Schikanen gegen Menschenrechtler: Amnesty schließt Indien-Büro

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stellt die Arbeit in Indien vorerst ein. Erneut waren dort Konten gesperrt worden.

Zwei Männer arbeiten an ihren Laptops

Mitarbeiter von Amnesty International in ihrem Hauptquartier in Bangalore im Februar 2019 Foto: Aijaz Rahi/ap

MUMBAI taz | Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) hatte schon länger einen schwierigen Stand in Indien. Nachdem am 10. September die Konten des indischen Ablegers ohne Vorwarnung erneut eingefroren worden waren, teilte ai-Indien am Dienstag mit, dass man sich gezwungen sehe, die 140 MitarbeiterInnen zu entlassen und die Kampagnen- und Forschungsarbeit einzustellen.

Die Kontensperrung wie vorherige Verhöre von ai-Führungskräften seien die letzten Schritte einer „zweijährigen Schikane“. „Als wir das Büro 2012 eröffnet haben, konnten wir uns dieses Ausmaß an Einschüchterungen und Angriffen nicht vorstellen“, erklärte ai gegenüber der taz.

Amnesty International sieht einen Zusammenhang zwischen dem schikanösen Vorgehen der Regierung und der eigenen Arbeit, die zuletzt in kritischen Berichten über die tödlichen Unruhen in Delhi zu Jahresbeginn und über massive Menschenrechtsverletzungen in der Region Jammu und Kaschmir bestand.

„Für eine Bewegung, die nichts anderes getan hat, als ihre Stimme gegen Ungerechtigkeit zu erheben, kommt dieser jüngste Angriff dem Einfrieren von Meinungen gleich“, erklärte Avinash Kumar, Direktor von ai-Indien.

„Behandelt wie Verbrecherbanden“

Menschenrechtsorganisationen wie Verbrecherbanden und Menschen mit abweichenden Ansichten als Kriminelle zu behandeln, ist ein gezielter Versuch durch die Behörden, ein Klima der Furcht zu schaffen und kritische Stimmen in Indien zu unterdrücken.“

Schon 2018 hatte die Polizei den Amnesty-Hauptsitz in Bangalore durchsucht, nachdem zuvor ai-Konten wegen angeblicher illegaler Finanzierung aus dem Ausland gesperrt worden waren.

Jetzt lautet der Vorwurf auf angebliche Geldwäsche. Denn nachdem Nichregierungsorganisationen verboten wurde, Gelder aus dem Ausland anzunehmen, hatte ai-Indien eine erfolgreiche Kampagne gestartet und von 100.000 Personen Spenden bekommen.

Zugleich wurde ai vorgeworfen, mit der Arbeit Indien destabilisieren zu wollen. Dass „die Regierung dieses rechtmäßige Geldbeschaffungsmodell jetzt als Geldwäsche darstellt, ist ein Beweis dafür, dass der überzogene Rechtsrahmen böswillig aktiviert wurde“, so Amnesty.

Bisher wurden keine Beweise vorgelegt

Denn laut der Menschenrechtsorganisation wurden bisher keinerlei Beweise vorgelegt, die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen. Die Behörden hatten bis Dienstag die Kontensperrung nicht bestätigt und dazu nicht Stellung genommen.

Am Abend erklärte Indiens Innenministerium die Position von Amnesty International überzogen. Die ai-Zentrale in England solle große Summen an in Indien registrierte Unternehmen überwiesen haben, und ausländische Gelder seien ohne Genehmigung an ai-Indien transferiert worden. Amnesty stehe es frei, seine humanitäre Arbeit in Indien fortzusetzen. „Allerdings erlaubt Indien keine Einmischung in innenpolitische Debatten durch Einrichtungen, die durch ausländische Spenden finanziert werden.“

Die Umweltorganisation Greenpeace India erklärte sich jetzt mit Amnesty solidarisch. Die Behörden hatten bereits schon mehrfach Konten der Umweltschützer gesperrt. Im letzten Herbst wurde auch gegen eine indische Anwaltsgruppe vorgegangen, die sich erfolgreich für LGBTQ-Rechte eingesetzt hatte.

Der Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Kenneth Roth, twitterte, das Vorgehen gegen ai in Indien sei ein weiterer Beleg dafür, dass die Regierung von Narendra Modi die Meinungsfreiheit einschränke.

Amnesty hat sein Russland-Büro bereits 2016 geschlossen. Dort müssen sich Organisationen mit internationalen Verbindungen inzwischen offiziell als „ausländische Agenten“ registrieren lassen. Nicht vertreten ist ai auch in China, hat aber ein Büro in der bis vor kurzem autonomen Sonderzone Hongkong. In der Türkei sitzt der lokale ai-Direktor im Gefängnis, doch arbeitet die Organisation dort weiter. Das Regionalbüro Südasien hatte ai bereits von Indien nach Sri Lanka verlegt gehabt.

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