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Schlechte Bilanz beim MieterstromMieter warten weiter auf Solarstrom

Das vor gut einem Jahr verabschiedete Gesetz für Mieterstrom ist bisher ein Flop. Die Bundesregierung bleibt untätig.

Die Installation von Solaranlagen kommt auf Mehrfamilienhäusern nicht voran Foto: dpa

Berlin taz | Vor gut einem Jahr waren die Erwartungen groß. Damals beschloss die Bundesregierung, dass auch Mieter künftig von der Energiewende profitieren sollen. Ein neuer Zuschuss sollte es attraktiv machen, auf Mehrfamilienhäusern Solaranlagen zu installieren und den Strom an die Bewohner zu verkaufen. „Jetzt geht es endlich los mit dem Mieterstrom in Deutschlands Metropolen“, jubelte Carsten Körnig, Chef des Solarverbands. Auch die Bundesregierung war überaus optimistisch. Sie rechnete mit einem so großen Ansturm, dass sie eine Obergrenze von maximal 500 Megawatt neuer Anlagen pro Jahr ins Gesetz schrieb.

Das wäre nicht nötig gewesen. Tatsächlich errichtet wurden nach Angaben der Bundesnetzagentur im ersten Jahr weniger als 4 Megawatt Mieterstrom-Solaranlagen – also nicht mal ein Prozent der zulässigen Menge. Über die Gründe für das Scheitern sind sich Solarverband, Mieterbund und Verbraucherzentrale weitgehend einig: Die neue Regelung ist zu kompliziert und wirtschaftlich nicht attraktiv genug, kritisierten sie in einer Stellungnahme.

Für Eigenheimbesitzer ist der Betrieb einer kleinen Solaranlage eine ziemlich simple Sache: Sie verbrauchen einen Teil des Stroms selbst und zahlen dafür keinerlei Abgaben und Umlagen; den Rest speisen sie zu einem festen Tarif ins Netz ein. Auf einem Mehrfamilienhaus ist die Sache ungleich komplizierter.

Dort muss auch auf den selbst verbrauchten Strom die sogenannte EEG-Umlage bezahlt werden, mit der der generelle Ökostrom-Ausbau finanziert wird; im Gegenzug erhalten die Betreiber durch das Gesetz nun einen Zuschuss, der aber nur die Hälfte bis ein Drittel der EEG-Umlage abdeckt. Zudem ist meist ein Dienstleister nötig, der sich um die Abrechnung mit den einzelnen Mietparteien kümmert und der jenen Anteil des Stroms beschafft, der nicht vom eigenen Dach stammt. Und jeder Bewohner kann frei entscheiden, ob er den Solarstrom vom eigenen Dach überhaupt nutzen möchte.

Große Hürden

„Für die Mieter ist das in vielen Fällen bisher wirtschaftlich nicht interessant“, meint Stefan Bentrop vom Deutschen Mieterbund. Zwar muss der Strompreis 10 Prozent unter dem Tarif des örtlichen Grundversorgers liegen – kann aber trotzdem höher sein als bei anderen, preiswerten Anbietern. Umgekehrt meint Christoph Rasch vom Stromanbieter Greenpeace Energy, der diverse Mieterstrom-Projekte betreibt, dass viele Anlagen schon jetzt wirtschaftlich kaum darstellbar seien. „Die Hürden sind sehr viel größer, als wir vor einem Jahr gedacht haben“, sagte er der taz.

Die Verbände fordern darum, die Ungleichbehandlung des Solarstromverbrauchs von Eigenheimbesitzern und Mietern komplett gleichzustellen, um den Mieterstrom wirtschaftlich attraktiver zu machen. Zugleich sollten bürokratische Hürden abgebaut werden – etwa das Verbot, auch Nachbargebäude zu beliefern, oder die Gefahr, dass Wohnungsgesellschaften durch das Stromgeschäft ge­werbe­steuerpflichtig werden.

Die Hürden sind sehr viel größer, als wir gedacht haben

Christoph Rasch, Greenpeace Energy

Zumindest diese Forderung findet sich auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD wieder. Konkrete Pläne, das Gesetz zu ändern, gibt es aber nicht. Man beobachte derzeit die Wirkungen, sagte eine Sprecherin der taz; bis Ende September ist ein Bericht geplant. Große Fortschritte erwartet Udo Sieverding, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale, dabei nicht. „Mein Eindruck ist, dass das Wirtschaftsministerium den Mieterstrom gar nicht wirklich will“, sagte er der taz.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat wiederholt die Sorge geäußert, dass Strom für die übrigen Nutzer teurer wird, wenn mehr Menschen selbst erzeugte Energie nutzen. Darum hatte die Regierung kürzlich auch auf die Aufweichung einer EU-Richtlinie gedrängt, die zunächst alle Abgaben auf selbst verbrauchten Strom verbieten sollte. Nun sind dort Ausnahmen vorgesehen, sodass Deutschland seine Gesetze vor­aussichtlich nicht anpassen muss.

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3 Kommentare

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  • Das die EEG-Umlage daran schuld sein soll, ist sicherlich falsch, das lässt sich nachrechnen.



    Die anderen Kostenanteile wie Konzession, Stromsteuer, Netzentgelte, usw, die sich der Vermieter in die Tasche steckt, übertrifft die die rund 4 ct "Umlage-Belastung" die am Ende als "Kosten" auftreten, bei weitem.



    Viel wichtiger aber ist, was im Artikel gar nicht erwähnt wird, dass der so genannte Eigenverbrauch durch die vielen Wohneinheiten viel größter wird, ein echter Renditeturbo.



    Kalkulatorisch ergeben sich, nachgerechnet mit dem ISFH-Tool Renditen um die 10%, das ist mit einer privaten EFH Anlage nicht drin.

    Daran liegt also nicht, auch nicht an dem Lieferverbot an die Nachbarn.



    Eher doch vermutlich am organisatorischen Aufwand, der getrieben werden muss, das Rumgezackere mit den Mietern (die nebenbei praktisch keine Vorteile erwarten, denn der Vermieter wird denen nichts schenken).

    Der Ärger ist ja aus "ökologischer" Sicht vielmehr, dass ausgerechnet in den Innenstädten keine verbrauchsnahe PV-Anlagen gebaut werden.

  • "Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat wiederholt die Sorge geäußert, dass Strom für die übrigen Nutzer teurer wird, wenn mehr Menschen selbst erzeugte Energie nutzen."



    Toll das ein Wirtschaftsminister das Prinzip von Angebot und Nachfrage beherrscht :o



    Eine geringere Nachfrage nach normalem Strom führt demnach zu höheren Preis?!?- Alter, maier ...

    " das Verbot, auch Nachbargebäude zu beliefern"



    Haben CDU und SPD für dieses offensichtlich von EON RWE und co diktierte Verbot auch so eine tolle Begründung gefunden, warum dass für den Verbruacher sinnvoll ist wie im Eingangsbeispiel? Oder setzte man hier darauf, dass es niemnd bemerkt...

    • Malte Kreutzfeldt , Autor des Artikels, ehemaliger Redakteur
      @HerrvonSinope:

      Hallo, der Preis für die übrigen Nutzer steigt durch verstärkten Eigenverbrauch tatsächlich, vor allem weil die (unveränderten) Netzentgelte dann auf eine geringere Menge Strom umgelegt werden. Allerdings ist dieser Effekt sehr begrenzt.