SPD Bremen streitet über Abrüstung: Fehde um den Frieden
Wieso stimmten die Bremer SPD-Bundestagsabgeordneten einer Erhöhung des Verteidigungsetats zu? Beschlüssen des Landesverbands läuft das zuwider.
![Viele Panzer stehen dichtgedrängt nebeneinander Viele Panzer stehen dichtgedrängt nebeneinander](https://taz.de/picture/3117022/14/37442943.jpeg)
Zu Verstehen ist die Diskussion in Bremen vor dem Hintergrund des bundesweiten Bemühens um „Erneuerung“ der Sozialdemokraten. Letzte Umfragen sehen sie knapp bei dramatischen 14 Prozent. Auch die Bremer GenossInnen strampeln dagegen an. Der Bremer Fraktionsvorsitzende flirtet mit der Linkspartei und der Landesverband versucht, sich ein klareres Profil zu geben: linker, sozialer, friedenspolitischer.
Im April beschloss der Landesparteitag unter dem Titel “‚Erneuerung‘ nur mit klarem friedenspolitischen Profil“, für eine „Entspannungspolitik“ einzustehen. Abgelehnt werde das Ziel, die Nato-Militärausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern. „Die Modernisierung der Bundeswehrausrüstung darf sich mittelfristig nur im Rahmen der allgemeinen Haushaltssteigerung bewegen“, heißt es darin weiter. Eine Forderung, die SPD-Staatsrätin Ulrike Hiller zuletzt auf dem Antikriegstag im September wiederholte.
Im jüngst beschlossenen Bundeshaushalt für 2019 nun ist – neben der Erhöhung der Ausgaben für Soziales, Arbeit und Familien – die Steigerung des Verteidigungsetats von 38,5 auf 43,2 Milliarden Euro um knapp zwölf Prozent veranschlagt. Der Etat des Entwicklungsministeriums wächst von 9,4 Milliarden Euro auf 10,2 Milliarden mit acht Prozent aber nicht so stark wie der des Verteidigungsministeriums. Das weicht ab vom Koalitionsvertrag, in dem sich SPD und Union darauf geeinigt hatten, die Erhöhung der Verteidigungsausgaben und Mittel der Entwicklungshilfe eins zu eins zu koppeln. Und es weicht ab von den Bremer Beschlüssen.
"Beginn einer Aufrüstungswelle"
Kritik kommt deshalb unter anderem von den Jusos. „Aufrüstung ist das völlig falsch Signal“, sagt deren Landesvorsitzender Sebastian Schmuggler. Auch andere GenossInnen der Parteibasis haben Redebedarf und sorgen sich insbesondere darum, dass die SPD nach außen verlogen wirken könnte.
Diskutiert wird darüber deshalb nun auf der nächsten Sitzung des SPD-Landesvorstands am 14. Dezember. Bei dessen Mitgliedern ist die Stimmung gespalten. Der ehemalige Juso-Landeschef David Ittekkott erklärte, er könne nachvollziehen, dass man den ganzen Haushalt nicht wegen eines Postens ablehnen könne. Schriftführer Karl Bronke hingegen formuliert explizite Kritik an der Erhöhung des Verteidigungsetats, will das aber nicht allein Ryglewski und Schmidt anlasten.
Deutlicher wird SPD-Vorstandsmitglied und Bürgerschaftsabgeordneter Arno Gottschalk. Er hat an dem friedenspolitischen Beschluss des Landesverbands maßgeblich mitgearbeitet und hätte von Ryglewski und Schmidt eine Enthaltung bei der Haushaltsabstimmung erwartet. „Das ist der Beginn einer Aufrüstungswelle, wie ich sie mir nicht wünsche in diesem Land“, sagt er. „Die Frage ist: welche Haltelinien haben die Genossen im Bund?“
Arno Gottschalk, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter
Ryglewski hingegen überraschen die Vorwürfe. In einer Koalition müsse man immer abwägen. „Der Schutz des Rentenniveaus, der soziale Arbeitsmarkt, das Gute-Kita-Gesetz, der Ausbau der Ganztagsschulen – auch das steht alles im Haushalt“, sagte Ryglewski der taz. „Das sind Maßnahmen, von denen Bremen und Bremerhaven direkt profitieren.“ Deshalb habe sie dem Haushalt „sehr gerne“ zugestimmt. Bei der Erhöhung der Verteidigungsausgaben wiederum finde der größte Aufwuchs in den Bereichen Beschaffung und Materialerhalt statt, sagt die Bundestagsabgeordnete. Die Parlamentarier hätten eine Verantwortung für die Ausstattung der SoldatInnen in Auslandseinsätzen.
Dieser Argumentation widersprechen sowohl Gottschalk als auch Bronke: Die Mehrausgaben für Rüstungsgüter wie U-Boote hätten mit dem Material der Soldaten in Mali, Kosovo oder Afghanistan wenig zu tun.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören