göttingen haben Dutzende Schülerinnen und Schüler zwei Aulen besetzt. Sie fordern stärkeren Klimaschutz und die Abkehr von fossilen Energien.

Die Uni Göttingen hat es im Oktober vorgemacht: der Präsident spricht zu den Be­set­ze­r:in­nen Foto: End Fossil Göttingen

Göttingen taz | Ihre Zentrale habe die Besetzer im „Forum“, dem offenen Veranstaltungsbereich der Göttinger Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule, errichtet. An den Wänden und von der Decke hängen Transparente. „Besetzt!“ steht auf dem größten, und: „Für eine lernenswerte Zukunft und eine klimagerechte Welt“. Auch Wandzeitungen informieren über die Anliegen der Besetzer.

In Kleingruppen diskutieren einige Mädchen und Jungen, andere machen sich Notizen und bereiten sich auf das bevorstehende Plenum vor. Die Eindrücke stammen vom Mittwoch – am Donnerstag untersagte Schulleiterin Tanja Laspe Journalisten den Zutritt zu dem Gebäude.

Seit Montag halten Dutzende Schülerinnen und Schüler, die der Initiative „End Fossil: Occupy!“ nahestehen, aus Protest gegen – nicht nur – ihrer Ansicht nach völlig unzureichenden Klimaschutz Teile von zwei Schulen in der Stadt besetzt. Auch die Aula des Hainberg-Gymnasiums am Rande des noblen Göttinger Ostviertels haben sie in Beschlag genommen.

„Wir lernen in der Schule für die Uni, Ausbildung und Arbeit, also für eine Zukunft und Aussichten auf Karriere“, sagt Noa Giesge, eine der Besetzerinnen. „Doch unsere Perspektive ist Klimakrise, also eine kaputte Zukunft und nicht Wohlstand. Deswegen nehmen wir uns diesen Ort, den wir täglich besuchen müssen.“

40 Schlafsäcke im Klassenzimmer

Es gebe „keine andere Wahl, als unseren Protest mit einer neuen Aktionsform – Schulbesetzungen – auszudrücken, um endlich eine notwendige wirkliche Veränderung herbeizuführen“. Ziel sei es, einen „Aufschrei zu generieren“, ergänzt Gesamtschüler Josh. Das sei bislang nicht gelungen, weil alles „so kuschelig“ ablaufe.

Florian Burgen von „End Fossil: Occupy!“ verweist darauf, dass die Klimaschutzbewegung „schon sehr lange demonstriert, aber die Klimakrise wird immer schlimmer“. Da die von „Fridays for Future“ angestoßenen Klimastreiks nicht zu den notwendigen politischen Schritten geführt hätten, „müssen wir von den Straßen in die Schulen gehen, um ein allumfassendes gesellschaftliches Umdenken in unserem Umfeld anzuregen und gleichzeitig die Regierung zum Handeln aufzufordern“.

Es habe zwar teilweise ein Umdenken mit Blick auf das Konsumverhalten stattgefunden, sagt Burgen. „Nun muss auch ein systematisches Umdenken geschehen.“ Große Säulen der Gesellschaft und Infrastruktur, vor allem der Energie- und Verkehrssektor, beruhten auf einem fossilen Wirtschaftssystem, das eine schnelle klimafreundliche Transformation verhindere. Das sei zu überwinden.

Die Göttinger Gesamtschule, eine IGS, blieb auch über Nacht besetzt. Von Montag auf Dienstag übernachteten etwa 40 Jugendliche in Schlafsäcken in einem Klassenraum, in den darauffolgenden Nächten bröckelte die Beteiligung nach Angaben von Ak­ti­vis­t:in­nen etwas ab.

Mail an die Eltern

Die Schulleitung organisierte einen Sicherheitsdienst. Der sollte nachts das Gebäude bewachen und kontrollieren, dass nur Personen Zutritt erhalten, die von den Besetzern als Klima-Protestler identifiziert werden.

Schulleiterin Laspe wandte sich in einer Mail an die Eltern der Schüler: Eine Übernachtung in der Schule werde zunächst ermöglicht. Das Sicherheitspersonal solle gewährleisten, dass die Jugendlichen im Gebäude geschützt blieben und sich Außenstehende nicht unerlaubt dem Protest anschlössen.

Es sei das Ziel der Schule, die Mädchen und Jungen „auf dem Weg zu kritischen, gesellschaftspolitisch bewussten Menschen“ zu unterstützen. Eine Anfrage der taz wollte Laspe am Donnerstag nicht beantworten.

Von außen erfahren die Schüler Solidarität: Bioläden spendeten Lebensmittel, Eltern kochten. Bisher ist kein Ende in Sicht.

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1 Kommentar

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  • Sehr gut.

    Schafft zwei, drei, viele Göttingen!