Anti-LGBTQI-Gesetz in Uganda: Beim Sex auf Wolke 9 „ertappt“

Seine Aussagen vor Gericht haben maßgeblich zum Anti-Homosexuellen-Gesetz beigetragen. Jetzt ist Elisha Mukisa selber eines seiner ersten Opfer.

Ein anonymes Paar in eine Regenbogenfahne gehüllt.

Müssen wegen der Gesetzeslage in Angst leben: homosexuelles Paar in Uganda im März 2023 Foto: ap

KAMPALA taz | Ausgerechnet jener Mann, der einst zahlreiche Homosexuelle an die Behörden verraten hatte, steht nun in Uganda selbst vor Gericht. Und zwar wegen des Verstoßes gegen das sogenannte Anti-Homosexuellen-Gesetz, das auf seine Zeugenaussage hin im Mai in Kraft getreten war.

Elisha Mukisa ist wohl einer der bekanntesten Homosexuellen in Uganda. Im März war er im Parlament aufgetreten, flankiert von Pastoren und Predigern verschiedener religiöser Gruppen und Freikirchen. Er hat gestanden, dass er von Homosexuellen zum Dreh eines schwulen Pornofilms gezwungen worden sei, wobei er sich angeblich mit HIV infiziert habe. Mukisa wurde den Abgeordneten in Uganda als Opfer vorgeführt.

Bereits vergangenes Jahr hatte der damals 26-Jährige in einem YouTube-Video, das in Uganda viral ging, die LGBTQI-Gemeinde öffentlich angeprangert. Als 17-Jähriger sei er im Internat quasi zum Schwulsein „rekrutiert“ worden, er habe dafür sogar Geld erhalten.

Letztlich verklagte er dann noch Ugandas führende LGTBQI-­Organisation Smug, die sich offen für die Rechte der Szene einsetzt. Im Video verriet er dann, dass er vom Schwulsein „geheilt“ sei und als Mitglied einer Freikirche nun Gott um Vergebung seiner Sünden bitte.

Angeblich vom Schwulsein „geheilt“

Mukisa ist dadurch für all diejenigen zum Symbol geworden, die es in Zukunft durch ein harsches Anti-Homosexuellen-Gesetz zu schützen gilt. Das Parlament hat dieses Gesetz auf Mukisas Aussage hin im März fast einstimmig verabschiedet. Mit der Unterschrift des Präsidenten trat es im Mai in Kraft. Es gilt als eines der drakonischsten Gesetze gegen LGBTQI-Menschen weltweit.

In besonders „schwerwiegenden Fällen“, wie es im Gesetz heißt, droht die Todesstrafe: nämlich wenn Minderjährige, Alte oder Behinderte zum gleichgeschlechtlichen Akt „genötigt“ würden sowie beim Sex mit HIV-Positiven.

Für viele in Ugandas LGBTQI-Szene gilt Mukisa seitdem als Verräter. „Elisha Mukisa hat LGBTIQA+-Personen an die Polizei, das Parlament, die Familie des Präsidenten, Anti-Homosexuellen-Lobbyisten, Gefängnisbeamte und Gerichte verraten“, schreibt die Aktivistin Stella Nyanzi auf Twitter.

Die ehemalige Professorin für Genderstudien, Feministin und offen lesbische Autorin war wegen Präsidentenbeleidigung in Haft. Jetzt lebt sie in Deutschland im Exil und spricht sich gegen das Gesetz aus: Mukisa sei ein „geschätzter Staatsinformant“ gewesen. Seine Lügen hätten zur „Neuauflage des grausamen Anti-Homosexuellen-Gesetzes“ in Uganda geführt.

Polizeieinsatz im Massagesalon Wolke 9

Am Montag stürmte nun die Polizei den Massagesalon Wolke 9 in einem Örtchen nahe der Stadt Jinja im Süden Ugandas. Eine Mitarbeiterin hatte ihnen den Tipp gegeben. Die Polizisten fanden in dem Salon zwei Videokameras, einen Dildo sowie Massageöl, das auch als Gleitmittel verwendet werden kann, und verhafteten vier Personen, darunter Mukisa sowie die Besitzerin.

Am Dienstag wurden sie alle dem Haftrichter vorgeführt. Der fragte Mukisa, warum er in anrüchigen Massage­salons wieder mutmaßlich homosexuelle Akte betreibe, nachdem er doch „geheilt“ worden sei. Da gab dieser offen zu, dass er einst für seine Aussagen bezahlt worden sei, jetzt aber kein Geld mehr erhalte.

In den Tweets der Aktivistin Nyan­zi klingt Schadenfreude durch: „Wird Ugandas Justiz den Mut haben, das dumme Gesetz jetzt anzuwenden, zu dessen Verabschiedung Mukisa das ugandische Parlament ermutigt hat?“, fragt sie. „Jubelt das Parlament über den ersten Täter seines Gesetzes?“

Ugandas berühmtester Menschenrechtsanwalt, Nicholas Opiyo, warnt jedoch: „Unabhängig von seinen früheren Taten verdient Mukisa, wie alle anderen auch, ein faires Verfahren“, so der Anwalt, der einst gegen das Gesetz vor das Verfassungsgericht gezogen war. „Die einzige Ironie besteht darin, dass er nach einem Gesetz vor Gericht gestellt wird, das er mit Desinformation und Lügen so leidenschaftlich selbst gefördert hat.“

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Simone Schlindwein, Jahrgang 1980, lebt seit 2008 in Uganda und ist taz-Korrespondentin für die Region der Großen Seen: DR Kongo, Ruanda, Burundi, Uganda, Zentralafrikanische Republik, Südsudan. Von 2006 bis 2008 war sie u.a. Moskau-Korrespondentin des Spiegel. Für ihre Arbeit wurde sie u.a. mit dem Journalistenpreis »Der lange Atem« sowie dem Otto-Brenner-Preis ausgezeichnet. Zuletzt veröffentlichte sie die Bücher »Diktatoren als Türsteher Europas« (mit Christian Jakob) und »Tatort Kongo« (mit Dominic Johnson und Bianca Schmolze).

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