SPD-Minister Backhaus über Raubtiere: „Zahl der Wölfe festlegen“
Zählt man Deutschlands und Polens Tiere zusammen, sei die Population groß genug, sagt Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Backhaus.
taz: Herr Backhaus, wie kommen Sie zu der Annahme, dass wir in Deutschland schon genug Wölfe hätten und sie deshalb bejagen müssten?
Till Backhaus: Wissenschaftler sprechen immer davon, dass eine Population ausreichend stabil ist, so lange sie mindestens aus 1.000 Tieren besteht. Diese Schwelle haben wir bereits überschritten, wenn wir nicht nur die deutlich über 60 Rudel in Deutschland, sondern auch die 70 in Polen mitrechnen. Da jedes Rudel im Durchschnitt aus cirka 10 Tieren besteht, haben wir also mehr als 1.300 Wölfe.
Kann man die polnischen und deutschen Wölfe einfach zusammenzählen?
Die Tiere in Westpolen und die in Deutschland bilden laut Bundesamt für Naturschutz die „Zentraleuropäische Flachlandpopulation“. Meiner Meinung nach tauscht sie sich auch mit der Population in Ostpolen aus. Das ist die alte Wolfsroute von Russland bis nach Frankreich.
Till Backhaus, 58 Jahre, ist seit 1998 Minister für Landwirtschaft und seit 2006 auch für Umwelt in Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.
Das sieht das Bundesamt, das Ihrer Parteifreundin und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks untersteht, aber anders. Die genetischen Unterschiede seien zu groß, um von einer Population zu sprechen.
Da gibt es eben unterschiedliche Haltungen. Die Wolfsexperten, die sich vor Ort mit diesem Problem auseinandersetzen, sind dichter dran als das Bundesamt. Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern greifen nach genetischen Untersuchungen sehr wohl polnische Wölfe in diese Population ein. Das ist doch so sicher wie das Amen in der Kirche, dass der Wolf keine Staatsgrenzen kennt.
Welche Konsequenzen sollte die Politik aus diesen Zahlen ziehen?
Die Frage, die wir endlich deutschlandweit einheitlich klären müssen, lautet: Was ist der gute Erhaltungszustand, den das Naturschutzrecht verlangt, um den Schutzstatus des Wolfs zu senken? Anders gesagt: Wir müssen festlegen, wie viele Wölfe wir brauchen und vertragen. Bisher gibt es da verschiedene Meinungen unter einigen Ländern und dem Bundesumweltministerium. Ich erwarte, dass das bei der Konferenz der Umweltminister ab Mittwoch in Potsdam beantwortet wird.
Kritik gibt es vor allem von Landwirten, die ihre Tiere nicht nur im Stall, sondern draußen halten. Denn Wölfe töten immer mehr Weidetiere. Was müssen die Behörden da tun?
Die Minister müssen bundeseinheitlich festlegen, was ein auffälliger Wolf ist, der getötet werden muss. Mich fasziniert der Wolf auch. Er hat als ehemals ausgestorbene Art auch ein Recht, in Deutschland zu leben. Aber wir müssen ein deutschlandweit einheitliches und rechtssicheres Verfahren zur Entnahme von Wölfen oder ganzen Rudeln haben, die permanent in Nutztierbestände eingreifen. Auffällig ist für mich nicht nur ein Wolf, der Menschen gefährlich wird.
Sollte ein Wolf getötet werden, wenn er die Schutzmaßnahmen überwunden hat, die die Länder als Bedingung für Entschädigungszahlungen verlangen?
Ja, das sehe ich so. In dem Fall muss der Tierhalter nicht erst einen noch besseren Zaun bauen oder Herdenschutzhunde anschaffen. Wenn alle erforderlichen Präventionsmaßnahmen tatsächlich nicht mehr ausreichen, sollte die Tötung des Wolfs erlaubt werden. Sachsen hat das ja gerade versucht, aber dagegen hat die Grüne Liga geklagt. Es mangelt eben an einem rechtssicheren und bundeseinheitlichen Verfahren. Hier muss der Bund endlich nachlegen.
Die Bauern werden doch für getötetes Vieh entschädigt. Warum sind Risse so schlimm?
Ein einzelnes Kalb zu verlieren, ist nicht schön, aber das kann man verkraften. Viel schlimmer ist, dass die Tiere dann ausbrechen – eventuell auf Straßen und Bahnlinien – oder andere Schäden anrichten. Wir wollen die Tierhaltung in der freien Landschaft weiter ermöglichen, auch aus Umweltschutz- und Tierwohlgründen. Und die Landwirtschaft ist bei uns ein wichtiger Wirtschaftszweig.
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