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Sacharow- und Nobelpreis für IranerinnenSchlag ins Gesicht der Mullahs

Kommentar von Daniela Sepehri

In Europa gehen wichtige Würdigungen an Narges Mohammadi und die Familie von Jina Mahsa Amini. Die Angst der Mullahs zeigt den Wert dieser Preise.

In Abwesenheit geehrt: Narges Mohammadi. Davor ihre Kinder Ali und Kiani Rahmani

A m diesjährigen Tag der Menschenrechte wird der Friedensnobelpreis in Oslo verliehen. Doch die Preisträgerin Narges Mohammadi kann die Auszeichnung nicht persönlich in Empfang nehmen, sie befindet sich im berüchtigten Evin-Gefängnis von Teheran. Dort tritt sie in einen eintägigen Hungerstreik.

Sie schließt sich damit ihren Mitinsassinnen Fariba Kamalabadi und Mahvash Sabet an, zwei Angehörigen der religiösen Minderheit der Baha’i. Deren An­hän­ge­r*in­nen erleben aktuell wieder eine heftigere Verfolgungswelle durch das Regime. Dass Mohammadi an diesem Tag erneut ihre Gesundheit riskiert, um auf Missstände hinzuweisen, bestätigt, dass ihr der Friedensnobelpreis 2023 zu Recht verliehen wurde.

Doch nicht nur Narges Mohammadi wird dieser Tage geehrt. Der Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments soll in diesem Jahr an Jina Mahsa Amini und die „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung in Iran gehen. Die junge Kurdin wurde im September 2022 von der iranischen Sittenpolizei wegen eines angeblich falsch sitzenden Kopftuchs zu Tode geprügelt. Damit löste sie die größte Protestbewegung im Land unter dem Motto „Frau, Leben, Freiheit“ aus.

Ihre Familie sollte den Preis nun stellvertretend für sie in Empfang nehmen. Doch trotz gültiger Visa wurde ihnen von den Machthabern Irans die Ausreise nach Frankreich verwehrt. An ihrer Stelle soll der Anwalt Saleh Nikbacht den Preis in Empfang nehmen, der in Frankreich lebt.

Die Islamische Republik zeigt damit erneut, wie sehr sie solche Preise für die iranische Zivilgesellschaft fürchtet. Die Würdigungen sind also nicht nur Symbolik, wie Kritiker behaupten. Sie sind eine konkrete Unterstützung des Freiheitskampfes der Menschen, eine Bestätigung für den Mut – und ein Schlag ins Gesicht der Mullahs.

Während sich Mohammadi an ihrem „großen Tag“ im Gefängnis im Hungerstreik befindet und Aminis Familie nicht ausreisen darf, um die Ehrung ihrer ermordeten Tochter in Empfang zu nehmen, sitzen die Vertreter der Islamischen Republik in wichtigen UN-Gremien, sitzen dem UN-Sozialforum vor und reisen derzeit nach Genf, um am Flüchtlingsforum der UNHCR teilzunehmen. Absurder geht es wohl kaum.

Mit dem Friedensnobelpreis und dem Sacharow-Preis gehen in diesem Jahr zwei der höchsten politischen Auszeichnungen an die Menschen in Iran. Ihr Kampf wird gesehen und gewürdigt. Nun ist es an der Zeit, dass auch westliche Regierungen diesen Kampf würdigen und ihre Unterstützung für die Machthaber der Islamischen Republik beenden und sich damit endlich auf die Seite der Zivilgesellschaft stellen.

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9 Kommentare

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  • Auf der einen Sit hat er ja schon Recht, wenn man sich die Liste der Friedensnobelpreisträger anschaut, jede Menge Schurken und zwielichtige Gestalten, wie Henry Kissinger (Le Duc Tho nahm ihn nicht an), Sadat/Begin, Abyi Ahmed (Äthiopien), nicht zu vergessen, US-General Marshall.



    Auf der anderen Seite auch Shirin Ebahdi, Iranerin, die danach wenigstens ins Exil konnte.



    Und dann noch ein paar Kantonisten, wie den Dalai Lama und vergleichbare.



    Man kann ihr und den Iranern also nur das allerbeste wünschen und dass sie nicht auch ins Exil muss, um zu +berleben

  • Solidarität ist immer gut. Im Übrigen überschätzt sich „Europa“ durchaus, zumal sich weltpolitisch Einiges ändert und dies sich mindestens nicht abschwächen oder verlangsamen wird. Warum z.B. im vergangenen Jahr die bolivianische Putschpräsidentin Jeanine Añez für den Sacharow-Preis vorgeschlagen war, werde ich wohl nie verstehen. Und das sind dann auch Fälle, in denen die o.g. Solidarität keine mehr ist, sondern schlicht „Wir sind die Menschenrechtszentrale und die Gesetze von Bolivien interessieren uns nicht (jedenfalls dann nicht, wenn unsere Oligarchenkumpels vor Ort vor Gericht stehen)“. Ende des sinngemäßen Zitats.

  • Hier kann man sich für Ihre Freilassung einsetzen:



    www.amnesty.de/mit...lassen-2023-11-24?

  • Meinen größten Respekt vor den mutigen Frauen im Iran.

    Bow down.

    Anfang 2019 wurde die international geachtete Menschenrechtlerin und Anwältin Nasrin Sotoudeh zu 38 Jahren Gefängnis und 148 Peitschenhieben verurteilt. Ihr Vergehen: Sie hatte es gewagt, vor Gericht Frauen zu verteidigen, die gegen den Kopftuchzwang und für Frauenrechte demonstrierten.

    Auch Sotoudeh bekam den Sacharow-Preis.

    www.emma.de/artike...nrechtlerin-336627

    www.amnesty.de/mit...er-nasrin-sotoudeh

    www.tagesschau.de/...-preis-ts-102.html

  • Die Mullahs werden sich daran erinnern, dass auch Barack Obama den Friedensnobelpreis bekommen hat, dann wandelt sich ihr Zorn sicher schnell in Amüsement um.

    Leider hat der Preis jegliche Glaubwürdigkeit verloren.

    • @Andreas Weggel:

      Obama bekam den Preis für seine Außenpolitik, nicht seine Innenpolitik.



      Ja, an der Stelle gab es ungewöhnlich viele Kritiker, der Preis ist aber weit davon entfernt, diskreditiert zu sein.

    • @Andreas Weggel:

      Das sehe ich ganz anders.



      Habe gerade das Buch "IRAN die Freiheit ist Weiblich" von Golineh Atai gelesen. Sie beschreibt immer wieder im Buch, wie wichtig die Solidarität und Aufmerksamkeit von Außen ist, um die den inneren Widerstand mut zu machen. Sie schreibt "Je lauter das Ausland aber wurde, je größer hier (im Ausland) das Medieninteresse war, umso sicherer fühlten sich Iranerinnen und Iraner dort, die Widerstande leisten, und umso mehr wurden andere ermutigt, sich ihnen anzuschließen".

      Ihre Disqualifizierung des Friedens Nobelpreises droht im Ergebnis, nur Punkte für die Seite des Unrechtsregimes der Mullahs zur bringen und lenkt von den vielen Menschen in der Widerstandsbewegung in Iran ab.

      • @Nilsson Samuelsson:

        Ihre Beiträge schätze ich konstant. Danke.

    • @Andreas Weggel:

      Na ja, es gab im Laufe der Jahre über 140 Nobelpreisträger*innen bzw. Organisationen. Wohl die allermeisten davon verdient.

      Was ein Mullah dabei denkt ist bedeutungslos.

      Obama hat seinen Nobelpreis tatsächlich recht früh, aber auch nicht ganz unverdient bekommen:

      www.zeit.de/politi...aeger-barack-obama