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SPD im UmfragetiefAuf der Suche nach Milliarden

Die Fraktion will eine Reform der Schuldenbremse. Es gehe nicht nur um die Europawahlen, sondern um die Existenz, betont der Abgeordnete Axel Schäfer

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt zur Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion im Reichstagsgebäude Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin taz | „Politik in herausfordernden Zeiten“ lautet der Titel des Impulsvortrags von Marcel Lewandowski, mit dem die größte Fraktion im Bundestag, ach ja: die SPD, am Donnerstag in ihre zweitägige Klausur zum Jahresauftakt startete. Herausfordernd sind die Zeiten auch für die Sozialdemokraten. Derzeit sind sie in Umfragen meilenweit entfernt davon, nochmals stärkste Fraktion zu werden. Auch die Aussichten für die Europawahl im Juni und die drei ostdeutschen Landtagswahlen sind gräulich. Und dann ist noch das Problem mit dem Haushalt. Der muss endlich beschlossen werden, aber aktuell klafft noch ein Loch im Etat. Die Bauern sind strikt dagegen, dass man ihnen was wegnimmt, um es zu stopfen.

Alles Themen, die die SPD auf ihrer Klausur umtreiben werden. Um Geld für Zukunftsinvestitionen aufzutreiben, will die Fraktion, dem Parteitag folgend, eine Reform der Schuldenbremse angehen. In einem Beschlusspapier „Eckpunkte für eine gerechte Haushaltspolitik“, welches auch der taz vorliegt, heißt es, die Schuldenbremse sei in ihrer jetzigen Form nicht mehr zeitgemäß und ein Wohlstandsrisiko für kommende Generationen.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse deckelt die staatliche Neuverschuldung auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Fraktionschef Rolf Mützenich bekräftigte vor Beginn der Klausur: „Schulden sind notwendig, vor dem Hintergrund, dass der Staat Investitionen tätigen muss, damit Deutschland seine Spitzenstellung in der Welt auch behauptet.“

Die Fraktion hatte am Donnerstag die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer und den Wirtschaftswissenschaftler Sebastian Dullien dazu eingeladen, beide Kri­ti­ke­r:in­nen der derzeitigen Schuldenbremse. Laut Beschlussvorlage will der Fraktionsvorstand eine Steuerungsgruppe einsetzen, die Eckpunkte für eine Reform erarbeitet.

„Es geht um die Existenz“

Am späten Donnerstagnachmittag stand nach Redaktionsschluss auch eine 90-minütige Aussprache mit dem Bundeskanzler auf der Tagesordnung. Mit einem Hupkonzert wie am Vormittag, als er sich mit Bauernvertretern in Cottbus traf, musste Scholz zwar nicht rechnen. Dennoch rumort es in der Fraktion. Der Langzeitabgeordnete Axel Schäfer schreibt in einem Brief an seine Fraktion, welcher ebenfalls der taz vorliegt, die SPD, die Regierung und die Demokratie stünden unter enormem Druck. In 11 von 16 Bundesländern sei die Partei auf einem historischen Tiefststand. „Es geht heute um die Existenz der SPD.“

Als wesentliche Gründe für „eine kaum fassbare Unzufriedenheit mit der Regierungsarbeit“ sieht Schäfer „die eigenen Fehler im Regierungshandeln und die offenen täglichen Streitigkeiten in der Ampel.“ Hinzu komme „die defensive, teilweise falsche Kommunikation unsererseits“. Für die Europawahl sieht Schäfer seine Partei schlecht gerüstet: kein Zugriffsrecht auf das deutsche Kommissionsmitglied, kaum Büros und wenig Sichtbarkeit.

Die Fraktion will sich dem Thema Europa am Freitag widmen und ein Papier „Für ein starkes Europa“ beschließen. So fordert die Fraktion, dass Europa „erhebliche Summen für Zukunftsinvestitionen mobilisiert“. Auch die EU-Erweiterung will man vorantreiben und eine „Dynamik der vertieften Integration entfachen.“ Die SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley wird am Freitagvormittag zum Gespräch erwartet.

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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Und jetzt wird auch noch das Klimageld gestrichen, oh sorry, unendlich verschoben weil es nicht möglich ist den



    Bürgern Geld zu überweisen. Das treibt die nächsten in die Arme der Blauen - wo ist da der Kanzler, der mal BASTA schreit!

  • Gerhard Schröder ging als Kanzler in Sachen öfentlicher Meinung voran. Er besetzte medienwirksam die Themen. Dazu polterte dann und wann der tapfere Müntefering los.

    Scholz trott als Kanzler immer nur hinterher, zumindest in der Öffentlichkeit. Ob es intern auch so ist, weiß man ja nicht. Und Esken, Stegner und Mützenich sind blaß und farblos...wer wählt denn solche Leute ?

  • Die SPD steht auf dem Spiel, nicht die Demokratie. Die Demokratie funktioniert hervorragend. Die Selbstreinigungskräfte sind ein bißchen langsam, aber das ist jetzt nur meine persönliche Meinung.

