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Sachsens CDU-Innenminister entlassenRoland Wöller muss gehen

Nach diversen Verfehlungen hat Sachsens Ministerpräsident seinen Innenminister entlassen. Ein Nachfolger steht bereit.

Darf die Krawatte nun ablegen: Innenminister Roland Wöller (CDU) wurde aus seinem Amt entlassen Foto: Christian Grube/ArcheoPix/imago

Leipzig taz | Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Freitag in Dresden, nachdem er Roland Wöllers Entlassung verkündet hatte. Wöller – ein alter Freund Kretschmers – sei „über viele Jahre ein geschätzter Wegbegleiter“ gewesen, der wichtige Akzente in der Innenpolitik gesetzt habe. Trotzdem sei es Zeit für einen „personellen Neuanfang, mit Kraft, mit neuen Ideen und vor allen Dingen mit mehr und breiterem Vertrauen“, erklärte Kretschmer. Damit spielte er auf die Polizeigewerkschaften an, die Wöller zuletzt schwerwiegende Vorwürfe machten.

Die Liste von Wöllers mutmaßlichen Verfehlungen ist lang. Doch zuletzt stand er wegen umstrittener Personalentscheidungen in der Kritik: Erst hat Wöller Anfang April überraschend den Posten des Pressesprechers der sächsischen Polizei neu besetzt – mit seinem Parteifreund Florian Oest, dem Vorsitzenden des CDU-Kreisverbandes Görlitz.

Die Gewerkschaft der Polizei Sachsen kritisierte, dass es „keine fachliche Notwendigkeit“ für den Personalwechsel gegeben habe und dieser „still und heimlich“ vollzogen worden sei. Vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hieß es: „Es scheint, dass Widerworte gegen den Minister mit der sofortigen Versetzung bestraft werden.“

Wenige Tage später wurde bekannt, dass Manja Hussner, eine Freundin von Wöllers Frau, neue Kanzlerin der sächsischen Polizeihochschule werden soll. Die Polizeigewerkschaften GdP und DPolG warfen Wöller Vetternwirtschaft vor und forderten seinen Rücktritt.

Wöller wies den Vorwurf zurück und erklärte dazu, dass Stellenbesetzungen „nach Eignung, Leistung und Befähigung“ erfolgten. Etwaige Bekanntschaften spielten dabei keine Rolle, seien aber auch kein Ausschlusskriterium für Bewerber:innen. Auch nach einem 90 Minuten langes Krisengespräch am Dienstag hielten die Gewerkschaften an ihren Rücktrittsforderungen fest. Wöller hingegen sah von einem Rücktritt ab. Zum Ende seiner Amtszeit äußerte er sich bisher nicht.

Polizei ohne Vertrauen

Nachdem Wöller nun von Ministerpräsident Kretschmer entlassen wurde, sagt Hagen Husgen, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Sachsen, er sei „froh und zufrieden“. Es zeige, „dass die Einschätzungen der polizeilichen Basis berechtigterweise Gewicht haben und nicht als Nörgelei abgetan werden.“

Die sächsischen Regierungsfraktionen der CDU, SPD und Grüne bezeichneten die Entlassung von Roland Wöller als folgerichtig und nachvollziehbar. „Das Vertrauensverhältnis zwischen Innenminister und Polizei war zu stark belastet“, teilte Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, am Freitag mit.

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Christian Hartmann, verwies auf die politischen Erfolge Wöllers: „Er hat wichtige Reformen wie das Polizeigesetz oder die Allianz Sichere Sächsische Kommunen auf den Weg gebracht. Das gilt auch für die Ausbildung sowie die personelle und materielle Ausstattung unserer Sicherheitskräfte. Gleichwohl habe ich für die Entscheidung unseres Ministerpräsidenten Verständnis und trage diese mit.“

Valentin Lippmann von der Grünen-Fraktion sagte, die Entlassung sei „spätestens mit Blick auf die immer neuen Vorwürfe in den vergangenen Wochen“ ein notwendiger Schritt gewesen, um das Vertrauen in das Innenministerium wiederherzustellen. „Nicht zuletzt nachdem nun auch noch der Vorwurf im Raum stand, das Parlament bewusst nicht vollumfänglich über die Verfehlungen beim MEK informiert zu haben, waren personelle Konsequenzen unausweichlich.“

„Lange Liste der Verfehlungen und Skandale“

Die Linksfraktion im sächsischen Landtag hat Ministerpräsident Kretschmer schon lange dazu aufgefordert, Wöller von seinem Amt zu entfernen. Die Entlassung sei „eine Befreiung für Sachsen“, bewertete Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion, am Freitag. Er sei froh, dass Kretschmer „endlich“ dem Druck nachgegeben habe. „Wöller ist für eine lange Liste von Verfehlungen und Skandalen verantwortlich, hat diese Verantwortung aber nie angenommen. Stets waren aus seiner Sicht andere schuld“, sagte Gebhardt am Freitag.

