Schädlingsbefall im Cannabisfeld: Auch Käfer mögen Hanfpflanzen
Cannabis-Züchter haben ein Problem. Es gibt für sie keine zugelassenen Pflanzenschutzmittel gegen Fraßfeinde und Krankheitserreger.
Das Problem: Weder Produzenten noch Wissenschaftler haben verlässliche Erkenntnisse, wie sich die Ernte wirksam schützen lässt. Die Bundesbehörden in Washington, die für die Regulierung von Pestiziden und Herbiziden zuständig sind, stufen nach wie vor fast alle Cannabis-Anpflanzungen als illegal ein. Von dieser Seite haben die Hanfbauern also in absehbarer Zeit keine Unterstützung zu erwarten.
Auch Chemiker und Pflanzengärtner können kaum weiterhelfen. Sie sind sich uneins, auf welche Weise man Krankheiten und Schädlingen am besten beikommt – vor allem wegen der verschiedenen Arten, Cannabis-Produkte zu konsumieren: Sie werden zum Beispiel geraucht, gekaut oder auf die Haut aufgetragen.
„Dieser Produktionszweig war so viele Jahre illegal, dass es einfach keine Forschung gibt“, sagt Frank Conrad, Direktor des Testlabors Colorado Green Lab in Denver. „Es gibt keine Richtlinien. Es gibt nichts.“ In den US-Staaten, in denen der Konsum von Marihuana legal ist, beginnen die Behörden erst allmählich damit, Grenzwerte für den Einsatz von Chemikalien festzulegen.
Rückstandskontrollen gefordert
In Denver wurden im Frühjahr Zehntausende Cannabis-Pflanzen vorübergehend beschlagnahmt, weil die Behörden den Einsatz nicht genehmigter Pestizide vermuteten. Der Verdacht ließ sich nicht erhärten. Betroffen waren elf Betriebe – zwei davon zerstörten ihre Pflanzen freiwillig. In Oregon wurden im Juni bei der Untersuchung von Marihuana-Produkten Pestizide oberhalb der gesetzlichen Grenzwerte nachgewiesen.
Die US-Umweltschutzbehörde, die für den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zuständig ist, riet den Staaten Colorado und Washington, einen speziellen lokalen Registrierungsprozess anzustoßen, um den Umgang mit chemischen Pflanzenschutzmitteln in der Cannabis-Zucht zu regeln. Doch das dürfte mehrere Jahre dauern.
Colorado und Oregon verlangen, dass Marihuana-Produkte auf Pestizid-Rückstände und andere Verunreinigungen untersucht werden. Aber die Testverfahren sind nicht ausgereift. Kalifornien hat als größter Marihuana-Produzent der USA überhaupt keine Regeln für den kommerziellen Cannabis-Anbau.
„Das ist viel komplizierter, als es sich anhört, und es ist teuer“, sagt der Sprecher der zuständigen Kontrollbehörde im Staat Washington, Brian Smith, über die Pestizid-Untersuchungen. Die Folge: Skrupellose Hanfbauern können ohne nennenswertes Risiko verbotene Chemikalien einsetzen.
„Die Verantwortlichen ducken sich einfach weg“
„Diese ganze Pestizid-Geschichte hat uns ziemlich überrascht“, räumte eine Sprecherin der Stadt Denver Anfang Juli während einer Veranstaltung ein, zu der Beschäftigte aus der Cannabis-Industrie geladen waren. Was sie zu hören bekamen, war wenig ermutigend: „Es gibt keine Bundesbehörde, die Hanf als legale Nutzpflanze anerkennen wird“, sagte Whitney Cranshaw von der Colorado State University. „Die Verantwortlichen ducken sich einfach weg, und Informationen über den Pflanzenschutz beim Cannabis-Anbau beschränken sich auf Internet-Chats und aufs Hörensagen.“
Denjenigen, die Hanf anbauen, bleibt nur das Rätselraten. So kann ein bestimmtes Fungizid, das üblicherweise bei Trauben und Hopfen eingesetzt wird, gefährlich werden, wenn es erhitzt wird – für den Tabakanbau ist die Chemikalie daher verboten. Allerdings gibt es keinerlei wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, ob das Fungizid für den Menschen schädlich ist, wenn die Cannabis-Pflanze nicht geraucht, sondern gegessen wird.
Genau diese Informationen benötigen die Hanfzüchter aber. „Das ist doch wie bei Brokkoli, Spinat, Pfirsichen oder was immer. Die Pflanze ist anfällig für bestimmte Schädlinge“, sagt Gabriel Fairorth von Denver‘s Herbal Remedies. Er hält das Verbot einiger Chemikalien für fragwürdig. „Wenn diese Pflanzenschutzmittel bei Lebensmitteln unbedenklich sind, man sie aber bei Marihuana nicht einsetzen darf, das kann ich nicht nachvollziehen“, sagt Fairorth.
Der Gründer der größten US-Initiative für die Legalisierung von Cannabis, Keith Stroup, begrüßt, dass sich die Behörden einzelner Staaten nun zumindest allmählich mit der Sicherheit von Marihuana befassen: „Schließlich will niemand ein Produkt konsumieren, das Schimmelspuren oder Pestizidrückstände aufweist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin