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Schlecht bezahlte Arbeit am Bau„Die auszubeuten, ist einfacher“

Auf einer Baustelle in Hamburg sind vier Bauarbeiter gestorben. Häufig fehlt am Bau der Arbeitsschutz, sagt eine Arbeitsrechtsexpertin.

Bauarbeiter nach dem tödlichen Unfall in der Hamburger Hafencity Foto: Bodo Marks/dpa
Interview von Daniel Wiese

taz: Frau Thombansen, was haben Sie gedacht, als Sie von dem Unfall auf der Baustelle in der Hafencity erfahren haben? Mehrere Bauarbeiter – erst hieß es aus Bulgarien, dann vielleicht doch aus auch Albanien – sind gestorben, als ein Gerüst einstürzte.

Lena Thombansen: Ich hab mich nicht gewundert. Das hätten auch gut Kunden von uns sein können. Seit elf Jahren beraten wir europäische Arbeitnehmende zum Thema Arbeitsrecht, und viele von denen kommen aus der Baubranche. Es gibt bei uns noch eine weitere Beratungsstelle, „Faire Integration“. Dort werden Drittstaatsangehörige und Geflüchtete beraten und da ist es genauso. Deswegen wissen wir schon seit langer Zeit, dass die Arbeitsbedingungen nicht immer gut sind und dass die Leute bei Subunternehmern oder Sub-Subunternehmern angestellt sind. Je tiefer in dieser Subunternehmerkette ein Bauarbeiter arbeitet, desto schlimmer sind in der Regel die Arbeitsbedingungen. Am Ende gibt es oft Firmen, die nur Soloselbständige beschäftigen.

Wie sind so ungefähr die Gewichtsverhältnisse, wie viele in der Baubranche kommen aus dem EU-Ausland und wie viele von außerhalb Europas?

Das ist wirklich schwer zu sagen. Wir machen auch Aktionen, wir gehen mit der zuständigen Gewerkschaft, der IG BAU, auf Baustellen und verteilen Flyer mit Hinweisen, an wen Arbeitnehmende sich wenden können, wenn sie Fragen haben oder wenn sie Schwierigkeiten haben. Gerade erst vor ein paar Wochen waren wir in der Hafencity, und da war es so, dass wir eine sehr bunte Arbeitnehmerschaft gefunden haben, da waren Menschen aus der Ukraine, aus Bulgarien, sehr viele Polen, aber auch aus Afghanistan, aus Syrien, das ist also wirklich komplett gemischt. Auch Albaner, Griechen waren dabei, Ungarn.

Und warum ist das so, dass sie mit Ketten von Subunternehmern arbeiten? Ist das billiger für die Bauherren? Wird da Lohndumping betrieben?

Es gibt natürlich einen tariflichen Mindestlohn, aber der wird auf verschiedene Arten und Weisen umgangen. Häufig sprechen wir mit Menschen, die erst mal sagen, dass sie ganz zufrieden sind, und wenn man nachfragt, sagen sie ja, wir verdienen 20 Euro die Stunde, und wenn man weiter nachfragt, kommt heraus: Sie sind Selbstständige, sie müssen ein Gewerbe anmelden, was dann im Umkehrschluss bedeutet, dass sie sich auch krankenversichern müssten, was sie dann häufig nicht tun, weil sie die Gewerbeanmeldung für einen Arbeitsvertrag halten. Oder es ihnen so gesagt wurde. Das heißt, sie sind erst mal so lange zufrieden, bis etwas passiert, bis sie einen Unfall haben oder krank werden, und dann gekündigt werden, oder sie kriegen gar keine richtige Kündigung, ihnen wird nur gesagt, du brauchst nicht wiederzukommen.

privat
Im Interview: Lena Thombansen

41, hat in Hamburg und Izmir Kulturanthropologie und Amerikanistik studiert und arbeitet seit 2015 bei der gewerkschaftsnahen Bildungseinrichtung „Arbeit und Leben“. Seit 2021 leitet sie die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit in Hamburg.

Welche Arbeiten machen die auf den Baustellen?

Wir erleben, dass sie häufig für sehr einfache Arbeiten gewonnen werden, überspitzt gesagt: für dieses typische Stein auf Stein, wo keine Fachkräfte vonnöten sind. Da ist es natürlich einfacher, Arbeitnehmende zu finden, die angelernt oder ungelernt sind, die nicht unbedingt einen Berufsabschluss mitbringen und wenig Deutsch sprechen, deswegen kennen sie sich wiederum auch nicht so gut auf dem Arbeitsmarkt aus und wissen gar nicht, welche Rechte ihnen zustehen, was sie machen können und machen müssten. Und die auszubeuten, ist natürlich einfacher, das sehen wir in allen Branchen.

Welche Rechte sind das denn, die sie verpassen, geltend zu machen?

