Schiedsrichterin Steinhaus hört auf: Vorzeigefrau im Keller
Der Abgang von Bibiana Steinhaus macht ein großes Problem im Schiedsrichterwesen sichtbar. Eine Chance hat nur, wer sich an das Männersystem anpasst.
A ls Bibiana Steinhaus im September 2017 als erste Frau ein Spiel der Fußball-Bundesliga leitete, glaubte der gastgebende Klub Hertha BSC, er habe sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Denn von Anfang an bot die Frage „Was hältst du von Bibiana Steinhaus?“ den Fußballeliten die Möglichkeit, ihre Aufgeschlossenheit, Toleranz und Modernität unter Beweis zu stellen. Hertha ist das nur leidlich geglückt. Man verkaufte zur Premiere von Steinhaus Karten zum halben Preis, ausschließlich an Frauen und zwar genau 250 der 74.000 möglichen Tickets.
Zum Abschied am Mittwoch in München wurde Steinhaus noch einmal die ganz große Bühne bereitet. Man teilte ihr das Supercup-Finale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund zu und überschüttete sie mit Komplimenten.
„Sensationell gut“ habe sie ihre Sache in der Bundesliga gemacht, lobte Bayern-Coach Hansi Flick. DFB-Präsident Fritz Keller bedauerte ihr frühzeitiges Karriereende, hob ihre Persönlichkeit und ihre Pionierrolle in einer Männerdomäne hervor und erklärte: „Ich hoffe dennoch sehr, dass viele weitere Schiedsrichterinnen den Profi- genauso wie den Amateurfußball bereichern werden.“
Mit Bibiana Steinhaus verliert der deutsche Männerfußball ein lieb gewonnenes Feigenblatt. Dass die 41-Jährige von der Bildfläche verschwindet und künftig nur noch als Videoschiedsrichterin in den berüchtigten Kölner Keller hinuntersteigen wird, lässt den Ligabetrieb wieder altbacken und rückständig aussehen. Riem Hussein und Katrin Rafalski pfeifen lediglich in der Dritten Liga.
Systemkonformer Haarschnitt
In einem Podcast erzählte die sehr wortgewandte Steinhaus jüngst, dass sie in ihrer Schiedsrichterinkarriere nie die Frauenkarte spielen wollte. Um nicht aufzufallen, ließ sie sich in den ersten Jahren gar die Haare kurz schneiden. Sie passte sich dem Männersystem an. Ihr Leitmotiv war, nur die Leistung, nicht das Geschlecht solle zählen.
Dass ihr aber trotz Bestnoten in den Bewertungsbögen der Zweiten Liga lange Zeit der Aufstieg nach ganz oben verwehrt wurde, ertrug sie mit erstaunlicher Gelassenheit. Sie habe sich damals bereit gefühlt, erzählte sie einst, die anderen seien es eben noch nicht gewesen. Hätte Steinhaus aus ihrem Leistungsdenken Forderungen abgeleitet, wäre das ihrer Karriere vermutlich nicht gut bekommen.
Es fällt auf, auch andernorts in dieser Branche sind Frauen nicht aufgestiegen, weil sie laut dafür gekämpft haben und Diskriminierungen im System problematisiert hätten, sondern weil man an ihnen nicht mehr vorbeikam. Die ZDF-Reporterin Claudia Neumann hielt einmal ausdrücklich fest, sie sei keine Feministin.
Wenn DFB-Präsident Fritz Keller nun Bibiana Steinhaus zum Vorbild kürt, hat das etwas Zweischneidiges. Denn ihr Aufstieg war nur möglich, weil sie in einer von Männern dominierten Welt die Ruhe bewahrte und wartete, bis endlich einmal ihre Leistungen anerkannt wurden. Dem DFB sollte eher daran gelegen sein, sich von dieser Kultur der Gönnertums zu lösen, als auf anpassungsfähige Steinhaus-Nachfolgerinnen zu hoffen. Diese sind derzeit ohnehin weit und breit nicht in Sicht.
Ein erster Schritt wäre es vielleicht, die Schiedsrichterkommission, die über Auf- und Abstiege der Kolleg:innen entscheidet, um Bibiana Steinhaus zu bereichern. In diesen mächtigen Elitezirkel hat es bislang auch noch keine Frau geschafft. Der deutsche Nationalspieler İlkay Gündoğan schrieb einst mit feiner Ironie zum Debüt von Bibiana Steinhaus: „Es haben also alle Angst, dass eine Frau ihre Sache nicht so gut macht wie die Männer, über die sie sich jede Woche aufregen?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin