Sanktionen gegen Uganda: Wem helfen Menschenrechte?
Ugandas Anti-LGBTQI-Gesetz wird von der Weltbank und den USA nicht straflos hingenommen. Doch die Sanktionen treffen nicht die Regierung.
In den internationalen Medien gab es einen regelrechten Aufschrei. Dies ist berechtigt, keine Frage. Immerhin handelt es sich in Uganda um eines der drakonischsten Anti-LGBTQI-Gesetze weltweit.
Es gerät bei all dem Fokus auf die Einzelfälle allerdings in den Hintergrund, welche Auswirkungen die Gesetzgebung auf die gesamte Gesellschaft haben wird. Im August kündigte die Weltbank an, keine neuen Kredite an Uganda zu vergeben. Der Grund: „Wir glauben, dass unsere Vision, die Armut auf einem lebenswerten Planeten zu beseitigen, nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie alle einbezieht, unabhängig von Rasse, Geschlecht oder Sexualität“, so die Weltbank. Die Organisation hat nach eigenen Angaben ein Expertenteam nach Uganda entsandt, um notwendige Anpassungen mit den Behörden zu diskutieren, damit „sexuelle Minderheiten bei den Projekten, die wir finanzieren, nicht ausgeschlossen werden“. Konkret bedeutet dies, dass die bestehenden Weltbankprojekte in Uganda, immerhin im Gesamtumfang von rund fünf Milliarden Dollar, weitergehen, allerdings keine neuen Kredite vergeben werden.
Ugandas Regierung reagierte sofort und hievte noch schnell ein Projekt durchs Parlament, das eigentlich von der Weltbank finanziert werden sollte: Die Stadtverwaltung der Hauptstadt wollte sich auf einen Kredit im Umfang von rund 500 Millionen Euro umgerechnet zur Instandsetzung der maroden Straßen in Kampala bewerben – dieses Geld wird jetzt wohl nicht fließen.
Richtung Staatsbankrott
Dabei sind Kampalas Straßen mit ihren tiefen Schlaglöchern fast nicht mehr befahrbar. Sobald die Regenzeit einsetzt, verwandeln sich diese Schlaglöcher in Tümpel, die fast jedes Durchkommen unmöglich machen. Die Schäden für Wirtschaft und Handel gehen damit noch mehr in die Höhe. Kurz nach der Ankündigung der Weltbank sackte Ugandas Währung, der Shilling, zudem stark ab. Das ostafrikanische Land, das jährlich fast die Hälfte seines Staatshaushalts ausgibt, um laufende Kredite zu tilgen, steuert also weiter auf den Staatsbankrott zu.
Ebenso problematisch werden die Streichungen der Entwicklungsgelder aus den USA, die nun als Folge des Gesetzes ausbleiben. Die US-Regierung hatte im Mai Uganda als einen „der gefährlichsten Orte der Welt für LGBTQI+-Personen“ bezeichnet und angekündigt, sämtliche Projekte in Uganda zu evaluieren.
Gemeinsam mit dem Global Fonds finanziert die US-Entwicklungsagentur USAID zahlreiche Gesundheitsprojekte in Uganda, vor allem mit dem Fokus auf HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria. Dass das Anti-Homosexuellen-Gesetz allen aus der LGBTQI-Szene die Gesundheitsversorgung untersagt, widerspricht den US-Grundsätzen. Sollten diese Projekte jetzt alle eingefroren werden, hat dies auch Folgen für die gesamte Bevölkerung. Dann erhalten auch alle anderen Patienten keine kostenfreien Medikamente für chronische Krankheiten. Daraus resultiert die Gefahr, dass sich das HIV-Virus wieder weiter ausbreitet.
Sind also Sanktionen gegen Uganda in einem solchen Umfang berechtigt, wenn sie letztlich nicht der Regierung, sondern der Bevölkerung weiteren Schaden zufügen, die ohnehin an mangelnder Gesundheitsversorgung leidet?
Ugandas Präsident Yowerie Museveni reagierte auf all dies mit der kalten Schulter, bezeichnete die Reaktion der Weltbank als „Provokation“ und stellte klar: „Wir brauchen keinen Druck von irgendjemandem, um zu wissen, wie wir Probleme in unserer Gesellschaft lösen können, denn das sind unsere Probleme“, mokierte er sich in seiner jüngsten Fernsehansprache. „Es ist daher bedauerlich, dass die Weltbank und andere Akteure es wagen, uns mit Geld dazu zwingen zu wollen, unseren Glauben, unsere Kultur, unsere Prinzipien und unsere Souveränität aufzugeben. Sie unterschätzen wirklich alle Afrikaner“, sagte er. Doch bald wird sich wohl zeigen, dass Musevenis Regierung die Langzeitfolgen für das ganze Land unterschätzt hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?