Neben den Personalentscheidungen sorgten mehrere Skandale bei der sächsischen Polizei für Kritik. Erst am Mittwoch war eine neue Affäre bekannt geworden: Das Mobile Einsatzkommando (MEK) Dresden soll einen Skiurlaub in einem Vier-Sterne-Hotel in den Alpen als Dienstreise deklariert und damit Urlaub auf Kosten von Steu­er­zah­le­r:in­nen gemacht haben. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts des Betrugs. Medienberichten zufolge soll der Minister schon länger von der Ski-Affäre gewusst haben, behielt dies aber für sich.

Auch das war nicht das erste Mal, dass das MEK negativ in der Öffentlichkeit auffiel. Erst vergangene Woche sorgten Leipziger MEK-Beamt:innen für Schlagzeilen. Sie sollen ein brutales Aufnahmeritual durchgeführt und mit Übungswaffen auf Neulinge geschossen haben sollen. Zwei Be­am­t:in­nen wurden bereits entlassen.

Vor einem Jahr gerieten die Polizeibehörden und das Innenministerium wegen des sogenannten Munitionsskandals beim MEK Dresden in die Kritik, bei dem Dienstmunition gestohlen und illegale Schießtrainings absolviert wurden. Das Kommando wurde aufgelöst, gegen drei Po­li­zis­t:in­nen hat die Generalstaatsanwaltschaft inzwischen Anklage erhoben, gegen 14 weitere wird noch ermittelt.

Nachfolger kritisierte Merkels Migrationspolitik

Während das Ende von Roland Wöllers Amtszeit erwartet wurde, ist die Auswahl seines Nachfolgers eine echte Überraschung. Ministerpräsident Kretschmer hat sich für einen Westimport entschieden: Armin Schuster, langjähriger Innenexperte der CDU im Bundestag und derzeit Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), soll neuer Innenminister in Sachsen werden.

Dass sein aktueller Job für Schuster nicht die erste Wahl war, konnte man schon bei seinem Amtsantritt 2020 ahnen. Denn eigentlich wäre der Mann aus dem baden-württembergischen Lörrach gern Nachfolger von Hans-Georg Maaßen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz geworden.

Aber die damalige Kanzlerin Angela Merkel soll das verhindert haben – wohl auch, weil Schuster 2015 als Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik galt. Allerdings trug Schuster seine Bedenken stets freundlich vor und ohne der Regierungschefin die Loyalität aufzukündigen.

Bei Diskussionen um Rassismus und Gewalt bei der Polizei warnte der 60-Jährige vor Verallgemeinerungen und Kampagnen gegen die Beamt:innen. Grund dafür ist sicher auch, dass Schuster früher selbst Polizist war, was er gerne betont und was ihn in seinem neuen Job helfen dürfte.

Nach einem Studium zum Verwaltungswirt arbeitete Schuster bei der Bundespolizei, einmal auch in Ostdeutschland – als stellvertretender Leiter des Bundespolizeiamtes in Frankfurt/Oder.

Danach ging es wieder zurück nach Baden-Württemberg, als Leiter der Inspektion Weil am Rhein. 2009 wurde Schuster direkt in den Bundestag gewählt. Er leitete den Amri-Untersuchungsausschuss zum islamistischen Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz und das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste.

Schuster, der als Christdemokrat mit eigenem Kopf gilt, wird auch von politischen Geg­ne­r:in­nen geschätzt. Die Grüne Irene Mihalic kennt ihn aus jahrelanger Arbeit im Innenausschuss des Bundestags. „Natürlich ist er ein Unionsmann“, sagt Mihalic. „Aber einer, mit dem man mit hoher Fachkenntnis und gegenseitiger Wertschätzung diskutieren kann.“

Aufgabe für den neuen Innenminister

Im Sachsen wäre es laut Albrecht Pallas von der SPD-Fraktion nun die Aufgabe des neuen Innenministers Schuster, „die jüngst kritisierten Personalentscheidungen zu überprüfen und die Vorfälle in den Spezialeinheiten der sächsischen Polizei lückenlos aufzuklären“.

Auch der Linkenpolitiker Gebhardt findet, unter Schuster dürfe es „kein Weiter so“ geben. Seine Fraktion fordert einen „grundlegenden Wandel im Innenressort sowie im gesamten Sicherheitsapparat. „Es muss endlich eine transparente Fehlerkultur Einzug halten, wirksam gegen alle rechten Umtriebe vorgegangen und die Modernisierung der Polizei vorangetrieben werden – nicht nur hinsichtlich ihrer Ausstattung, sondern mindestens auch mit Blick auf ihre interkulturelle Kompetenz und ihren Umgang mit Medienschaffenden bei Versammlungen“, betonte Gebhardt.

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3 Kommentare

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  • Weiß jemand was das auf dem Bild für ein Anstecker am Revers ist ?

  • Es ist wirklich unfassbar was diese Leute glauben wer sie sind und was sie sich alles erlauben können.



    Aber der Wähler guttiert das - mit 'nem Kreuz rechts außen. Zu unser aller Schaden. Mal wieder.

  • Schon wieder diese Verallgemeinerungen. Kaum jemand behauptet, *alle* Polizist*innen seien rassistisch. Vielmehr wird behauptet, das sei ein strukturelles Problem. Zu Deutsch, und für schwerfällige Innenminister: das ist problem von Chef. Klaro?