SPD im leichten Meinungshoch: Etwas Wirtschaft macht populär
Die Sozialdemokraten erleben endlich mal ein zartes Umfragehoch. Liegt es am neuen Wirtschaftskurs der Partei?
BERLIN taz | Dieses Gefühl hatten die Sozialdemokraten fast schon vergessen: Laut einer Wahlumfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa darf sich die SPD im Aufwind fühlen. Zwei Prozentpunkte legte die Partei demnach im Vergleich zur Vorwoche zu, damit liegt sie in der Umfrage in Auftrag von Stern und RTL nun bei 24 Prozent. Für eine rot-grüne Koalition würde das zwar lange nicht reichen, noch nicht einmal für Rot-Rot-Grün, und die Union scheint mit ihren stabilen 43 Prozent nach wie vor uneinholbar.
Dennoch: Nachdem die Partei trotz ihrer Erfolge beim Mindestlohn und der Rente mit 63 in Umfragen stagnierte und sich im Willy-Brandt-Haus langsam Ratlosigkeit breitmachte, wie die Sozialdemokraten ihre Wähler überhaupt noch erreichen können, wecken die neuen Umfragewerte Hoffnung: Der angekündigte Wirtschaftskurs der SPD, er könnte wirken.
So interpretiert es zumindest Forsa-Chef Manfred Güllner. Weder die klare Linie von Vizekanzler Sigmar Gabriel zu Rüstungsexporten nach Russland, habe zum kleinen Umfragehoch geführt, noch die Gedankenspiele um die flexible Rente ab 60 Jahren. „Eher dürfte der SPD die jetzt in der Partei aufgeflammte Debatte über mehr Wirtschaftsfreundlichkeit genützt haben“, sagte Meinungsforscher Güllner am Mittwoch.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil hatte diese Debatte Ende Juli losgetreten, Parteichef Gabriel sprang ihm zur Seite: Die SPD dürfe sich nicht damit zufrieden geben, für die soziale Seite der Gesellschaft zuständig zu sein, sagte er. „Wir müssen uns genauso um die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes kümmern.“ Mit dem Satz könnte er nun gepunktet haben – auch wenn sich seine Partei mit neuen Vorschlägen zur wirtschaftlichen Zukunft bisher zurückhält. Selbst manche Sozialdemokraten gestehen, dass ihnen noch nicht ganz klar ist, wie der neue Kurs eigentlich aussehen soll.
Über konkrete Ideen spricht Christian Flisek. Der Bundestagsabgeordnete leitet die Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in der SPD. Es sind vor allem die kleinen Start-ups, die ihm am Herzen liegen. Hier könne die SPD punkten: bürokratische Hürden abbauen, die Jugend für die Selbstständigkeit begeistern, den Zugang zu Wagniskapital verbessern.
Steuererleichterungen für Innovation
Richtig neu ist das allerdings nicht. Auf den Bürokratieabbau hatten sich SPD und Union im vergangenen Jahr bereits in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt. An gleicher Stelle listeten die beiden Parteien über eine ganze Seite Maßnahmen zur Unterstützung junger Unternehmen und Start-ups auf. An der Umsetzung arbeitet Gabriels Wirtschaftsministerium seit Monaten. In den nächsten Monaten wird der Bundestag voraussichtlich über eine erste Gesetzesnovelle beraten: Wer in innovative Firmengründungen investiert, soll demnach künftig mit Steuererleichterungen rechnen können.
Um einen komplett neuen Wirtschaftskurs, so Sozialdemokrat Flisek, gehe es also gar nicht unbedingt. „Ich glaube nicht, dass wir in der Vergangenheit eine unattraktive Politik für Gründer und Mittelständler gemacht haben. Wir hatten aber Probleme, unsere Politik richtig zu verkaufen“, sagt er. Und so wird jetzt auch das Führungspersonal der SPD nicht müde, in Interviews das wirtschaftspolitische Angebot der Partei vage aufzuzählen: bessere Bildung, mehr Einwanderung von Fachkräften, Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Klassische SPD-Themen, von der die Wirtschaft profitieren könnte und die gleichzeitig niemanden wirklich wehtun. Damit, so die Hoffnung der Sozialdemokraten, soll es in Zukunft weiter aufwärtsgehen: nicht auf 24 Prozent in Meinungsumfragen, sondern auf 30 Prozent und mehr.
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