Schlimmer Wohnen in Bremen: Zehn Duschen für 250 Menschen

Die BewohnerInnen eines Hochhauses im Bremer Stadtteil Tenever haben schon seit einem Monat kein Gas mehr – und ein weiterer wird folgen.

Zwei nur über Treppen begehbare Dusch-Container

Hier müssen 250 Menschen duschen – wenn sie überhaupt die Treppen hochkommen Foto: Simone Schnase

BREMEN taz | Heike Groth wohnt eigentlich in der Neuwieder Straße 3 in Tenever. Zurzeit allerdings lebt sie bei ihrer Tochter, denn Groth ist auf einen Rollator angewiesen, und mit dem kommt sie die Stufen zum Duschcontainer nicht rauf. Der wurde aufgestellt, weil den BewohnerInnen des Hochhauses das Gas abgestellt wurde. Die zehn Duschzellen müssen sich über 250 Menschen teilen – und das wohl noch einen ganzen Monat lang.

Seit vielen Jahren schon gibt es in Tenever zwei „Problemimmobilien“: Die Neuwieder Straße 1 und 3. Anders als der größte Teil der restlichen Häuser gehören sie nicht der teilstädtischen Gewoba, sondern wechseln ständig die Besitzer, die sich – um es milde auszudrücken – wenig um das Wohlergehen der MieterInnen kümmern.

„Seit zwei Jahren ist um das Haus herum ein Bauzaun angebracht, weil die Balkone bröckeln“, sagt Groth. Woanders würde renoviert – hier wird lediglich ein Schutz vor herabfallendem Putz und Beton aufgestellt. Die Tiefgarage sei vor fünf Jahren stillgelegt statt saniert worden und: „Wer hier neu einzieht, bekommt keinen Keller mehr – der vorhandene wird einfach dichtgemacht.“

Und nun hat das Haus kein warmes Wasser mehr. Am 4. Juli sprangen die Flammen eines wohl durch Brandstiftung verursachten brennenden Müllcontainers auf das Haus über, zerstörten Teile der Fassade und Fenster bis in den siebten Stock und beschädigten eine Gasleitung. Der aktuelle Eigentümer des Hauses, die ZBI Gruppe aus Erlangen, ließ aus Sicherheitsgründen die komplette Gasversorgung des Hauses kappen.

„Erst drei Wochen später stellte die Hausverwaltung die Duschcontainer auf“, sagt Quartiersmanagerin Katrin Höpken. Die würden von den BewohnerInnen aber kaum genutzt: „Viele wollen wegen Corona nicht in die winzigen Zellen und viele können sie nicht benutzen, weil es vorgeschriebene Duschzeiten gibt – wer arbeiten geht, ist dann gar nicht zu Hause.“

Heike Groth, Anwohnerin

„Seit zwei Jahren ist ein Bauzaun angebracht, weil die Balkone bröckeln“

Höpken hat am gestrigen Donnerstag gemeinsam mit dem Mütterzentrum Tenever einen Infostand an der Neuwieder Straße aufgebaut, damit die BewohnerInnen wissen, wo sie Hilfe bekommen, und damit sie sich vernetzen können. Auch Ortsamtsleiter Ulrich Schlüter (CDU) ist gekommen. Tags zuvor gab es bereits eine Bewohnerversammlung, zu der, so erzählt er, auch die Hausverwaltung eingeladen gewesen sei. „Aber die hat direkt abgesagt.“ Sie habe immerhin versprochen, die Ergebnisse „auf Machbarkeit zu prüfen.“

Was genau da geprüft werden soll, ist dem Eigentümer freilich in weiten Teilen schon lange bekannt. Neu hinzugekommen ist allerdings: „Die Feuerwehr hat nach dem Brand in den Wohnungen Asbest gemessen“, sagt Schlüter. „Ein paar Tage später hat ein Gutachter der Hausverwaltung dann behauptet, es sei nichts nachgewiesen worden – da fragt man sich doch, wo das plötzlich geblieben sein soll!“

Auch auf Anfrage der taz sagt die „Zentral Boden Vermietung und Verwaltung GmbH“ (ZBVV): „Die direkt vom Brand betroffenen Wohnungen wurden bereits überprüft, es wurden hier keine Schadstoffe festgestellt.“ Dass es nur Duschen mit Treppen gibt, begründet sie mit „der räumlichen Situation“, aufgrund derer „eine Aufstellung barrierefreier Duscheinrichtungen nicht umsetzbar“ gewesen sei. Weitere Nachfragen dazu ließ die ZBVV unbeantwortet.

In Tenever soll nun eine Arbeitsgruppe entstehen: „Mit dem Quartiersmanagement, dem Bauamt und dem Beirat wollen wir aufgrund der akuten Situation einen Maßnahmenkatalog zusammenstellen“, sagt Schlüter. Er wünsche sich aber auch einen Plan für die Zukunft, „damit man beim nächsten Mal besser gewappnet ist.“

Heike Groth indes wünscht sich, dass die Gewoba die zwei „Problemimmobilien“ in der Neuwieder Straße übernimmt. Das aber wird wohl vorerst Wunschdenken bleiben: „Dazu gehört ein Verkäufer – niemand will hier verkaufen“, sagt Manfred Corbach von der Gewoba. Hinzu kommt: „Wir haben in Tenever keinen Handlungsbedarf, wir haben dort ausreichend Wohnungen“, so Corbach. Er könne den MieterInnen nur raten, massiv die Miete zu kürzen.

Zumindest für den aktuellen Fall wird das nichts mehr nützen: Erst am 17. August soll mit der Reparatur der Gasleitungen begonnen werden. Diese Arbeiten sollen voraussichtlich zwei Wochen lang dauern. Das bedeutet: kein warmes Wasser bis September.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.