SPD-Politiker zum Heizungsgesetz: „Wir sind fest entschlossen“
Die Menschen müssen wissen, wie es mit ihren Heizungen weitergeht, sagt SPD-Klimapolitiker Matthias Miersch. Er setzt auf Technologieoffenheit.
taz: Herr Miersch, alle sind für Klimaschutz, aber nicht in den eigenen vier Wänden! Teilen Sie diesen Eindruck?
Matthias Miersch: Die Zustimmung für Klimaschutz ist sehr groß. Wenn Klimaschutz aber konkret wird, wird er plötzlich zum Problem. Doch es ist offensichtlich, dass wir gerade im Gebäudesektor massiv aufholen müssen.
ist SPD-Bundestagsabgeordneter und dort stellvertretender Vorsitzender der Fraktion für die Bereiche Umwelt, Klimaschutz, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Ab 2024 soll jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Mehrere Länder fordern nun aber eine Verschiebung des Gesetzes, Niedersachsens SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies sogar um drei Jahre. Ihr Parteivorsitzender Lars Klingbeil hingegen hat nun am Wochenende gesagt, er ist gegen eine Verschiebung. Und Sie?
Mir ist vor allem wichtig, wie das Gesetz in Kraft tritt – die Bürgerinnen und Bürger wollen jetzt wissen, wie es mit ihren Heizungen weitergeht. Drei Punkte sind für die SPD-Bundestagsfraktion ganz entscheidend: Die Förderung. Hier merke ich im Wahlkreis eine massive Verunsicherung bei ganz, ganz vielen Menschen, dass sie finanziell überfordert werden. Das darf nicht passieren.
Dann gibt es im Gesetzentwurf eine zu große Betonung auf Wärmepumpen und Strom, da setzen wir auf einen breiten Mix an Technologien. Und drittens müssen wir uns Härtefallregeln und Fristen angucken und notfalls ausweiten. Ist es überhaupt zu schaffen, gibt es genügend Heizungen neuen Typs, wie sieht's mit Handwerkern aus? Diese Fragen werden wir jetzt im parlamentarischen Verfahren möglichst noch vor der Sommerpause klären.
Kann man diese Fragen alle bis Anfang 2024 beantworten?
Wir sind fest entschlossen, den Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause zu beraten, zu verbessern und zu verabschieden. Das ist mir ganz wichtig. Denn Sicherheit schaffe ich nur, wenn es gute klare Regelungen gibt, an denen sich jeder orientieren kann.
Die Länder haben am Freitag im Bundesrat auf Änderungen am Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gedrungen. Es sei richtig, die Anstrengungen für den Klimaschutz beim Heizen zu verstärken, sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU). Man brauche aber die Zustimmung der Bevölkerung. Die nördlichen Bundesländer hatten einen gemeinsamen Antrag eingebracht, den sich der Bundesrat weitgehend zu eigen machte. Die Länder fordern unter anderem ein technologieoffenes Gesetz und höhere Förderungen für die Umstellung von Fernwärmenetzen auf klimafreundliche Technik. Die geplanten Ausnahmen beim Heizungstausch für über 80-Jährige wollen die Länder durch eine Härtefallklausel ersetzen oder die Altersgrenze senken. Der Bundestag kann die Änderungswünsche aufgreifen. Dort sollte der Gesetzentwurf nach bisheriger Planung in der Woche vor Pfingsten erstmals beraten werden. Er steht aber noch nicht auf der Tagesordnung.
SPD-Chef Lars Klingbeil beharrt auf ein Inkrafttreten zum Jahreswechsel: „Der 1.1.2024 ist der Tag, an dem das Gesetz in Kraft tritt“, sagte er Welt TV am Samstag. Auch Wirtschafts-Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) sagte, es gebe bei dem Thema eine „hohe Dringlichkeit“, die für diesen Startzeitpunkt spreche. „Das Heizungsgesetz kann nicht zum 1. Januar 2024 starten“, befand hingegen der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse. (epd, afp)
Der Architekt des Gesetzes Patrick Graichen, Staatsekretär im Wirtschaftsministerium, ist gerade massiv angeschlagen, weil er seinen Trauzeugen in eine Führungsposition bugsiert hat. Inwiefern trägt diese Affäre dazu bei, dass sich die Einführung des Gesetzes verschieben könnte?
