Schreiben von Ex-Generälen in Frankreich: Papierputschisten proben Aufstand
In einem offenen Brief fordern ehemalige Militärs eine Intervention in Frankreich – und rufen zum blutigen Putsch auf. Ansonsten drohe der „Zerfall“.

Französischer Soldat in Algerien 1962 Foto: Horst Faas/ap
PARIS taz | Darf man in Frankreich ungestraft zu einem Militärputsch aufrufen? In einem vom Wochenmagazin Valeurs actuelles publizierten offenen Brief erwägen zwanzig Generäle und rund tausend weitere unterzeichnende Militärs allen Ernstes eine „Intervention“ der Streitkräfte, um in Frankreich Ordnung zu schaffen und mit dem „Islamismus und den Horden der Banlieue“ aufzuräumen. Mit diesen „Horden“ sind Migranten aus Nordafrika in den Vorstädten gemeint.
Weder das rassistische Feindbild noch der Tag der Veröffentlichung waren zufällig gewählt: Am 21. April vor exakt 60 Jahren haben im damals französischen Algerien unter Führung von vier Generälen die Militärs einen Putsch gegen die Staatsführung von Charles de Gaulle organisiert, um die Unabhängigkeit Algeriens zu verhindern. Die Bezugnahme auf die extreme Rechte, die nach dem Scheitern des Putsches von 1961 mit der terroristischen Geheimarmee OAS in den Untergrund ging, ist Teil des Programms.
Wie damals sehen die selbsterklärten „Patrioten“ die Nation wegen der „Nachlässigkeit“ der Regierung in Gefahr. Heute ist nicht ein Kolonialreich im Untergehen, es sind die „Grundwerte unserer Zivilisation“, die vom „Zerfall“ bedroht seien.
Die Unterzeichnenden würden befürchten, dass das „Laisser-faire“ der Regierenden „sich unweigerlich ausbreiten und mit einer Explosion und einer Intervention unserer Kameraden im Aktivdienst (im Rahmen) einer gefährlichen Mission zum Schutz unserer Landsleute“ enden werde, bei der mit „Tausenden von Toten“ zu rechnen sei.
Le Pen teilt die „Besorgnis“
Die Drohung mit einem blutigen Putsch ist explizit. Dennoch hat Marine Le Pen diese Initiative herzlich begrüßt und erklärt, sie teile völlig „ihre Analyse und ihre Besorgnis“. Das entspricht ganz der Geschichte ihrer Partei, die von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen mit Ehemaligen der OAS gegründet worden war. Dass sich Le Pen heute nicht abgrenzt, könnte sich bei der Präsidentschaftswahl 2022 als Fehler erweisen. Seit Jahren bemühte sie sich, mit einer „Entdiabolisierung“ ihr rechtsextremes Rassemblement National salonfähig zu machen.
Die Linke läuft Sturm gegen die Papierputschisten und Le Pens sträfliche Sympathien – und gegen das zunächst betretene Schweigen der Staatsführung. Als erstes Regierungsmitglied reagierte Industrieministerin Agnès Pannier-Runacher. Sie verurteilte im Fernsehen „den Aufruf zum Aufstand einer Handvoll von Pantoffelgenerälen“.
Die meisten der ranghohen Offiziere sind im Ruhestand oder wurden wegen rechtsextremer Umtriebe aus der Armee ausgeschlossen. Verteidigungsministerin Florence Parly will nun klären, ob unter den Möchtegern-Putschisten Leute im aktiven Dienst sind, die mit „Sanktionen“ rechnen müssten.
Leser*innenkommentare
Philippe Ressing
Zur Tradition der französischen Armee gehören blutige Kolonialkriege wie in Algerien oder Indochina. Das Militär war auch in der Republik immer ein Hort für Antidemokraten: Von den Massakern an 17 000 Parisern während der Commune vor 150 Jahren, über die antisemitische Dreyfus-Affaire bis zum 'Held von Verdun, Philippe Petain. Dieser war ein waschechter Antidemokrat und kolaborierte deshalb mit dem Nazi-Besatzungsregime. Und trotz historisch belegter militärischer Unfähigkeit in Kriegszeiten - ist das Militär aber noch für die 'Grande Nation' unantrastbar. Mit der Fremdenlegion leistet sich der Staat immer noch eine Formation für die 'Drecksarbeit'.....
nzuli sana
ich bin schockiert. Solche Verhältnisse sind das in Frankreich.
Der Rechtsruck auf allen Ebenen. Wer mit Einwohnern der Banlieues redet, wird Islam-gauchist genannt.
Lowandorder
Ist es auch Wahnsinn - So hat es doch Methode.
unterm——
Fitze mich gerade durch “Adieu Paris“ -
von Daniel Anselme & kann es nicht fassen.
www.spiegel.de/kul...ion-a-1064975.html
&
www.perlentaucher....e/adieu-paris.html
& klar - OAS -
de.wikipedia.org/w...3%A9e_secr%C3%A8te
Nich zu fassen - 😱-
Lowandorder
@Lowandorder Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - ergänzt:
“OAS - ' selbsterklärten „Patrioten“ '
Was bringen uns die Patrioten?
Eine große Zahl von Toten.
Hier ist zu lesen, was vorausging. Überraschend: taz.de/Philosoph-P...espraech/!5763709/
Ein Auszug: "Die Krise ist eine große Arbeitgeberin, und aus dem ideologischen Chaos entspringen immerzu wilde Karrieren, in die man nur im Modus der Selbsternennung gerät..."