  • 6G
    692662 (Profil gelöscht)

    Kommentar entfernt. Bitte verzichten Sie auf pauschale Unterstellungen. Danke, die Moderation

  • Jeder weiß doch, wo Milliarden herumliegen, die man nur noch aufheben muss. Sie verschwinden auch nicht, wenn sie vererbt werden oder in Form von Boni für keinerlei Leistung verschoben werden.

  • Deutschland ist eines der wenigen Länder, die 2022 und 2023 nicht in der Lage waren, Mrd von EU Geldern, die es hätte abrufen können, wirklich in Anspruch zu nehmen. Bürokratische Unfähigkeit, obwohl gleichzeitig die Regierungsorganisation gigantisch gewachsen ist. Mit einem SPD Kanzler, der ein Finanzproblem hat, und vorher Finanzminister war. Da hätte man erwarten können, dass Frau Barley hier zumindest unterstützend und vermittelnd tätig wird. Ich kann mich kaum erinnern, in den letzten Jahren irgend etwas Konstruktives von Frau Barley gehört zu haben.

    Die SPD hat meiner Meinung nach daher nicht nur in Deutschland ein Problem mit einem Phantom-Kanzler, sondern das gleiche Phantomproblem auch in der EU Politik. Und wenn ich das dem Artikel richtig entnehme, ist die EU Politik der SPD nicht nur für die Wähler nicht sicht- und greifbar, sondern - und das ist dramatisch - auch nicht für die SPD Fraktion, jedenfalls deute ich den Satz "Kein Zugriffsrecht auf das deutsche Kommissionsmitglied, kaum Büros und wenig Sichtbarkeit." genau so.

    Wie will man mit beiden Phantomen bei der EU Wahl als Alternative zu populistischen Parteien antreten? So stärkt man deren Position unnötig.

  • "In elf von 16 Bundesländern sei die Partei auf einem historischen Tiefststand. „Es geht heute um die Existenz der SPD.“

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    Und in so manchem ostdeutschen Bundesland würde sie nicht mal mehr die 5%-Marke überspringen können. Vollkommene Bedeutungslosigkeit.

  • 6G
    692662 (Profil gelöscht)

    Die SPD wird dieses Jahr das erste mal aus einem Landtag fliegen, weil sie unter 5% bleiben wird.

  • Schulden machen " damit Deutschland seine Spitzenstellung in der Welt behält " Genau das ist der Fehler in der Denke der SPD! WO hat Deutschland ( zur Zeit ) eine Spitzenstellung in der Welt ?? Vielleicht noch in Moralischer Überheblichkeit gegenüber anderer Staaten, Forschung, Entwicklungen, Produktivität, immer mehr Länder laufen uns hier den Rang ab. Und was uns ( einstmals ) in Spitzenplätze brachte, Autobau, Landwirtschaft wird abgewürgt. Wenn es für die erste Liga nicht reicht muss man halt 2 Liga "spielen ", aber nicht den Anspruch haben Meister zu werden.

    • @Günter Witte:

      Autobau und Landwirtschaft würgen sich in erster Linie selber ab.



      Wenn man sich damit ein wenig mehr beschäftigt als nur mit Überschriften. Man kann der SPD ja so einiges vorwerfen aber das haben andere zu verantworten.

  • Ein Thema, das für weiteren Unmut bei weiten Teilen der Bevölkerung sorgen wird,



    ist die neue Grundsteuer, die in den Bundesländer teilweise völlig unterschiedliche



    Bemessungsdaten berücksichtigt und deren Kostenschleier erst mit der Bekanntgabe



    des kommunal festgestellten Hebesatzes gelüftet wird. Warum hat man den Ländern



    bei dieser Steuer soviel Gestaltungsfreiheit eingeräumt und eine Verfahren gebilligt,



    das dermaßen viel Unsicherheit und Unverständnis hervorruft.

    • @Hubertus Behr:

      Auf Grund des "Bodenwert-Bescheids" des Finanzamts habe ich die sich daraus ergebende Steuerschuld gerechnet, und zwar mit dem derzeit gültigen Hebesatz der Gemeinde.



      Heraus kam eine Verdreifachung der zu zahlenden Grundsteuer.

      Damals war angekündigt - wenn ich mich richtig erinnere, vom damaligen Finanzminister namens Olaf Scholz -, dass die vom Bundesverfassungsgericht angestoßene Reform der Grundsteuer "aufkommensneutral" umgesetzt werde.

      Auf Grund der Lage der Gemeindefinanzen (hier vor Ort und in der gesamten Republik) glaube ich nicht, dass die Gemeinden ihren Hebesatz reduzieren werden.

  • Nur Milliarden werden der SPD nicht mehr helfen, die Partei ist bis auf Baris Pistorius Gesichtslos geworden. Wo ist die Führung der SPD in der Koalition? Wo ist der Kanzler wenn es wichtig wir?. Wo ist die Partei in den sozialen Medien? Wofür steht diese SPD?



    Seit 40 Jahren bin ich SPD Sympathisant, ich weiß nicht mehr weiter.