Schlechte Aussichten für BremerInnen: Land der armen Jugendlichen
Fast jeder dritte Jugendliche in Bremen findet keinen Ausbildungsplatz. Jugendberatungsagentur und Ausbildungsgarantie lösen das Problem bisher nicht.

Unter dem Thema „Alle Jugendlichen befähigen“ hatte ein Bündnis aus 15 Organisationen, darunter der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Arbeitnehmerkammer, eingeladen. Schwerpunkt der Konferenz sollte die Armut unter Jugendlichen sein, mit Hauptaugenmerk auf den Weg in den Beruf und der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Über 200 Menschen hatten sich für den Kongress mit Workshops, Diskussionen und Vorträgen angemeldet.
Viele junge Menschen finden keinen Ausbildungsplatz. „Betroffen ist fast jeder dritte Jugendliche in Bremen“, berichtet Thomas Schwarzer von der Arbeitnehmerkammer. 12.000 junge BremerInnen sind auf Sozialleistungen angewiesen.
Maßnahmen der Landespolitik wurden im Vorfeld der Konferenz diskutiert, so auch die Jugendberufsagentur und die Ausbildungsplatzgarantie. Aber welche konkreten Maßnahmen und Forderungen die TeilnehmerInnen und OrganisatorInnen an die Landespolitik stellen, sollte auf der Konferenz erarbeitet und diskutiert werden.
Miriam Strunge, Linksfraktion:
Für die Linksfraktion steht fest, dass eines der Hauptprobleme der Mangel an Ausbildungsplätzen ist. „Der Senat muss darauf hinwirken, dass mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden“, fordert Miriam Strunge, ausbildungspolitische Sprecherin der Fraktion. „Es müssen die Betriebe in die Pflicht genommen werden. Sie tragen die Hauptverantwortung in der Ausbildung junger Menschen.“ Anstatt auf die Freiwilligkeit der Betriebe, solle der Senat auf Verpflichtungen und gesetzliche Regelungen setzen. Laut Strunge sollen außerdem außerbetriebliche und schulische Konzepte gefördert werden.
Ebenfalls in der Kritik steht die Jugendberufsagentur (JBA), die seit Frühling junge BremerInnen unterstützen soll. Sigrid Grönert, sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, ist der Meinung, dass die Agentur auf „sehr schlechten Füßen“ steht, da sie nicht „mit konkreten Maßnahmen unterfüttert ist“. Die JBA sei auf die schwierigen sozialen Situationen und Hintergründe der Jugendlichen nicht ausreichend vorbereitet. Die Beratung bei der JBA müsse auch mit sozialen Kompetenzen abgedeckt werden.
Die Linken kritisieren außerdem eine falsche Herangehensweise. Der Mangel an Ausbildungsplätzen werde auf die Jugendlichen übertragen, vor allem auf die Selbstverantwortlichkeit der Jugend. Die Beratung der Jugendberufsagentur schaffe keine Ausbildungsplätze und sei somit laut Strunge, „kein Mittel gegen die Ausbildungsmisere in Bremen“.
Auch die vom Senat in der vergangenen Legislatur ausgerufene Ausbildungsgarantie ist für Sigrid Grönert „schwierig, weil es zu wenig Ausbildungsplätze gibt“. Mit Mitteln von zwei Millionen Euro und 500 neu geschaffenen Ausbildungsplätzen soll allen Jugendlichen unter 25 Jahren ein Ausbildungsplatz oder eine hinführende Maßnahme garantiert werden.
Die Linke und die CDU kritisieren einhellig die Abschaffung des Armutsausschusses der Bürgerschaft. In der vergangenen Legislatur hatte ein Ausschuss zum Thema Armut und soziale Spaltung viele Maßnahmen erarbeitet wie eben die Schaffung von Jugendberatungsagenturen und der Ausbildungsplatzgarantie. Die rot-grüne Landesregierung setzte den Ausschuss nach den Wahlen aber nicht wieder ein. Laut Grönert ist ein solcher Ausschuss immer noch dringend notwendig, um Armut und die damit verbundenen Probleme sichtbar zu machen. Beispielsweise, sagt sie, wären die Jugendberufsagenturen durch einen Armutsausschuss präsenter.
Für Strunge ist Armut in Bremen auch verbunden mit der schlechten Ausbildungssituation für Jugendliche. Die Ausbildungspolitik, sagt sie, ist ein „entscheidender Faktor für eine nachhaltige Armutsbekämpfung“.
Die Bremer Armutskonferenz soll Anfang 2016 nachgeholt werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt