SPD stimmt für Regierungsprogramm: Friede, Freude, Koalitionsvertrag
Der SPD-Parteitag sagt mit überwältigender Mehrheit Ja zum Ampel-Bündnis. Olaf Scholz tänzelt über die Bühne und hält eine emotionale Rede.
Der Applaus ist warm und spontan, die Stimmung grundentspannt. Man beklatscht sich ja auch selbst – den Wahlsieg und den Koalitionsvertrag. „Die Sozialdemokratie ist die führenden Kraft in diesem Land“, sagt Norbert Walter-Borjans, der freiwillig als SPD-Chef abtreten wird. Er mahnt nebenher, dass die Partei in der Aufgabenteilung nicht „zum Lautsprecher“ der Regierung werden dürfe. Es ist ein sanfte kritische Anmerkung, eine der wenigen.
Olaf Scholz scheint über die Bühne neben der Willy-Brandt-Statue zu tänzeln. „Es ist ein ganz besonderes Gefühl“, sagt er als erstes. Als er appelliert, sich impfen zu lassen, hebt er fast beschwörend die Hände. Es ist eine für seine Verhältnisse sehr emotionale Rede. Scholz, der sich am Mittwoch zum vierten SPD-Kanzler der Republik wählen lassen will, erinnert an Willy Brandt 1969 und Gerhard Schröder 1998.
Wie damals gebe es einen Aufbruch. Er ballt die Fäuste, und sagt: „Wir müssen die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen, sonst wird es nichts mit dem Fortschritt.“ Der werde allen zugute kommen – das ist das sozialdemokratische Credo. Die Ampel werde keine Regierung, die bloß aus der Not geboren sei. Er wolle mit den „Freunden bei FDP und Grünen“ länger als vier Jahre regieren.
Und Scholz erinnert an den Moment, als für ihn Wesentliches begann. Im Sommer 2020 traf er sich mit Rolf Mützenich, Walter-Borjans, Klingbeil und Esken „in einem Restaurant hier um die Ecke“. Dort wurde besiegelt, dass er Kanzlerkandidat werden soll. Diese Entscheidung blieb bis zum Spätsommer 2020 geheim, es war auch ein Vertrauenstest. Scholz grinst. Er ist noch heute stolz, dass dies gelang.
Keine Vorab-Infos an die Medien
Seitdem herrscht in der SPD ein neuer Stil, der Scholz-Stil. Bei den Koalitionsverhandlungen drang kaum etwas nach draußen. Auch die Nominierung der SPD-MinisterInnen verläuft nach Plan. Scholz wird, so war zu hören, die sechs MinisterInnen und drei StaatsministerInnen erst Sonntagabend informieren. Am Montag werden die SPD-MinisterInnen dann öffentlich präsentiert. Nur Scholz weiß offenbar Bescheid. Keine Vorab-Infos mehr an Medien – das war in der SPD nicht immer so.
In der Debatte zum Koalitionsvertrag ist das Meinungsbild eindeutig: Das Lob ist fast überschwänglich. Auch Juso-Chefin Jessica Rosenthal betont die Erfolge wie die Ausbildungsplatzgarantie und die anvisierte Bafög-Reform. Die Jusos würden die Regierung „kritisch-solidarisch“ begleiten und dem Vertrag zustimmen.
Daniela Kolbe, SPD-Linke aus Leipzig, die nicht mehr für den Bundestag kandidiert hatte, kritisiert das Verfahren der SPD beim Ja zur Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen. Die Zustimmung der Arbeitsgruppe in der SPD sei viel zu hektisch erfolgt, moniert sie. Aber solche Anmerkungen sind in der Aussprache selten.
Kevin Kühnert, der Generalsekretär werden soll, unterstreicht, dass die SPD mit dem Bauministerium ja auch ein Klimaministerium habe. Er wiederholt, allerdings rhetorisch weit dezenter als beim Juso-Kongress vor einer Woche, seine Kritik, dass bei der Mietenpolitik manches an der FDP gescheitert sei. Und er versucht, die Notwendigkeit der eigenständige Rolle der SPD heraus zu präparieren. „Wir sollten als Partei hungrig bleiben“, sagt er. Nur so könne die Sozialdemokratie die Hegemonie in der Gesellschaft erobern. Heute aber gehe es „mit angemessener Fröhlichkeit“ darum, Ja zum Koalitionsvertrag zu sagen.
Nach drei Stunden ist der Kurzparteitag vorbei. 98,8 Prozent der Delegierten votieren für das Regierungsprogramm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld