Klimaaktivist:innen im Hörsaal: Unterbrochener Normalzustand
Klimaaktivist:innen halten an der TU Berlin einen Hörsaal besetzt. Sie wollen, dass Lehre und Forschung die Klimakrise in den Fokus rückt.
Seit Donnerstagabend halten Aktivist:innen der Gruppe EndFossil:Occupy den Hörsaal besetzt. Unter anderem fordern sie die Universitätsleitung dazu auf, Klimagerechtigkeit zu einem „integralen Bestandteil der Lehre und Forschung“ zu machen und den Universitätsbetrieb zukünftig nicht mehr durch „fossile Finanzierung“ zu fördern.
„Gestern Abend haben wir zu einer studentischen Vollversammlung eingeladen und unsere Forderungen vorgestellt. Mit dem Ende der Versammlung wurde die Besetzung ausgerufen“ erklärt Mino, der seinen Nachnamen nicht nennen will. Zusammen mit 20 weiteren Aktivist:innen hat der 23-jährige Soziologiestudent die Nacht von Donnerstag auf Freitag im Hörsaal verbracht. „Es war eine angenehme Nacht, die Stimmung war gut“ erzählt Mino.
Nur kurz soll sie gewesen sein, denn vor dem Besuch der Universitätspräsidentin, Prof. Dr. Geraldine Rauch, die sich für acht Uhr morgens angekündigt hatte, musste der Forderungskatalog noch einmal durchgesprochen werden. „Wir hatten zwar schon Forderungen formuliert, aber wollten die Studierendenschaft in die Finalisierung miteinbeziehen“ erklärt Sebastian Leukert. Er hat die Ortsgruppe EndFossil Berlin vor gut zwei Monaten mit ins Leben gerufen.
Klimaschutz-Aktivist*innen der Letzten Generation haben die Autobahn von Berlin zum Flughafen blockiert. Mehrere Männer und Frauen saßen am Freitagvormittag auf der Straße kurz vor der Abfahrt zum Flughafen, wie Reporter berichteten und auf Fotos der Initiative zu sehen war. Es kam zu einem längeren Stau. Die Aktivist*innen teilten mit, ihre Mitglieder seien mit mehreren Autos nebeneinander auf der Autobahn immer langsamer gefahren, vor der Abfahrt hätten sie gehalten, die Autos quer gestellt, seien mit Warnwesten und Transparenten ausgestiegen und hätten sich auf der Straße festgeklebt. Die Gruppe hatte Anfang der Woche angekündigt, nach zahlreichen Blockaden von Autobahnausfahrten und Straßenkreuzungen „auch friedlich Flughäfen lahmzulegen“. Sie fordert mehr Maßnahmen gegen den Klimawandel, etwa ein Tempolimit auf Autobahnen und billigen Nahverkehr. Seit Anfang des Jahres laufen die Blockaden in vielen deutschen Städten. Die Polizei hat Hunderte Strafverfahren wegen Nötigung und Widerstand eingeleitet. (dpa)
Mit der Universitätspräsidentin Rauch stehe die Gruppe seit der Besetzung in engem und „kooperativen“ Kontakt, erklärt Leukert, der ebenfalls Soziologie an der TU studiert. Gegenüber der taz bestätigt Rauch ihre generelle Unterstützung: „Es ist wichtig und toll, dass Studierende aktiv werden und sich für unsere globalen Herausforderungen engagieren und sich dafür einsetzen, dass wir alle Verantwortung übernehmen.“ Zwar lägen nicht alle Forderungen im Ermessen der Hochschulleitung, „aber soweit wir können, werden wir versuchen, sie zu unterstützen“ so Rauch. Besonders die „schöne und konstruktive“ Umgangsform der Protestierenden begrüßt Rauch.
„Wir wollen nicht randalieren, sondern bilden“, versichert Manar, die ihren Nachnamen auch nicht nennen möchte. Ein Stundenplan auf der rechten Tafel illustriert, wie diese Bildung aussehen soll: Es gibt Vorträge der Initiativen Genug ist Genug und DebtforClimate über die Verkehrswende und die Proteste in Lützerath. „Es gibt aber auch musikalisches Programm und Filmscreenings, damit die Stimmung gut bleibt“, so die 19-jährige Bacherlorstudierende.
Die Gruppe lädt alle Interessierten ein vorbeizukommen und den „Ort in einen lebendigen und warmen Raum des Widerstandes zu verwandeln“. Wichtig ist den Aktivist:innen aber, dass man „zärtlich miteinander“ umgeht und auf die Bedürfnisse anderer achtet. Damit FLINTA* nachts einen Rückzugsort haben, wurde ein abgetrennter Raum am oberen Ende des Hörsaals eingerichtet. Am Freitagabend möchte die Gruppe in einer Küche in einem studentisch verwalteten Raum im Unigebäude gemeinsam kochen. Auch dieser Ort wurde 2018 durch studentischen Protest geschaffen.
Die Berliner Besetzung reiht sich in eine Serie von Universitätsbesetzungen ein, die seit September 2022 Deutschland und europaweit stattfinden. Nachdem am 24.Oktober in Göttingen die erste Universitätsbesetzung ausgerufen wurde, folgten Aktionen in Marburg, Freiburg, Köln und weiteren Städten. Seit dem 16. November halten Aktivist:innen unter dem Motto „Die Erde brennt“ einen Hörsaal der Uni Wien besetzt, und die Gruppe EndFossil Barcelona hat durch ihre Besetzungen erste Erfolge erzielt: ab 2024 werden alle 14.000 Studierenden der Universität Barcelona ein Pflichtmodul über die Klimakrise belegen.
Manar, die schon längere Zeit in der Klimabewegung aktiv ist, findet den Strategiewandel von Schulstreiks zu Besetzungen wichtig, um die Dringlichkeit auszudrücken, mit der Klimagerechtigkeit umgesetzt werden muss. „Bislang haben wir bis zu 100.000 Menschen auf die Straße gebracht, und trotzdem hat das nicht genug Druck ausgeübt, um Politiker:innen dazu zu bringen, stringent zu handeln“ so die junge Studentin. Sebastian Leukert zieht Mut aus den Erfolgen der 68-Bewegung, frustriert ist er allerdings über die ausbleibende Beteiligung jener Generation „die früher Universitätsbesetzungen mit großer Effizienz betrieben hat“.
Wie lange die Aktivist:innen bleiben werden, sei noch nicht entschieden:„Das hängt von den Verhandlungen mit der Universitätsleitung ab, aber auch von der Beteiligung anderer Studierender“. Die drei Studierenden sind sich aber einig darin, dass man über die Besetzung über das Wochenende hinaus halten wolle.
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