piwik no script img

Schlichterspruch im BVG-TarifkonfliktWenig Begeisterung auf den BVG-Höfen

Mit dem von den Schlichtern Platzeck und Ramelow erzielten Kompromiss von BVG und Verdi ist der Tarifkonflikt beigelegt – oder doch noch nicht?

Eigentlich eher Feuer und Flamme für den unbefristeten Streik: BVG-Hof in Lichtenberg bei der Arbeitsniederlegung Ende März Foto: Michael Ukas/dpa

Berlin taz | Ist die Gefahr eines unbefristeten Streiks bei der BVG mit dem Schlichterspruch von Montagabend gebannt? Bei der Belegschaft scheint der Kompromiss nicht so gut anzukommen, den die Tarifparteien unter Vermittlung der Schlichter Matthias Platzeck (SPD) und Bodo Ramelow (Linke) ausgehandelt haben.

„Ich persönlich bin nicht begeistert von diesem Schlichterspruch und habe auch in ersten Gesprächen mit meinen Busfahrer-Kollegen eher Ablehnung wahrgenommen“, sagt Ekkehardt Spiegel, Busfahrer und Hofverantwortlicher der Gewerkschaft Verdi. „Der Vorschlag bleibt weit hinter unseren Forderungen zurück.“

Tatsächlich sind die Gehaltserhöhungen, die der Vorschlag enthält, immer noch weit von den eigentlichen Vorstellungen der Gewerkschaft entfernt. Die beinhalten eine Lohnsteigerung von 750 Euro für alle Beschäftigten. Geht es nach dem Kompromiss der Ex-Ministerpräsidenten von Brandenburg und Thüringen, Platzeck und Ramelow, würden es bei 24-monatiger Laufzeit lediglich 380 Euro mehr ab dem 1. Juni, am 1. Juni 2026 stiege dies noch einmal um 50 Euro auf 430 Euro an.

Hinzu kämen eine Einmalzahlung von 1.500 Euro für die ersten fünf Monate des laufenden Jahres sowie ein deutliches Plus bei den Zulagen: Die Fahrdienstzulage erhöhte sich am 1. Juni von 100 auf 225 und am 1. Januar auf 255 Euro. Die Schichtzulage stiege am 1. Juni von 75 auf 130 Euro, die Wechselschichtzulage von 130 Euro auf 225 Euro. Dazu käme noch ein leichtes Plus von 100 Euro beim Weihnachtsgeld.

BVG: „Sind teilweise über unsere Grenze gegangen“

Der Vorschlag sieht aber auch ein Wahlmodell bei der Arbeitszeit vor: Beschäftigte könnten ihre Regelarbeitszeit von aktuell 37,5 Stunden pro Woche auf 39 Stunden erhöhen – was sich auch in mehr Lohn niederschlagen würde. Bis 2027 sollte dann auch ein Modell entwickelt werden, bei dem auf Basis einer 35-Stunden-Regelwoche die Beschäftigten ihre Arbeitszeit freier wählen können.

„Wir sind Verdi bis an unsere wirtschaftliche Grenze entgegengekommen – und teilweise darüber hinausgegangen“, erklärte BVG-Vorständin Jenny Zeller-Grothe am Montagabend. Es gelte jetzt, „die hohe wirtschaftliche Belastung, die ein Abschluss in dieser noch nie dagewesenen Höhe für die BVG mit sich bringt, stabil und verantwortungsvoll zu managen“.

Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt fand: „Unsere Geschlossenheit und Entschlossenheit hat sich ausgezahlt.“ Vor allem die deutlichen Steigerungen bei den Zulagen seien hervorzuheben. „Wir werden jetzt mit der Tarifkommission intensiv diskutieren, ob diese Empfehlung eine Grundlage für eine Einigung sein kann“, so Arndt.

Die Kommission wird aller Voraussicht nach am Donnerstag den Verdi-Mitgliedern die Zustimmung zu dem Kompromiss empfehlen. Die folgende Mitgliederbefragung, die einige Zeit in Anspruch nehmen wird, fungiert dann als eine Art umgekehrte Urabstimmung: Wenn die Beschäftigten sich aufraffen, dem Vorschlag zuzustimmen, wird nicht gestreikt.

Kein Streik während der Friedenspflicht

Bei der jüngsten „echten“ Urabstimmung hatten sie sich nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Verdi und BVG für einen unbefristeten Streik ausgesprochen. Das Ergebnis fiel allerdings schon in die laufende Schlichtungsrunde. Die Friedenspflicht – also der Verzicht auf Ausstände – soll auch jetzt noch bis zum Ergebnis der Befragung gelten.

Für die BVG dürfte es so oder so eine Menge Geld werden, die sie aufbringen muss – über den im Verkehrsvertrag mit dem Land Berlin garantierten Aufwuchs des Etats für steigende Gehälter hinaus. Beim letzten BVG-Angebot vor der Schlichtung rechnete das Unternehmen bereits vor, dass es in zwei Jahren Tariflaufzeit 500 Millionen Euro werde drauflegen müssen. Hinter den Kulissen geht es längst um die Frage, wo beim Service oder in der Verwaltung größere Summen eingespart werden können.

Durch und durch positiv aufgenommen wurde der Kompromiss von der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus: Am Dienstag erklärte deren Sprecher für die BVG, Ex-Finanzsenator Mathias Kollatz, der Vorschlag der Schlichter sei „durchdacht“ und werde hoffentlich von beiden Seiten angenommen. „Er sichert gute Arbeit und setzt den Ansporn für die BVG, produktiver und moderner zu werden.“

Allerdings ist der Sozialdemokrat ja schon seit ein paar Jahren nicht mehr Chef des Finanzressorts. Dem amtierenden Senator – Stefan Evers vom Koalitionspartner CDU – dürften die zusätzlichen Ausgaben des landeseigenen Unternehmens eher keine Freudentränen in die Augen treiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • 1. Danke, dass keine "Prozentangaben" über X Monate Laufzeit im Text auftauchen. Denn diese müssne immer auf 12 Monate bezogen sein.



    2. Das Verhandlungsergebnis "Bis 2027 sollte dann auch ein Modell entwickelt werden, bei dem auf Basis einer 35-Stunden-Regelwoche die Beschäftigten ihre Arbeitszeit freier wählen können." ist natürlich Mummenschanz.



    "Sollte" sollte vieles. Reine Traumformulierung.

  • In meiner Wohngegend gibt es durchaus ein paar Buslinien, die man einsparen kann. Es gibt Doppel- oder Parallel- Fahrten.



    Die einzige Frage ist, wie weit ist Laufen bis zur nächsten Haltestelle oder S-Bahn Station zumutbar.



    Dank Deutschland- Ticket kann man den Fahrpreis nicht erhöhen.



    Wie sonst meint ihr denn, kann man noch das Geld wieder reinholen?

  • Das ist die erste gute Nachricht im Tarifkonflikt, dass "hinter den Kulissen" längst über Einsparungen bei Service und Verwaltung gesprochen wird.

    Genau da ist der Absatz. Die BVG unterhält Abteilungen, die nichts, aber auch gar nichts, mit fer Beförderung von Fahrgästen zu tun haben.