Wenn Sie einen Arbeitsvertrag haben, haben sie ein Anrecht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Anrecht auf Urlaub oder Urlaubsgeld, sie haben Anrecht darauf, dass ihnen Überstunden ausbezahlt werden oder dass sie Überstunden abfeiern können, solche Sachen. Und das wird ihnen häufig unterschlagen. Wir erleben oft, dass Leuten gesagt wird, wenn sie krank werden, du brauchst gar nicht wiederzukommen, oder dass ihnen gesagt wird, heute brauchen wir dich nicht, komm morgen wieder, sodass sie gar nicht den Lohn kriegen, der ihnen zustehen würde. Wenn das alles mündlich passiert, wird es schwierig, das am Ende zu beweisen.

Aus der Fleischbranche wissen wir, dass die ausländischen Arbeiter oft unter abenteuerlichen Umständen untergebracht werden, in Baracken zu völlig überzogener Miete, für die ein großer Teil des Lohns draufgeht. Ist das auf dem Bau auch so?

Man kann das nicht pauschal sagen, aber das begegnet uns da auch, dass sie in irgendwelche Unterkünften wohnen, für die sie viel zu viel Geld bezahlen. Das ist nicht immer so, aber es kommt vor.

Dieses Subunternehmertum öffnet natürlich die Türen für solche Ausbeutungsverhältnisse, sie karren die Leute ran und haben sie dann in der Hand. Hat es auch Auswirkungen auf die Arbeitssicherheit? Also die Häufigkeit von Unfällen?

Eigentlich ist es ja so, dass es gerade im Baugewerbe sehr strenge Vorgaben für den Arbeitsschutz gibt. Aber wer kein Deutsch spricht, muss natürlich auch Anweisungen zum Arbeitsschutz verstehen, und ich habe meine Zweifel, ob das so gut funktioniert, ob die Menschen, die die Sprache nicht können, auch wirklich alles verstehen, ob es immer eine Übersetzung gibt oder einen Vorarbeiter, der die entsprechende Sprache spricht. Das erleben wir schon auch häufig, auf großen Baustellen gibt es dann einen Teil, da sind dann zum Beispiel türkische Arbeitnehmer, und an der nächsten Ecke sind dann Rumänen, und die haben dann einen Vorarbeiter, der die Sprache spricht. Aber manchmal eben auch nicht.

Wie es beim Unfall in der Hafencity war, wissen wir noch nicht, da wird ja noch ermittelt.

Ja, aber was mich daran richtig erschüttert hat: Da sind offenbar vier Menschen gestorben, einer ist schwer verletzt, und bei allen Informationen – zuerst waren es drei Bulgaren, dann doch keine Bulgaren, sondern Albaner – war es offenbar nicht möglich, die Identität der beiden anderen zu klären. Das finde ich wirklich erschütternd, dass in der ganzen Kette von Sub- und Sub-Subunternehmern offenbar nicht klar ist, wer da eigentlich gearbeitet hat und wer fehlt. Wie ist das möglich, dass nicht klar ist, welche beiden Arbeitnehmer da noch verunfallt sind? Man ist offenbar nicht in der Lage zu ermitteln, auf dem Gerüst waren die und die Personen eingesetzt, und die sind jetzt nicht mehr da. Das ist schrecklich.

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4 Kommentare

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  • Besonders der letzte Absatz des Artikels beschreibt doch anschaulich die diesbezüglichen katastrophalen Zustände, welche - immer noch - auf deutschen Baustellen herrschen.



    Sub, sub, sub und am Ende schieben sich die verschiedenen Akteure im Bereich der Auftragnehmer und Arbeitgeber gegenseitig die Verantwortung zu.

  • "Häufig fehlt am Bau der Arbeitsschutz...."

    Der Subtitel stimmt nicht mit dem Text überein. Im Interview wird hauptsächlich die Situation der Arbeiter thematisiert und einmal auf mögliche "ich habe meine Zweifel, " Probleme bei der Arbetissicherheit eingegangen. Aber nix handfestes. Und schon gar nicht häufig.

    Auch das Statement "..dieses typische Stein auf Stein, wo keine Fachkräfte vonnöten sind" ist irgendwie akademisch. Mauern ist a) nicht so einfach (auch wenn es simple Systeme gibt) und b) ein Lehrberuf.

    Das die Situation vieler Arbeiter verbessert werden muss, ist klar.

  • "Wir erleben, dass sie häufig für sehr einfache Arbeiten gewonnen werden, überspitzt gesagt: für dieses typische Stein auf Stein, wo keine Fachkräfte vonnöten sind."



    Die Annahme, des jede*r alles kann, ist inhuman und erzeugt die von Lena Thombansen geschilderte Situation!

    • @Hugo:

      Wie das?

      Sieht für mich eher so aus, als dass Habgier der Großunternehmer die geschilderte Situation erzeugt.