Das ist natürlich alles ungut. Aber es hat nichts mit der Aufgabe zu tun, die vor uns liegt, nämlich den Entwurf im parlamentarischen Verfahren zu verbessern. Da ist es zweitrangig, was augenblicklich im Wirtschaftsministerium läuft, da bin ich selbstbewusster Parlamentarier.
Sie setzen auf mehr Technologieoffenheit beim Heizungsgesetz. Was genau meinen Sie?
Ich halte es nicht für zielführend einseitig auf die Wärmepumpe zu setzen. Erdwärme, Fernwärme, aber auch Holz müssen ebenfalls eine Rolle spielen.
Sie sagen ja selbst, viele Menschen sind verunsichert, ob sie es sich leisten können, ihre Heizung zu ersetzen. Können Sie die Verunsicherung verstehen?
Absolut. Die Verunsicherung ist wirklich groß. Teilweise werden da zwar auch Dinge medial hochgeputscht, die ohne Substanz sind. Schuld daran sind aber auch Defizite in der Kommunikation seitens der Regierung. Gerade zu Beginn ist da einiges schiefgegangen.
Das Wirtschaftsministerium hat den Gesetzentwurf, den die Bild-Zeitung als „Habecks Heizungshammer“ bezeichnete, sicher nicht selbst geleakt.
Man hätte bei solchen Gesetzen damit rechnen müssen, dass Referentenentwürfe durchgestochen werden. Deswegen hätte ich mir von Seiten des Wirtschaftsministeriums von vornherein eine viel offensivere Kommunikation gewünscht.
Die Grünen haben jetzt nachgelegt und ein Förderkonzept vorgeschlagen, laut welchem der Staat den Einbau einer klimaneutralen Heizung mit bis zu 80 Prozent bezuschusst. Halten Sie das für realistisch?
Matthias Miersch, SPD
Die entscheidende Frage ist, wie viel Prozent von was? Es hängt sehr davon ab, wie das einzelne Haus beschaffen ist. 50 Prozent einer Rechnungssumme, die sich auf 60.000 Euro beläuft, helfen einem Durchschnittsverdiener wenig. Die andere Frage ist, ob sehr reiche Menschen überhaupt eine Förderung brauchen.
Derzeit ist geplant, dass alle Immobilienbesitzer:innen mindestens 30 Prozent Zuschuss bekommen für den Heizungstausch. Das stellen Sie in Frage?
Es gibt Menschen, die diesen Zuschuss nicht brauchen. Wir sollten uns jetzt die Zeit nehmen, Gerechtigkeitselemente in das Gesetz einzubauen. Ich halte nichts von einer Förderung mit der Gießkanne.
Also eine nach Einkommen oder Vermögen gestaffelte Förderung. Der Einwand lautet: Das wäre technisch viel zu kompliziert und würde ewig dauern.
Das wird immer eingewendet von Menschen, die diese Abstufung nicht wollen. Ich glaube nicht, dass wir Antragsverfahren brauchen, wo sich die Leute nackig machen müssen. Es gibt solche einkommensabhängigen Komponenten ja auch an anderer Stelle, zum Beispiel bei den Strom- und Gaspreisbremsen. Der Zuschuss musste nachträglich versteuert werden. Ich bin da nicht festgelegt, aber wir wären gut beraten, solche Elemente zu berücksichtigen.
Die Einwände kommen unter anderem aus dem Kanzleramt. Will der Kanzler keine Förderung nach sozialen Kriterien?
Bedenken, das Verfahren nicht unnötig kompliziert zu machen, finde ich nicht verkehrt. Jetzt beraten wir das Gesetz im Parlament, da gibt es viele Meinungen. Ich habe meine genannt und glaube, dass ich damit in der SPD-Fraktion durchaus eine Mehrheit habe.
Und wie soll diese Förderung nach Einkommen und Vermögen funktionieren? Bis jetzt ist kein SPD-Konzept bekannt.
Wir haben eine Taskforce gebildet, die Verena Hubertz und ich leiten. Wir sitzen regelmäßig zusammen und besprechen auch die Frage der Förderung. Aber wir wollen uns jetzt nicht öffentlich mit irgendwelchen Forderungen überbieten.
Aber Sie sind sich einig mit den Grünen, dass es eine sozial gestaffelte Abfederung geben muss?
Die SPD-Fraktion hat vom ersten Tag an betont, dass wir dem Gesetz nur mit ausreichender Förderung zustimmen. Und das dabei Kriterien wie das Einkommen eine Rolle spielen müssen. Bei den Grünen gab es in den letzten Jahre durchaus gewisse Diskrepanzen in der Frage, wieviel monetärer Druck sein muss, um ökologische Ziele tatsächlich durchzusetzen. Etwa, wenn es um den CO2-Preis geht. Aktuell nehme ich bei den Grünen auch wahr, dass sie die soziale Komponente stärker betonen wollen. Das begrüße ich.
FDP-Finanzminister Christian Lindner will 20 Milliarden Euro sparen, Geld für große Förderprogramme gibt es eigentlich nicht.
Haushaltsgesetzgeber ist der Bundestag und nicht der Finanzminister. Ich bin überzeugt, wir werden die Wärmewende nur stemmen, wenn wir entsprechende Förderprogramme aufsetzen. Es gibt ja den Klima- und Transformationsfonds mit über 170 Milliarden Euro bis 2026 und auch noch den 200 Milliarden schweren Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Da sind Mittel in einigen Programmen im letzten Jahr nur im einstelligen Bereich abgerufen worden. Ich glaube, dass wir daraus auch massiv Mittel akquirieren können.
Aber ist das legal? Das sind ja eigentlich Kredite, die als Krisenintervention vorgesehen waren.
Das ist verfassungsrechtlich alles andere als trivial. Aber wir müssen jetzt in einem elementaren gesellschaftspolitischen Bereich massiv in die Zukunft investieren, und es leuchtet wohl jedem ein, dass wir das Neue dementsprechend fördern müssen. Denn was passiert eigentlich, wenn wir diesen Weg nicht gehen? Die volkswirtschaftlichen Belastungen von Klimaschäden sind enorm
Bisher sieht das Klimaschutzgesetz Einsparziele für jeden Sektor wie Verkehr und Gebäude vor. Künftig soll es nur noch sektorenübergreifende Zielzahlen geben. Können sich einzelne Bereiche jetzt aus der Verantwortung stehlen?
Das darf natürlich nicht passieren, darum werden die Klimaschutzziele an keiner Stelle aufgeweicht. Auch nach der Novelle müssen wir bis 2030 gegenüber 1990 65 Prozent Emissionen einsparen. Damit es keine organisierte Unverantwortlichkeit gibt, muss es auch Sektorenziele geben, die überwacht werden. Und es darf auch nicht passieren, was wir gerade erleben, nämlich dass die Bundesregierung seit über einem Jahr ein geeignetes Sofortprogramm vorlegen soll und dem nicht nachkommt.
Sie meinen FDP-Verkehrsminister Volker Wissing. Das Gesetz soll doch geändert werden. Muss er denn noch ein Programm vorlegen?
Absolut! Wir haben eine Gesetzeslage, und die gilt. Ich erwarte von der Bundesregierung und auch von Volker Wissing, dass er dementsprechend ein Programm vorlegt, wie CO2 im Verkehrsbereich eingespart wird.
Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen hat ein Tempolimit vorgeschlagen, obwohl der Koalitionsvertrag das ausschließt. Wie sehen Sie das?
Als Teil eines solchen Sofortprogramms könnte die Ampel als Kompromiss ein zeitlich befristetes Tempolimit einführen und ausprobieren, wie es wirkt.
Aber hält nicht Olaf Scholz seine schützende Hand über Volker Wissing und die FDP? Zumindest war es der Regierungssprecher, der zunächst verkündet hatte, dass Wissing kein Sofortprogramm mehr vorlegen müsse.
Auch der Kanzler hat ein großes Interesse daran, dass die Bundesregierung ihre Klimaschutzziele einhält. Und die Novelle des Klimaschutzgesetzes ist nun dazu geeignet, auf der einen Seite mehr Flexibilität zu schaffen, aber auch noch mehr Verbindlichkeit seitens der Regierung gegenüber dem Parlament durchzusetzen.
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