piwik no script img

Schlechte Prognosen für EinzelhandelKaum noch Lustshoppen

Viele Einzelhändler befürchten, dass sie die Coronakrise nicht überstehen werden. Die grüne Wirtschaft ist optimistischer.

Gemütlicher Einkaufsbummel gerade nicht angesagt: Shoppen mit Maske macht nicht wirklich Spaß Foto: Daniel Reinhadt/dpa

Es sind keine guten Zahlen, die der Handelsverband Deutschland (HDE) kürzlich veröffentlichte: Mehr als jeder dritte Einzelhändler fürchtet wegen der Coronapandemie um seine Existenz – davon ausgenommen sind Geschäfte, die Lebensmittel verkaufen. Bei einer Umfrage unter 400 Unternehmen gaben 80 Prozent an, für die Zukunft der Branche schwarzzusehen.

Und nicht nur sie rechnen damit, dass es in deutschen Innenstädten bald eine Insolvenz­welle geben wird. Laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform könnten viele Geschäfte in diesem Herbst pleitegehen. Düstere Aussichten also für den Einzelhandel.

Optimistischer ist dagegen die grüne Wirtschaft: Nachhaltige Unternehmen nehmen die Coronakrise bei Weitem nicht so existenzbedrohend wahr wie der Rest der Branche. „Die Unternehmen sind in der Krise deutlich resilienter“, sagt Katharina Reuter, Geschäftsführerin von Unternehmensgrün.

84 Prozent der Mitglieder dieses Bundesverbands der grünen Wirtschaft seien zuversichtlich, gut durch die Krise zu kommen. Das liege unter anderem daran, dass sich die Firmen besser gegen Risiken absichern und auch nachhaltiger wirtschaften, sagt Reuter. So hätten einige von ihnen Teile ihrer Gewinne beispielsweise für Krisenzeiten ­zurückgelegt.

Weniger Umsatz, gleiche Kosten

Die meisten Händler in Deutschland haben solche Rücklagen aber nicht. Sie leben von dem, was sie verkaufen – und leiden darunter, dass während der Coronakrise viele Umsätze ausblieben. „Diese Einnahmen sind verloren“, sagt Stefan Hertel, Pressesprecher beim HDE. Und auch jetzt noch, wo es im Handel immer mehr Lockerungen gibt, verzeichneten viele Händler deutlich weniger Umsätze, als sie gewohnt seien – bei gleichbleibenden Kosten. Bis zu 50.000 Handelsstandorte könnten deshalb wegfallen, schätzt Hertel.

Dass der Einzelhandel bald wieder Spitzenumsätze einfahren wird, ist eher unwahrscheinlich. „Wir beobachten eine große Zurückhaltung bei den Konsumentinnen und Konsumenten“, sagt Kai Hudetz vom Institut für Handelsforschung in Köln. Aktuell gingen die meisten Leute nur in die Stadt, um eher gezielt etwas zu kaufen – das spontane Lustshoppen bleibe tenden­ziell aus. Die Menschen verweilten wesentlich kürzer in den Innenstädten. Wegen der Maskenpflicht und der Hygienevorschriften versuchten sie, ihre Einkäufe so schnell wie möglich zu erledigen.

„Ein gemütlicher Einkaufsbummel ist eher nicht angesagt“, sagt auch Hertel. Und selbst wenn es weitere Lockerungen geben sollte und das Shoppen wieder angenehmer würde: Die Stimmung der Konsumenten wird sich so schnell nicht bessern, schätzt Hudetz. Auch diejenigen, die aktuell noch nicht finanziell betroffen sind, sorgten sich um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise, fürchteten eine zweite Welle und Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit. „Die Angst, dass es einem schlechter gehen könnte, dämpft den Konsum“, erklärt Hudetz.

Nachhaltigkeit zahlt sich aus

Aber warum ist die grüne Wirtschaft dann so optimistisch? Selbst wenn sich Geschäfte gegen Risiken abgesichert haben, schützt das nicht ewig – bleiben Ökohändler etwa von der gedämpften Stimmung unberührt? „Es ist sicher nicht alles rosig“, gibt Reuter von Unternehmensgrün zu. Gerade stationäre Läden lebten von Stammpublikum und spürten eine abnehmende Nachfrage. Gleichzeitig profitiere die Branche aber davon, dass während der Krise vieles, was mit Nachhaltigkeit zu tun hat, stärker in den Vordergrund gerückt ist. Zum Beispiel der Wunsch, Dinge selbst zu machen – etwa eigenes Brot.

„Brotbackautomaten hatten fast schon Sonderkonjunktur“, sagt Kai Hudetz. Und auch Stefan Hertel vom HDE beobachtet, dass sich der Wunsch, regio­nale und nachhaltige Produkte zu kaufen, während der Krise verstärkt hat. „Aber ein Massenmarkt ist das nicht“, betont er.

Für den Einzelhandel in der Summe komme es deshalb jetzt vor allem darauf an, wann sich die Lage normalisiert – und die Kunden wieder unbeschwert einkaufen können. „Viele Händler sind in einer sehr schwierigen Situation – Insolvenzen stehen unmittelbar bevor“, sagt Hertel. Sie hofften nun darauf, dass die Überbrückungskredite vom Bund schnell ausgezahlt werden. Klar sei aber auch, dass man nicht ewig überbrücken kann. „Deshalb bleibt nur zu hoffen, dass die Coronakrise schnell vorbeigeht“, so Hertel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Es ist eine gute Nachricht, dass viele Menschen dazu übergegangen sind, nur noch das zu kaufen, was sie wirklich brauchen. Langfristig wird unser Planet davon profitieren, dass nicht permanent lust-geshoppte Kleidung nach wenigen Monaten wieder entsorgt wird. Kurzfristig ist dieser Strukturwandel für den Handel natürlich hart. Aber wollten wir nicht, dass sich etwas ändert?

    • 9G
      90857 (Profil gelöscht)
      @Winnetaz:

      "Was sie wirklich brauchen"

      ist mit Sicherheit sehr subjektiv zu verstehen; darf natürlich, ganz ohne zu missionieren, gern diskutiert werden.

  • Kann aus gesundheitlichen Gründen die Maske nicht länger aufsetzen. Hatte bereits zu Beginn der Maskenpflicht mit Security-Personal in Geschäften immer wieder Diskussionen, weil ich darauf hingewiesen wurde, das ich die Maske über die Nase ziehen soll. Dann bekomme ich allerding innerhalb kürzester Zeit Beklemmung, Atemnot und Schwindelgefühl. Bin es mittlerweile leid, mich bei Einkäufen immer wieder erklären und rechtfertigen zu müssen. Darum kaufe ich nur noch ein, was unbedingt notwendig ist. Bekleidung und anderes Nonfood kaufe ich so gut wie nicht mehr ein. Online-Shopping für Bekleidung kommt für mich, wegen der hohen Rücksendequoten nicht in Frage. Die Maskenpflicht für Menschen wie mich, ist grosser Mist. Man fühlt sich dadurch schon fast ausgegrenzt und wird als verantwortungslos hingestellt.

    • @Raiso:

      Das verstehe ich. Ihr Hausarzt kann Ihnen bescheinigen, dass Sie keine Maske tragen können. Meine Schwiegermutter hat Lungenkrebs, auch sie kann keine Maske tragen. Trotz Bescheinigung wird sie in Geschäften schräg angeguckt und angemacht.

  • "Deshalb bleibt nur zu hoffen, dass die Coronakrise schnell vorbeigeht"

    ...und man endlich wieder zum "business as usual" zurückkehren kann.

    Wann kapieren wir, dass wir da ein strukturelles Problem haben? Preisdruck durch schonungslose Konkurrenz, angeheizt durch brutale Konsolidierung der Branche, mit schwindenden Margen? Wie sollen die Einzelhändler überhaupt Rücklagen bilden, wenn die Grossen ihre Margen nur tragen können, weil sie ihr Personal schlecht bezahlen? Wie, wenn die Konsument*innen nur noch über den Preis entscheiden? Teilweise weil sie es müssen, weil die Reallöhne schon lange stagnieren?

    Dass die "grüne" Branche da etwas besser steht liegt mitunter daran, dass sie auch höhere Preise erzielen kann. Zum Teil, weil ihre Kundschaft bereit ist, mehr auf den Tisch zu legen. Teilweise weil sie auf andere Dinge verzichtet (verzichten kann?), teilweise, weil sie ein etwas besseres Einkommen hat. Soll "Bio" immer elitär bleiben?

    Solange wir einfach nur "weiter so" machen, so lange werden wir solche Probleme haben. Die Krisen machen nur das Problem sichtbar, sie "sind" nicht das Problem.

    • 9G
      90857 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Ja, sorry ...

      kaufen jetzt oft beim bösen Amazon. Auch der kleine Buchhändler im Nachbarort hat mich seit Februar nicht mehr gesehen.

      Mit Maske und gar in der Innenstadt nur noch, wenn es unbedingt sein muß. Und wenn, dann mit dem Schadstoffmobil, ist ansonsten doch viel zu gefährlich; obwohl der hier gut angebundene ÖPNV (Straßenbahn) oft weitgehend leer durch die Gegend schaukelt.

      Und meine Frau hat noch nichtmal ein Warn-App-Phone ...

      • @90857 (Profil gelöscht):

        Kein Grund für "sorry".

        Ich wünsche mir nur, dass wir einerseits einsehen, dass wir uns in die Ecke manövriert haben, dass wir andererseits gemeinsam darüber nachdenken, wie wir wieder da herauskommen. Unter Berücksichtigung der Menschenrechte.

        Schwierig, ich weiss.

  • Kaum noch Lustshoppen... die Pandemie hat auch was gutes.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Heute bei Netto (wohlhabende kleine Gemeinde in Südhessen).

    War allein dort, weil meine Frau unter der Maske Beklemmungen bekommt. Habe nur das Nötigste gekauft, wie bereits seit rund drei Monaten. Fällt uns nicht schwer, weil schon vor Corona böse (rechte?) Prepper, die Hamsterkammern immer gut gefüllt gehalten.

    Den eigentlich gut angebundenen ÖPNV seit März nicht mehr benutzt, nur noch mit dem Euro-4 Schadstoffdiesel unterwegs. Falls unausweichlich mal nach DA, dann vom privaten Grund in das private Parkhaus unter dem Luisencenter. Schnell erledigt, was zu erledigen ist und gleich wieder weg ...

    Strafe muß sein ... oder auch nicht ... Eine Pizzeria in Laufnähe hat bereits dauerhaft geschlossen, ein Reisebüro wird wohl auch nicht mehr lange machen; und insgesamt haben wir unter dieser Konsumzurückhaltung spürbar mehr Geld auf dem Konto.