S-Bahn in Berlin: Bald ohne die Deutsche Bahn?
Rot-Rot-Grün streitet über die Zukunft der S-Bahn. Mehr Wettbewerb geplant – und auch viel mehr neue Fahrzeuge.
Die Berliner S-Bahn in den anstehenden Vergabeverfahren auf mehrere Unternehmen aufzuteilen, wäre eine Premiere in Deutschland. Bisher sind alle S-Bahn-Netze fest in der Hand der Deutschen Bahn AG – auch in Berlin. Es wäre der erste Versuch, ein abgeschlossenes S-Bahn-Netz auf mehrere Betreiber aufzuteilen und Linien auch von Nicht-DB-Unternehmen fahren zu lassen. Die Bahngewerkschaft EVG spricht gar von einer Spaltung der Berliner S-Bahn.
Als der Senat 2013 zum ersten Mal versuchte, die Ringbahn auszuschreiben, war die DB der einzige Anbieter. Diese Monopolstellung ließ sich das Unternehmen vom Senat mit einer Zuschusserhöhung um 66 Prozent je Zugfahrt bezahlen. Eine solche Situation möchte die Senatorin unbedingt verhindern. Die DB-Tochter S-Bahn Berlin GmbH wäre dann nur noch eine von mehreren Bewerbern.
Um die Ausschreibung auch für andere Unternehmen attraktiv zu machen, muss Günther S-Bahn-Fahrzeuge bereitstellen, die unabhängig vom Betreiber zur Verfügung stehen. Die S-Bahnen für den Ring gehören noch der DB. Die Länder Berlin und Brandenburg müssten so in den nächsten Jahren zwei bis drei Milliarden Euro allein für Fahrzeuge auftreiben. Angesichts der Schuldenbremse und der allgemeinen Haushaltssituation ein unmögliches Unterfangen. In der Vorinformation zur Ausschreibung steht, dass die Fahrzeuge nun von einem Dritten finanziert werden sollen. Als wahrscheinlich gilt, dass entweder ein großes Finanzinstitut oder ein Fahrzeughersteller selbst die Bereitstellung übernehmen. Ab 2026 sollen die neuen Fahrzeuge für erste Fahrten zur Verfügung stehen.
SPD und Linkspartei teilen jedoch Bedenken der Gewerkschaft, dass mit einer Aufteilung der Verkehre ein erhöhter Koordinierungsaufwand und unklare Verantwortungsbereiche zulasten der Fahrgäste einhergehen. Sie lehnen Günthers Pläne ab und wollen damit auch rund 3.000 Arbeitsplätze bei der S-Bahn Berlin GmbH sichern. Für viele DB-Beschäftigte wäre der erzwungene Wechsel zu einem anderen Unternehmen mit dem Verlust diverser Sozialleistungen verbunden, eine Absenkung des Lohnniveaus soll jedoch vertraglich unterbunden werden.
Obwohl für viele der Gedanke, den S-Bahn-Betrieb zu teilen und damit zwei konkurrierende Unternehmen innerhalb eines Systems zu schaffen, absurd erscheint, so ist diese Art, Bahnverkehr zu organisieren, weit verbreitet. Auch im Berliner Regionalverkehr teilen sich drei verschiedene Unternehmen die Strecken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen