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Schadenersatz für DieselOpfer haben kaum eine Chance

Bernd Müllender
Kommentar von Bernd Müllender

Mit dem Urteil des EuGH sind Klagechancen auf Schadenersatz für Diesel gestiegen. Die Erfolgsaussichten sind trotzdem eher gering.

Automobilhersteller verpesteten über viele Jahre die Luft mit dreisten Lügen und Abgasfiltern Foto: Marijan Murat/dpa

ber viele Jahre hat der stolze Motor unserer Wirtschaft mit seinen Motoren derart dreist gelogen und betrogen, dass noch jeder Lügendetektor auf der Stelle hätte implodieren müssen. Die Automobilbranche verbaute heimlich Abschaltautomatiken für Diesel-Abgasfilter. So konnten die feinen Karren ihre Giftcocktails munter weiter auspusten. Und sie tun es offenbar bis heute, wie neue Messungen zeigen.

Noch schlimmer war und ist das Nichtstun der Behörden, die Millionen Dreckschleudern auf der Stelle hätten stilllegen müssen. Und die Politik, egal welcher Kasperledarsteller gerade das Verkehrsministerium besetzt, von Dobrindt über Scheuer bis zu diesem Wissing, dem aktuellen Tatentotalverweigerer in allen autobahnfernen Sphären.

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs diese Woche sind die Klagechancen auf Schadenersatz gestiegen. Das ist schön. Aber: Welcher Schaden eigentlich? Wenn ein Motor per Thermofilter geschont wird, ist das doch ökonomischer Nutzen!

Dieseldosenbesitzer verweisen auf einen möglichen Wertverlust bei Weiterverkauf und auf angeblichen Leistungsverlust nach Umbau. Zudem sei das gute Öko-Gewissen torpediert. Nun weiß man wenig über das Gewissen von Fahrern eines Porsche Cayenne Diesel V8 mit schnuckeligen 385 PS oder der Besitzerin eines Mercedes Protzbrumm GLE 350 De 4MATIC XXLplus. Aber vor dem Gesetz ist alles Dosenfleisch gleich.

Klagen müssten die vergifteten BürgerInnen, deren Lungen ersatzweise als Abgasfilter missbraucht werden. Mit wenig Erfolgsaussichten, ein „großer Schwachpunkt“ des EuGH-Urteils, wie die Deutsche Umwelthilfe meint. Atemopfer müssten schon direkt an einer Messstelle wohnen, sonst zerpflückt der Gegenseite-Anwalt jede Klage: Keine Daten, keine Grundlage.

Lungenkrebs – naja, wohl Raucher, oder? Pseudokrupp – das wächst sich bis zur Einschulung bestimmt raus. Klimameucheln? Ach, was da alles in der Luft ist… Schäden müssen rechtssicher zuzurechnen sein. Man kann ja auch nur schätzen, wie viele zigtausend Menschen durch Abschalt-Hightech Made by Germany’s klügsten Ingenieuren schon elendig verreckt sind.

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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4 Kommentare

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  • Die Auswirkungen ungebremster Diesel-Stinkerei kann man hier in Phom Penh leibhaftig erleben.

    Es gibt keinerlei Emissionskontrolle bei Fahrzeugen, und die weithin sichtbaren Rußfahnen verdichten sich im Verkehr zu einem giftigen Gemisch. Es herrscht die Unsitte, die Katalysatoren der vornehmlich über Kalifornien importierten PKWs und SUVs japanischer Bauart vor dem Verkauf auszubauen; weil diese das Vehikel beschweren und störanfällig machen würden – so das zynische Kalkül.

    Gestern Abend haben wir es hier auf den Luftverschmutzungswert von 222 USAQI gebracht; Berlin bringt es zum Vergleich auf 24 Punkte.

    www.iqair.com/camb...hool-of-phnom-penh

  • Wie hoch der Schaden ist?



    Wie wäre es damit: Man hat einen Kaufpreis bezahlt, der neben der Deckung der Herstellungs- und Vertriebskosten auch einen Gewinn für den Hersteller ermöglichte. Diesen vom Käufer an den Hersteller bezahlten Gewinn könnte man als Höhe des entstandenen Schadens ansetzen.

  • Die Wertminderung ist objektiv, das Produkt ist fehlerhaft. Und die Politik ist einer fortgesetzten Begünstigung schuldig.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Ich habe Anfang der Woche vorhin nach der Rückkehr von Österreich am Wochenende getankt. 6,55 Liter Diesel auf 100 km bei 320 PS. Deutlich weniger, als die meisten Autos, die sich alljährlich auf den weg nach Wacken machen, um die Gegend zu vermüllen.

    Ich wüßte nicht, wo mein Schaden liegen soll und zurückgeben wegen Sachmangel oder aus sonstigen Gründen kommt nicht in Frage. Der Wunsch nach einer Rückfahrkamera beispielsweise verdoppelt aktuell die Lieferfrist.