Schachturnier in Süddeutschland: Pekingerin braucht Punkte

Im Badischen versammelt sich die Weltelite. Nach der zweiten Runde liegt eine Frau vorn. Hou Yifan, Nummer 115 der Weltrangliste.

Eine Frau, Hou Yifan, am Schachbrett

Auch in Karlsruhe wieder erfolgreich: Hou Yifan (Archivfoto 2016) Foto: imago / Pavlo Palamarchuk

BADEN-BADEN taz | Ein kurzes Lächeln huscht über die Lippen von Magnus Carlsen. Der Applaus schwillt an, als Turnierdirektor Sven Noppes den Schach-Weltmeister begrüßt. Eine Traube von Fans schießt Fotos. Die Stühle vor der Bühne füllen sich. Die 1.202 Teilnehmer an den mit 40.500 Euro dotierten Open-Wettbewerben schauen ehrfürchtig nach oben zu ihren Helden. Doch zwei Dinge sind anders als sonst: Zum einen trägt Carlsen eine modische Wuschelfrisur. Weit auffälliger am neuen Look ist freilich die große Brille.

Erhofft sich der Superstar der Denker-Szene einen noch besseren Durchblick auf dem Brett, wie die Kommentatoren Lawrence Trent und Peter Leko witzelten? Den beiden und ihrem Publikum im Netz berichtete Carlsen, dass ihm bisher die Augenärzte freistellten, wegen seiner leichten Kurzsichtigkeit eine Brille zu tragen: „Nachdem ich aber zuletzt häufiger Kopfschmerzen bekam, war nach ein paar Tests rasch klar: Ich brauche die Gläser.“ Mehr Durchblick verschafften ihm diese zunächst nicht bis zur Halbzeit bei den Grenke Chess Classic.

Erst remisierte er gegen Matthias Blübaum, der am Dienstag 20 Jahre alt wurde, obwohl der Bremer seine Spieleröffnung „ziemlich grausam“ fand. Danach verdarb Carlsen an Ostern zudem ein dramatisches Duell gegen den Armenier Lewon Aronjan zu einem weiteren Unentschieden und musste in einer „extrem hässlichen Stellung“ mit dem dritten Friedensschluss gegen die Chinesin Hou Yifan zufrieden sein.

„Heute habe ich eine gute Chance verpasst“, meinte die 23-Jährige danach keck. Die Weltranglistenerste überzeugt derzeit wesentlich mehr als Carlsen, obwohl Hou Yifan nominell mit rund 200 Elo-Ratingpunkten zwei Klassen schlechter positioniert ist. Rang 115 bei den Männern will die Frau aus Peking nun aber verbessern und meidet künftig Turniere mit den von der Elo-Zahl her deutlich schwächeren Frauen.

Selbst auf die WM hatte die Ex-Weltmeisterin deshalb und wegen Wirrnissen mit dem Schach-Weltverband Fide verzichtet. Vorm Umzug nach Baden-Baden, wo morgen die vierte Runde ansteht, führt Hou überraschend mit 2,5 Zählern das Weltklasse-Feld an. Sie ist trotz des Unentschiedens gegen Carlsen „glücklich“ mit ihrem Start und weiß mit Blick auf die Tabellenspitze: „Ich muss weiter gut spielen und jede Chance ergreifen.“

Auftaktsieg gegen Weltranglistendritten Caruano

Neben Schlusslicht Georg Meier (OSG Baden-Baden) schlug sie zum Auftakt den Weltranglistendritten Fabiano Caruana. Der US-Amerikaner berappelte sich jedoch sofort und bezwang neben Meier auch Arkadij Naiditsch. Der von Aserbaidschan abgeworbene Deutsche bewies dennoch bei der „besseren Vereinsmeisterschaft“ von Bundesliga-Spitzenreiter OSG Baden-Baden seine Klasse und liegt mit Caruana und Aronjan in Lauerstellung mit zwei Zählern.

Das brandgefährliche Trio dürfte Carlsens erneuten Sieg bei den Chess Classic eher gefährden als die führende Chinesin – Naiditsch schlug den Norweger bereits bei der letzten Turnierauflage, Aronjan war in Runde zwei nah dran. Die beiden Letzteren ließen überdies bereits dem Weltranglistenfünften Maxime Vachier-Lagrave (1 Punkt) keine Chance.

Der besonders kompromisslose Caruana setzt am Mittwoch wohl eine neue eigene Bestmarke: Hatte der Weltranglistendritte vor drei Jahren mit sieben Siegen in Serie für enormes Aufsehen gesorgt, könnte der Italoamerikaner nun die zehnte Siegpartie nacheinander schaffen – das ist angesichts der Remis-Flut in der ausgeglichenen Weltspitze sehr ungewöhnlich.

Ungeachtet dessen hat der 24-Jährige natürlich Platz eins im Visier. „Hou spielt bisher sehr gut. Ein halber Punkt Vorsprung ist aber nicht viel, auch wenn sie schon den stärksten Gegner hatte“, betonte Caruana – ohne klarzustellen, ob er damit Carlsen oder sich meinte.

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